Das Geheimnis des Ouzo-Effekts: Wie ein Tropfen Schnaps die Wissenschaft fasziniert
Der Ouzo-Effekt, bei dem ein Tropfen Schnaps sich in eine milchige Emulsion verwandelt, wurde kürzlich intensiv erforscht. Diese wissenschaftlichen Untersuchungen enthüllen die komplexen physikalischen Prozesse hinter der spontanen Emulsifikation und bieten neue Einblicke in die Stabilität von Flüssigkeitsmischungen.
Ouzo ist ein beliebtes Getränk in mediterranen Regionen und setzt sich aus Wasser, Alkohol und trans-Anethol-Öl zusammen. Während das Öl in Wasser nicht löslich ist, löst es sich vollständig in Alkohol. Sobald Wasser zum Ouzo hinzugefügt wird, wird der Alkohol aufgebraucht, und es kommt zur spontanen Emulsifikation, bekannt als Louche- oder Ouzo-Effekt. Obwohl man die Phasengrenzen dieser klassischen Mischung gut kennt, wurden die Eigenschaften der koexistierenden Phasen bisher noch nicht erforscht.
Besonders interessant ist die hohe Stabilität des Gemisches, was Fragen aufwirft. Doch wie hängt das mit Mathematik zusammen? Manche könnten sagen: Hauptsache, es schmeckt – alles andere ist nebensächlich.
Wie entsteht der Ouzo-Effekt?
Ouzo-ähnliche Getränke bestehen, wie bereits erwähnt, aus Anisöl, Alkohol und Wasser. Das Anisöl löst sich in Alkohol, nicht in Wasser. Wenn man Wasser hinzufügt, wird das Anisöl unlöslich und bildet kleine Tröpfchen, die das Licht streuen und die Mischung milchig erscheinen lassen. Dies nennt man Emulsifikation.
Dieser Effekt passiert spontan und bleibt stabil, im Gegensatz zu anderen Emulsionen wie Salatdressings, bei denen man kräftig rühren muss. Studien zeigen, dass es bei Ouzo von allein funktioniert und die Trübung lange stabil bleibt, ohne sich abzusetzen.
„Zu verstehen, wie und warum das in Ouzo geschieht, könnte zur Entwicklung neuer Materialien führen“, zitiert Spektrum den Mathematiker Andrew Archer.
Die spontane Emulsifikation
Trotz der langen Geschichte des Ouzo-ähnlichen Getränks wurde die spontane Emulsifikation erst 2003 erstmals wissenschaftlich untersucht. Forscher verwendeten ein Öl, das dem Anethol-Öl ähnelt, in Wasser-Alkohol-Mischungen und entdeckten eine spezielle „Ouzo-Region“, in der sich spontan eine stabile Emulsion bildet. Die Tröpfchen in dieser Emulsion variierten von 1 bis 3 Mikrometern in der Größe. Theoretische Vorhersagen waren jedoch aufgrund fehlender Daten schwierig.
Im gleichen Jahr wurden auch Messungen an Emulsionen aus Anethol, Wasser und Alkohol durchgeführt. Es wurde festgestellt, dass die Tröpfchen unmittelbar nach der Bildung etwa 1 Mikrometer groß sind und bei höheren Temperaturen schneller wachsen. Die Größe der Tröpfchen hängt vom Verhältnis von Öl zu Alkohol ab.
2005 wurde das Phasenverhalten und die Stabilität des Anethol-Wasser-Alkohol-Systems weiter untersucht. Die Tröpfchen wuchsen von 1 auf 3 Mikrometer über 16 Stunden durch die Diffusion des gelösten Öls. Die Emulsion blieb mehrere Monate stabil und die Tröpfchen zeigten eine langsame Reduktion in der Größe.
2009 wurden Experimente zur Stabilität von Anethol-Wasser-Ethanol-Mischungen durchgeführt, wobei die Grenzflächenspannung der Tröpfchen geschätzt und Sedimentationsraten berechnet wurden. Die Ergebnisse waren aufgrund unvollständiger Phasenkenntnisse begrenzt.
Es wurde auch festgestellt, dass spontane Emulsifikation durch Verdunstung von Ethanol erreicht werden kann. Forschungen dazu ermittelten die Zusammensetzung der Phasen im Ouzo-System.
Dichtefunktionaltheorie angewendet
Die Forschenden wollten herausfinden, welche Eigenschaften ein Ouzo-Wasser-Gemisch bei unterschiedlichen Konzentrationen hat und wie stabil die Phasen sind. Dazu untersuchten sie das Verhalten der mikroskopischen Bestandteile des Gemisches. Die Ergebnisse haben sie in einer Studie zuammengefasst.
Das Team um Archer verwendete die klassische Dichtefunktionaltheorie, die es ermöglicht, das Verhalten eines Gemisches anhand der Verteilung der Teilchen zu prognostizieren, ohne jedes einzelne Teilchen verfolgen zu müssen.
Phasendiagramm für Ouzo-Wasser-Mischungen
Um das Modell für Ouzo-Wasser-Gemische zu testen, sammelten die Forschenden zunächst experimentelle Daten. Anstatt fertige Ouzo-Flaschen zu verwenden, mischten sie Wasser, Ethanol und Anethol (das Hauptbestandteil von Anisöl) in verschiedenen Verhältnissen im Labor. Sie maßen die Dichte und die Oberflächenspannung der verschiedenen Proben und passten ihr mathematisches Modell anhand dieser Messungen an.
Damit konnten die Forschenden ein umfassendes Phasendiagramm für Ouzo-Wasser-Mischungen erstellen. Dieses Diagramm zeigt, wie sich der Zustand der Flüssigkeit in Abhängigkeit von den Konzentrationen der drei Hauptbestandteile verändert. Es gibt Aufschluss darüber, wann das Gemisch klare Phasen aufweist und wann es zu trüben Mischphasen kommt.
Ouzo unter der Lupe
Vor einigen Jahren (2016) haben sich auch andere Forschende mit dem „Ouzo-Effekt“ beschäftigt. Ein Team um Huanshu Tan von der Universität Twente untersuchte das Phänomen im Detail an einem einzelnen Tropfen Schnaps. Sie platzierten den Tropfen bei Raumtemperatur auf einer hydrophoben Oberfläche und beobachteten seine Entwicklung. Innerhalb von nur 15 Minuten durchlief der Tropfen eine bemerkenswerte Verwandlung.
Tans Team beschrieb vier Phasen des Tropfens. Zuerst verdunstete der Alkohol, da er der flüchtigste Bestandteil ist. Dadurch änderte sich das Verhältnis von Wasser zu Alkohol, ähnlich wie beim Verdünnen mit Wasser.
Der zunehmende Wasseranteil beeinträchtigte die Löslichkeit des Anisöls, das kleine Tröpfchen in der Flüssigkeit bildete – vor allem am Rand des Tropfens, wo der Alkohol schneller verdunstete. Dieser Vorgang wird als Nukleation bezeichnet.
In der zweiten Phase beginnen sich die Flüssigkeiten im Tropfen schnell zu bewegen. Diese sogenannte Marangoni-Strömung entsteht durch Unterschiede in der Oberflächenspannung, die durch das Verdunsten des Alkohols am Rand ausgelöst werden. Dadurch breitet sich der „Ouzo-Effekt“ im ganzen Tropfen aus, verstärkt durch die Strömung. Je mehr Öl sich absetzt, desto trüber wird der Schnaps.
Bedeutung für Industrie und Forschung
Die Forschenden betonten, dass ihr Experiment nicht nur für interessante Gespräche auf Partys sorgt, sondern auch praktischen Nutzen hat.
Das Verständnis, wie sich die Bestandteile einer solchen Mischung voneinander trennen, könnte laut den Wissenschaftlern für Industrie und Forschung wichtig sein. Sie sagten, man könne so Bedingungen identifizieren, unter denen sich bestimmte Komponenten am einfachsten aus einer Flüssigkeit extrahieren lassen. Dies sei beispielsweise für die Medizin relevant oder könnte Technologien wie den Tintenstrahl- oder 3D-Druck beeinflussen, bei denen komplexe Flüssigkeiten verwendet werden.
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