Das Rätsel um die Antimaterie wird gelöst
In Japan geht ein Großforschungsgerät in Betrieb, in dem Elektronen- mit Positronenpakete kollidieren. Dabei entstehen kurzlebige andere Teilchen. Sie geben Aufschluss darüber, warum die Erde nicht von einer Anti-Erde verschlungen worden ist.
Bei der Entstehung des Weltalls müssen die Massen an Materie und Antimaterie gleich gewesen sein. Heute ist das anders. Die merkwürdige Antimaterie, die sich mit Materie zu reiner Energie vereinigt, ist nahezu verschwunden. Dafür gibt es keine Erklärung, nur Vermutungen. Die sollen jetzt geprüft und wenn möglich bestätigt werden.
Das Elektronenrohr ist schon gefüllt
Dazu dient ein Großexperiment namens SuperKEKB, dessen Inbetriebnahme jetzt im japanischen Tsukuba, 55 Kilometer entfernt von Tokio, begonnen hat. Die Physiker schossen mit Hilfe eines Linearbeschleunigers Elektronen in den Beschleunigerring. Sie bilden dichte Pakete, die durch das Endlosrohr rasen. Anfang April soll der zweite Ring mit Positronenpaketen gefüllt werden. Das sind Teilchen, die ebenso groß sind wie Elektronen. Sie haben aber, anders als diese, eine positive Ladung. In ihrem Endlosrohr flitzen die Positronen entgegen der Elektronenrichtung.
Ziel ist es, beide Pakete aufeinander zu lenken, sodass die Elektronen mit ihren Antiteilchen kollidieren. Dabei entstehen neue Teilchen, die extrem kurzlebig sind. Ein gewaltiges Messgerät namens Belle II, in dessen Innerem die Kollisionen stattfinden, registriert die Teilchen und erfasst ihre Positionen mit bisher ungekannter Genauigkeit. Aus diesen Ereignissen hoffen Forscher aus zahlreichen Ländern in aller Welt Hinweise darauf zu finden, warum die Antimaterie nicht die gesamte Materie in Energie verwandelt hat. Anders ausgedrückt, warum die Erde und die unzähligen anderen Himmelskörper nicht von ihren Gegenobjekten verschlungen worden sind.
Erste Kollisionen in einigen Monaten
Der neue Beschleuniger ist im Grunde ein aufwändiger Umbau des Beschleunigers KEKB, der vor acht Jahren an gleicher Stelle stillgelegt wurde. Jetzt ist die Modernisierung fast abgeschlossen. In einigen Monaten soll es die ersten Kollisionen geben. Die Speicherringe sind jeweils rund drei Kilometer lang. Damit können sie dem Large Hadron Collider im europäischen Kernforschungszentrum Cern in Genf nicht das Wasser reichen. Der misst gut 27 Kilometer. Beide sind allerdings keine Konkurrenten. In Genf werden keine Elektronen, sondern die vielfach größeren Hadronen auf die Reise geschickt. Dazu gehören beispielsweise Protonen.
Mehr als 200 Gigabit pro Sekunde
Belle II, an dessen Konstruktion 100 Forschungseinrichtungen in 25 Ländern beteiligt sind, darunter das Max-Planck-Institut für Physik in München und die ebenfalls in der bayrischen Hauptstadt beheimatete Universität sowie die dortige Technische Universität, produziert gigantische Datenmengen: Mehr als 200 Gigabit pro Sekunde. Es geht vor allem um die so genannten B-Mezonen, die bei den Kollisionen entstehen und gleich wieder in andere Teilchen zerfallen. „Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme des Beschleunigers und des Belle-II-Experiments in Japan öffnet sich nun die Tür für einzigartige wissenschaftliche Resultate und hoffentlich viele Überraschungen“, sagt Professor Thomas Kuhr von der Münchner Universität.
Mit der Modernisierung stellt SuperKEKB einen neuen Rekord auf. Im Vergleich mit anderen Beschleunigern erzielt er die höchste Luminosität. Darunter versteht man die Anzahl von Kollisionen pro Sekunde und definierter Fläche. Auch gegenüber seinem Vorgänger legt SuperKEKB deutlich zu: Pro Sekunde entstehen 1.000 B-/Anti-B-Mesonenpaare . Bei KEKB waren es 25.
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