Blei und Pollen als Zeitzeugen: Was Sedimente über die Griechen und Römer verraten
Schon vor über 5.000 Jahren hinterließen Menschen in der Ägäis erste Spuren von Bleiverschmutzung – lange bevor moderne Industrie existierte. Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie Bergbau, Handel und wirtschaftlicher Wandel in der Antike nicht nur Kulturen formten, sondern auch die Umwelt nachhaltig beeinflussten.
Bereits vor 5.200 Jahren hinterließen Menschen in der Ägäis erste Spuren von Bleiverschmutzung – deutlich früher als bisher gedacht. Untersuchungen von Meeres- und Küstensedimenten zeigen, wie menschliche Aktivitäten die Umwelt schon in der Antike beeinflussten. Ergänzt durch Pollenanalysen liefern die Funde auch spannende Einblicke in die sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Region.
Auch die alten Griechen nutzten Blei in vielerlei Hinsicht, beispielsweise in Farben, Kosmetika und als Gewichte. Besonders in der Malerei war Blei ein wichtiger Bestandteil, etwa als Bleiweiß für leuchtende Farben. Zudem fanden bleihaltige Substanzen auch in der Medizin Anwendung, obwohl die gesundheitlichen Gefahren damals unbekannt waren. Trotz seiner weitverbreiteten Nutzung war Blei für die Griechen eine doppelte Waffe – es brachte Fortschritt, aber auch unsichtbare Gefahren.
Bleispuren in der Ägäis vor 5.200 Jahren
Die Ägäis war die Heimat einiger der frühesten Kulturen Europas. Das Forschungsteam unter Leitung von Geowissenschaftlern der Universität Heidelberg untersuchte, wann und wie sich menschliche Aktivitäten auf die Ökosysteme an Land und im Meer auswirkten. Sie analysierten 14 Sedimentproben aus dem Ägäischen Meeresboden und dem Umland. Besonders ein Torfmoor lieferte den Hinweis auf die früheste bekannte Bleiverunreinigung. Die Forscher konnten diese Belastung auf etwa 5.200 Jahre datieren – rund 1.200 Jahre früher als der bisher älteste Beleg für Umweltverschmutzung durch menschliche Aktivität.
„Weil Blei unter anderem bei der Herstellung von Silber freigesetzt wurde, ist der Nachweis steigender Bleikonzentrationen in der Umwelt zugleich ein wichtiger Indikator für sozioökonomischen Wandel“. Das erklärt Dr. Andreas Koutsodendris, Wissenschaftler in der Forschungsgruppe ‚Palynologie und Paläoumweltdynamik‘ unter der Leitung von Prof. Dr. Jörg Pross am Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg.
Was Blei und Pollen über die Ägäis verraten
In den Sedimentproben, die die Heidelberger Wissenschaftler untersuchten, fanden sich neben Blei auch Pollen. Diese halfen dabei, die Vegetation im ägäischen Raum nachzuvollziehen und gaben Aufschluss darüber, wie das Land genutzt wurde.
„Kombiniert zeigen die Daten zur Bleikontamination und zur Vegetationsdynamik, wann der Übergang von landwirtschaftlichen zu fortgeschrittenen Geldgesellschaften stattfand und welche Folgen er für die Umwelt hatte“, erklärt Jörg Pross.
Vor etwa 2.150 Jahren stieg die Bleikonzentration deutlich an, begleitet von intensiver Waldrodung und verstärkter Landwirtschaft, wie die Pollenanalysen zeigen. Ab diesem Zeitpunkt ist die Bleikontamination auch im Meeresboden der Ägäis nachweisbar – die früheste bekannte Aufzeichnung menschlicher Bleibelastung im Ozean, wie Andreas Koutsodendris betont.
Antike Umweltverschmutzung: Forschung zeigt Folgen römischer Expansion
Der Heidelberger Archäologe Prof. Dr. Joseph Maran erklärt, dass diese Veränderungen zeitlich mit der Eroberung des hellenistischen Griechenlands durch die Römer übereinstimmen, die anschließend die Ressourcen des Gebiets nutzten. Er weist darauf hin, dass die römischen Eroberer unter anderem den Abbau von Gold, Silber und anderen Metallen vorantrieben, was auch einen erhöhten Holzbedarf für die Erzgewinnung und -verhüttung mit sich brachte.
Die Sedimentproben aus dem Ägäischen Meer wurden während Expeditionen mit den Forschungsschiffen METEOR und AEGAEO zwischen 2001 und 2021 gesammelt. Diese Reisen wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Europäischen Union finanziert, die auch die aktuellen Forschungsarbeiten unterstützten. An dem Projekt waren neben den Heidelberger Wissenschaftlern auch Forscher aus Berlin, Frankfurt, Hamburg, Hohenheim, Tübingen und Griechenland beteiligt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht.
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