Das erste Date: Wann vermischten sich Neandertaler und moderne Menschen?
Neue genetische Analysen werfen neues Licht auf die Vermischung zwischen Neandertalern und modernen Menschen. Ein internationales Forscherteam entschlüsselte die ältesten bekannten Genome moderner Menschen und stieß auf spannende Erkenntnisse.
Die modernen Menschen, „Homo sapiens“, stammen aus Afrika und wanderten über Ägypten in den Nahen Osten, wo sie vermutlich mehrere tausend Jahre blieben. Später breiteten sie sich in alle Weltregionen aus, inklusive der Amerikas, Australien und abgelegenen Inseln im Pazifik. Auf diesem Weg trafen sie auf Neandertaler und zeugten mit ihnen Nachkommen, was durch DNA-Analysen alter Fossilien nachgewiesen wurde. Alle Menschen außerhalb Afrikas tragen heute etwa zwei Prozent Neandertaler-Gene in sich. Doch wann genau fand dieses erste Zusammentreffen statt?
Analysen alter DNA zeigen, dass sich unsere Vorfahren vor etwa 50.000 Jahren außerhalb Afrikas mit Neandertalern vermischten, sodass heute ein bis zwei Prozent Neandertaler-DNA im Erbgut von Menschen außerhalb Afrikas zu finden sind. Forschende des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der University of California, Berkeley, haben etwa 300 frühe und moderne menschliche Genome untersucht. Sie kamen zu dem Schluss, dass diese Vermischung möglicherweise bei einem wichtigen Ereignis vor rund 47.000 Jahren stattfand und unsere Vorfahren bereits vor etwa 43.500 Jahren Eurasien besiedelten, nachdem sie Afrika verlassen hatten.
Neue Erkenntnisse aus alten Funden
Auch ältere Funde können wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse liefern. So bringen genetische Analysen neue Ergebnisse zu Ausgrabungen aus den 1930er Jahren aus der Ilsenhöhle bei Ranis (Thüringen), die vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt aufbewahrt werden. Bisher konnten nur wenige Genome der ersten modernen Menschen, die Europa erreichten, während dort noch Neandertaler lebten, entschlüsselt werden. Nun hat ein internationales Forschungsteam, wie bereits erwähnt, die ältesten bekannten Genome moderner Menschen entschlüsselt. Diese stammen von sieben Individuen, die vor 42.000 bis 49.000 Jahren in Ranis und Zlatý kůň (Tschechien) lebten. Die Ergebnisse zeigen, dass sich moderne Menschen und Neandertaler vor etwa 45.000 bis 49.000 Jahren vermischten – deutlich später als bisher angenommen.
Über die genetischen Merkmale dieser ersten Europäer und den genauen Zeitpunkt der Vermischung zwischen Neandertalern und Nicht-Afrikanern ist jedoch wenig bekannt.
Zlatý kůň und Ranis
Eine wichtige Fundstelle in Europa ist Zlatý kůň nahe Prag in der Tschechischen Republik, wo der vollständige Schädel einer Frau gefunden wurde, die vor etwa 45.000 Jahren lebte. Ihr Erbgut wurde sequenziert und analysiert. Da keine klaren archäologischen Funde auf sie hinwiesen, konnte sie keiner bestimmten Gruppe zugeordnet werden.
Etwa 230 Kilometer entfernt liegt die Ilsenhöhle in Ranis (Thüringen), bekannt für ihre etwa 45.000 Jahre alte Lincombian-Ranisian-Jerzmanovician (LRJ) Kultur. Lange Zeit war unklar, ob diese Kultur von Neandertalern oder frühen modernen Menschen geschaffen wurde. In Ranis wurden hauptsächlich kleine Knochenfragmente gefunden, doch in einer früheren Studie konnte aus dreizehn dieser Fragmente mitochondriale DNA extrahiert und analysiert werden. Diese stammte von modernen Menschen und nicht von Neandertalern. Da Mitochondrien-DNA jedoch nur einen kleinen Teil des Erbguts ausmacht, blieb unklar, welche Beziehung die Individuen aus Ranis zu anderen modernen Menschen hatten.
Einen Katalog der Neandertaler-Abstammung erstellt
„Wir wollten den Zeitpunkt und die Dauer des Genflusses vom Neandertaler zum modernen Menschen bestimmen. Dazu haben wir einen Katalog der Neandertaler-Abstammung erstellt. Durch den Vergleich von Segmenten zwischen Individuen aus verschiedenen Zeiträumen und geografischen Regionen konnten wir zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Neandertaler-Abstammung auf einen einzigen, gemeinsamen und langjährigen Genfluss von den Neandertalern zu den gemeinsamen Vorfahren aller heutigen nicht-afrikanischen Menschen zurückgeführt werden kann“, wird Priya Moorjani von der University of California, Berkeley in einer Pressemitteilung zitiert.
In einer Studie hat ein Forschungsteam die Genome der dreizehn Knochenfragmente aus Ranis entschlüsselt und herausgefunden, dass sie zu mindestens sechs Individuen gehören. Die Größe der Fragmente deutet darauf hin, dass zwei dieser Individuen Kleinkinder waren. Drei der Individuen waren genetisch männlich und drei genetisch weiblich. Interessanterweise waren darunter eine Mutter und ihre Tochter sowie weitere entfernte Verwandte. Außerdem sequenzierte das Team erneut die DNA aus dem Schädel von Zlatý kůň und rekonstruierte ein hochwertiges Genom dieser Frau. „Zu unserer großen Überraschung entdeckten wir eine genetische Verwandtschaft fünften oder sechsten Grades zwischen der Frau aus Zlatý kůň und zwei Individuen aus Ranis“, kommentiert Erstautorin Arev Sümer. “Die Gruppe, zu der die Frau aus Zlatý kůň gehörte, war also genetisch Teil der Raniser ‚Großfamilie‘ und hat wahrscheinlich auch Werkzeuge vom Typ LRJ hergestellt.“
Die Menschen von Zlatý kůň/Ranis lebten zur gleichen Zeit wie die Neandertaler in Europa, weshalb es wahrscheinlich ist, dass sie nach ihrer Ankunft auch Neandertaler in ihrer Verwandtschaft hatten. Frühere Studien an modernen Menschen aus Osteuropa hatten Hinweise auf solche Vermischungen zwischen modernen Menschen und Neandertalern vor mehr als 40.000 Jahren gefunden. In den Genomen der Zlatý kůň/Ranis-Individuen fanden die Forscher und Forscherinnen jedoch keine Beweise für eine jüngere Vermischung mit Neandertalern.
„Dass Gruppen moderner Menschen, die möglicherweise später nach Europa kamen, solche Neandertaler-Vorfahren haben, Ranis und Zlatý kůň aber nicht, könnte bedeuten, dass die ältere Zlatý kůň/Ranis-Linie auf einem anderen Weg nach Europa kam oder dass sich ihr Lebensraum weniger stark mit dem der Neandertaler überlappte“, erklärt Co-Autor Kay Prüfer.
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