Autotelefon im Kofferraum
Die Ausstellung „In Bewegung“ in der Domäne Dahlem in Berlin zeigt anhand der exemplarischen Bereiche Wohnen, Ernährung, Arbeiten, Freizeit und Kommunikation, wie rasant sich der Alltag durch Technik in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.
Mit der „Frankfurter Küche“ wurde in den 1920er-Jahren aus der einstmals einfachen Hausarbeit eine funktional optimierte Kette von sich ständig wiederholenden Arbeitsvorgängen. Die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, die am modernen Wiener Sozialwohnungsbau geschult war, hatte mit einem genauen statistischen und mathematischen Instrumentarium die Wege studiert, die eine Hausfrau in der Küche beim Kochen, Spülen, Aufräumen zurücklegt.
Um eine komplette Einbauküche zu bekommen, die im modernen Wohnungsbau so wenig Platz wie möglich einnehmen würde, entwarf sie eine Anordnung, die genau an diesen Arbeitsschritten orientiert war. Die Wege sollten möglichst verkürzt werden, außerdem sollte die Küche auf sieben Quadratmetern alle notwendigen Funktionen bieten und zugleich nicht wie ein Hühnerkäfig wirken. Das Ziel: eine rationelle Hausarbeit wie am Fließband.
Tausendfach ist diese Frankfurter Küche in den Siedlungen eingebaut worden, die unter der Leitung des Siedlungsdezernenten Ernst May in Frankfurt bis zum Ende der Weimarer Republik errichtet wurden. Elemente einer originalen Frankfurter Küche, die auf einem Grundriss in Originalgröße eingebaut sind, zählen zu den Paradestücken der Ausstellung „In Bewegung“, die im Herrenhaus der Berliner Domäne Dahlem zu sehen ist und sich mit den Veränderungen des Alltags in den vergangenen 100 Jahren befasst. Die Ausstellung wurde vom Ausstellungsverbund „Arbeit und Leben“ zusammengestellt, dem auch der Hessenpark im Taunus, das Freilichtmuseum am Kiekeberg bei Hamburg und das Schleswig-Holsteinische Freilichtmuseum in Kiel-Molfsee angehören.
Anhand der exemplarischen Bereiche Wohnen, Ernährung, Arbeiten, Freizeit und Kommunikation stellt die Ausstellung dar, wie rasant sich nicht zuletzt in den vergangenen 20 Jahren unsere unmittelbare Lebensumgebung verändert hat. Die Grundlage für die unbestreitbare Beschleunigung legte zweifellos die technische Entwicklung, wie anhand vieler Exponate zu sehen ist. Deutlich wird aber auch, wie der Mensch sich rasch neue Technologien einverleibt und sein Verhalten, seine Gewohnheiten und seinen Habitus anpasst.
Beispiel Kommunikation. Die Ausstellung zeigt ein sehr beeindruckendes Autotelefon der Marke TeKaDe vom Anfang der 1960er-Jahre, das auch Konrad Adenauer in seinem Dienstwagen hatte. Um die riesige Apparatur im Auto unterzubringen, war der Kofferraum einer größeren Limousine erforderlich. Über das A-Netz, den „öffentlich bewegten Landfunkdienst“ der Deutschen Bundespost, konnte man von diesem Telefon über das Amt mit anderen Empfängern vermittelt werden. Wenn man den Funkbereich einer Funkstelle verließ, war jedoch rasch Funkstille. Inzwischen ist die mobile Kommunikation selbstverständlich und mitunter lästig geworden – und längst nicht mehr das Privileg der Eliten.
Die anregende und unterhaltsame Ausstellung bietet Denkanstöße in Hülle und Fülle – und befriedigt auch ein wenig das Bedürfnis nach nostalgischer Erinnerung. Für die einen mag sich das in jenen Prospekten aus den 1960er-Jahren erfüllen, in denen Reisen mit dem Sonderzug an die italienische Riviera angepriesen werden (vier Tage für 178 Deutsche Mark), für andere in den Übungsprogrammen des Deutschen Sportbunds im Rahmen der Trimm-dich-Kampagne der 1970er-Jahre. Noch Jüngere werden weich werden, wenn sie den frühen Heimcomputer vom Typ Commodore 64c mit Floppy-Disks sehen. Von 1986 stammt dieses Exponat, kaum zu glauben. Diesem Ur-PC ist eine Wii-Konsole gegenüber gestellt, mit der der Besucher seine Geschicklichkeit beim (virtuellen) Bowling beweisen kann.
Es ist der Reichtum und die Vielfalt der rund 400 Objekte, die diese Ausstellung für Jung und Alt sehenswert macht. Der umfangreiche Katalog bietet viel Stoff zur Vertiefung, mit fundierten Beiträgen zu einer Themenpalette, die von der Arbeitsmigration verschiedener Zeitabschnitte bis zum Twittern reicht.
JOHANNES WENDLAND
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