Krematorien 18.01.2013, 12:08 Uhr

Bestattung: Emissionsarm auf die letzte Reise

Wohin mit den Toten? Im Kern laufen alle Antworten darauf hinaus, unsere Körper in Feuer, Wasser, Luft oder Erde aufgehen zu lassen. Ruhestätten in künstlichen Riffs oder im Orbit sind dabei ebenso möglich, wie die Verarbeitung der Asche zu Diamant oder ihr Verstreuen in der Stratosphäre. Wer Feuer oder dessen Emissionen fürchtet, kann sich in Lauge auflösen oder nach einem Stickstoff-Bad kompostieren lassen. Krematorien sind heute Hightech-Anlagen mit Luftreinhaltung und Wertstoff-Recycling.

Einfache Beerdigungen werden zunehmend seltener. An ihre Stelle treten moderne Krematorien.

Einfache Beerdigungen werden zunehmend seltener. An ihre Stelle treten moderne Krematorien.

Foto: dpa

„Gewinnen Sie eine Prepaid-Kremierung“, wirbt die Neptune Society auf ihren Webseiten. Der glückliche Gewinner kann bei dem führenden US-Anbieter von Feuerbestattungen gleich seine individuelle Ruhestätte buchen. GPS-Koordinaten: N25º 42.036′, W80º 05.409′.

Dort, 5 km vor der Küste Floridas, lässt die Society das „Neptune Memorial Reef“ wachsen. Gebaut wird es am Grund des Atlantiks unter anderem aus Zement, Sand und menschlicher Asche. Der Bestatter moduliert das Gemisch nach Wunsch des Verstorbenen, ehe Taucher es samt Bronzetafel mit Namen und Lebensdaten ins Riff integrieren. Tauchkundige Angehörige können sie begleiten und dann später verfolgen, wie Korallen auf dem Grab sprießen.

Die Neptune Society ist Mitglied im Green Burial Council. Dessen Ziel ist eine „Neue Ethik“ der Bestattung in Einklang mit der Natur. Das reicht vom Sarg mit giftfreier Lackierung über biologisch abbaubare Urnen bis hin zu Riff-Bestattung und dem neuesten Trend: Auflösen des Leichnams in Reaktoren mit 170 °C heißer Kalilauge. Die Schotten Sandy Sullivan und Craig Sinclair haben das aus der Tierkadaver-Beseitigung bekannte Verfahren mit ihrem Start-up Resomation Ltd. auf humanes Format gebracht. Zwei bis drei Stunden dauert es, menschliche Körper samt Sarg aufzulösen. Jede Erbsubstanz wird dabei zerstört. Übrig bleiben sterile Flüssigkeit, die eine Abwasseraufbereitungsanlage nachbehandelt, und Knochen. Die werden gemahlen und den Angehörigen in einer Urne übergeben.

Bestattungen: „Bio-Kremierung“ verbraucht 85 % weniger Energie als eine Einäscherung

Laut Anbieter verbraucht so eine flüssige „Bio-Kremierung“ 85 % weniger Energie als eine Einäscherung und setzt keinerlei Quecksilber, Dioxine oder Furane frei. Und natürlich spart sie gegenüber Erdbestattungen Platz. In Großbritannien, den USA, Kanada und Australien wird das Verfahren bereits angewendet. Unumstritten ist es nicht. Wissenschaftler zweifeln wegen der eingesetzten Chemie am Marketing-Versprechen „Bio“. Belastbare Ökobilanzen fehlen. Auch die Rechtslage ist unklar. Acht US-Bundesstaaten erlauben die Prozedur, in 17 weiteren laufen juristische und gesetzgeberische Verfahren mit offenem Ausgang.

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Das Laugen-Bad ist nicht die einzige Alternative zur Einäscherung. Die schwedische Biologin Susanne Wiigh-Mäsak arbeitet mit ihrem Ehemann Peter an einer weiteren. Mit ihrer Firma Promessa Organic AB wollen sie menschliche Überreste zügig in den Kreislauf der Natur überführen. Dafür sollen Verstorbene zunächst anderthalb Wochen bei -18 °C gelagert und dann mit Sarg ein Bad in flüssigem Stickstoff nehmen. Bei -196 °C wird dem Körper Wasser entzogen, aus dem er zu gut 70 % besteht. Zudem wird der Leichnam derart spröde, dass er sich durch kurzes Rütteln buchstäblich pulverisiert.

Es bleiben circa 30 kg Pulver, dem in einer Vakuumkammer die Restflüssigkeit entzogen und dann Implantate und Metalle entnommen werden. Schließlich wird das geruchlose Pulver in einem kompostierbaren Sarg aus Mais- oder Kartoffelstärke oberflächennah begraben. Binnen zwölf Monaten wird er samt Inhalt zu Humus, der die Pflanzen auf dem Grab nährt.

Wiigh-Mäsak reist in alle Welt, um Vorträge über ihr Verfahren zu halten. Dessen Vorzug sieht sie im stark beschleunigten Verwesungsprozess gegenüber Erdbestattungen. Tatsächlich stoßen Friedhofsgärtner beim Räumen 20 Jahre alter Gräber oft auf kaum verweste Überreste. Denn in üblichen Grabtiefen fehlt Sauerstoff. Ergebnis: Fäulnis statt Verwesung. Das belastet neben der Psyche der Gärtner auch die Böden, das Grundwasser und die Etats der Friedhöfe. Letztere müssen die Leichenreste entsorgen und teure bauliche Vorkehrungen treffen, damit sich das Problem nicht immer weiter fortsetzt.

Angesichts der Bilder, die bei diesem Problem vor dem inneren Auge aufziehen, scheint das schwedische Schockfrost-Verfahren mit anschließender Pulverisierung nachgerade ästhetisch. Einzig: es ist trotz jahrelanger Ankündigung und internationaler Patentierung nicht verfügbar. Ein britischer Promessa-Ableger hat sich 2012 nach eingehender Prüfung enttäuscht von der schwedischen Mutter abgewandt. Begründung: „Die Entwicklung ist in der Konzeptphase stecken geblieben.“

Weltraumbestattung ist für naturverbundene Angehörige wohl keine Alternative. Denn um ihre Liebsten für 11 000 € in die Erdumlaufbahn katapultieren zu lassen, führt an der vorherigen Einäscherung kein Weg vorbei. Wie bei der 25 000 € teuren Mondbestattung tritt zudem nur ein symbolischer Teil der Asche in einer Kapsel mit Widmung die letzte Reise an.

Wer Raketenabschuss und Teilbestattung unangemessen findet, kann die komplette Asche des Verstorbenen von der „swiss space hub agency“ per Wetterballon in die Stratosphäre bringen und dort in alle Winde verstreuen lassen. Der anonyme Lift auf 35 000 m kostet 1200 €. Als Premium-Paket mit bis zu 20 Gästen und Komplettdokumentation auf Online-Video, DVD und im Fotobuch schlägt die Himmelsbestattung mit 9000 € zu Buche.

Diamantbestattung: Verewigt in einem funkelnden Diamanten

Ein nicht minder exklusiver Abschluss des irdischen Lebens ist die Diamantbestattung: Aus etwa 500 g Asche des Verstorbenen wird Kohlenstoff isoliert und bei bis zu 60 000 bar Druck und 1700 °C wochenlang zum Rohdiamanten verdichtet. Dann folgt der letzte Schliff. „Die Methode verewigt einen Teil des Verstorbenen in einem funkelnden Diamanten“, wirbt der Heilbronner Anbieter „Diamant der Liebe“. Nicht genutzte Asche könne wie gewohnt in einer Urne beigesetzt werden.

Mit den ethischen Grundsätzen der International Cremation Federation (ICF) ist das kaum vereinbar. „Die Asche einer Person ist grundsätzlich unteilbar“, heißt es darin. Ausnahme: mit der Herausgabe ist ein erkennbarer Beitrag zur Trauerbewältigung verbunden. Die ICF, zu deren Mitgliedern der Bundesverband Deutscher Bestatter (BDB) gehört, stellt sich generell gegen die gewerbliche Nutzung von Produkten oder Rückständen der Kremation.

Ein heikles Thema. Im Schnitt fallen pro Einäscherung (Edel-)Metalle im Wert von 70 € an. Bei 460 000 Kremationen kommen in den 155 deutschen Feuerbestattungsanlagen jährlich 32 Mio. € zusammen. Ausgehändigt werden die Wertstoffe nur, wenn Erben es verlangen. Wie viel mit beigesetzt wird, und wie viel zu wessen Gunsten an spezialisierte Recycler verkauft wird, ist unklar. Die Niederlande und Großbritannien haben gemeinnützige Fonds eingerichtet, in die Krematorien die Erlöse einzahlen müssen. Hierzulande fehlt eine Regelung. Der BDB vergibt ein Gütesiegel, das Krematorien zur Stiftung aller Erlöse verpflichtet. Doch das Siegel tragen nur sechs der 155 Krematorien im Lande. BDB-Generalsekretär Rolf Lichtner geht aber von einer kleinen Dunkelziffer aus. „Bei unseren Mitgliedern ist es Konsens, etwaige Erlöse der Allgemeinheit zugutekommen zu lassen – und dazu zählt nicht die Pflege von Friedhofswegen.“

Öko-Bestattung: Krematorien äschern umweltfreundlich ein

Krematorien haben in den letzten Jahren nicht nur ethische Grundsätze erarbeitet. Sie haben auch jede Menge umwelttechnische Innovationen vorangetrieben. Hier schließt sich der Kreis zum Öko-Bestattungstrend im Ausland. Denn die von den Öko-Bestattern ins Feld geführten Emissionen von Quecksilber, Dioxinen und Furanen sind dank aufwendiger Abgasreinigung und besseren Prozessverständnissen auf ein Minimum reduziert. Dafür wird der Rauch der meist mit Erdgas befeuerten, mindestens 850 °C heißen Kremation in mehreren Schritten gekühlt, gefiltert und katalytisch aufbereitet. Die als Gegenmaßnahme der Dioxinbildung notwendige Kühlung erfolgt mit Wärmetauschern. „Wo möglich, wird die abgeführte Wärme genutzt“, so Gebhard Schetter, Geschäftsführer der Dipl.-Ing. Ruppmann Verbrennungsanlagen GmbH aus Stuttgart. Dabei legt er Wert darauf, dass die Hitze vor allem durch die Verbrennung von Erdgas entsteht – es sei keineswegs so, dass Friedhofshallen mit Toten geheizt werden.

Ohnehin liegt Ingenieur Ruppmann, der zuletzt maßgeblich an der Novellierung der VDI-Richtlinie 3891 für Krematorien mitgearbeitet hat, bei aller Technik Wert auf die Tonlage. „Die Pietät muss gewahrt bleiben“, sagt er. Der Anlagenbau für Krematorien bewege sich im Spannungsfeld zwischen würdigem Umgang mit den Verstorbenen und ihren Angehörigen, Umweltverträglichkeit und energetischer Optimierung. Bei manchem modernen Vorschlag komme ihm der erste Punkt zu kurz. Auch von der Umstellung der Verbrennung von Erd- auf Biogas aus Grünschnitt der Friedhöfe will der Experte nichts wissen. „Es geht um eine wichtige kulturelle Aufgabe und nicht um unter rein ökologischen Aspekten betriebene Optimierung“, stellt er klar.  

Ein Beitrag von:

  • Peter Trechow

    Peter Trechow ist Journalist für Umwelt- und Technikthemen. Er schreibt für überregionale Medien unter anderem über neue Entwicklungen in Forschung und Lehre und Unternehmen in der Technikbranche.

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