Der Aachener Karlsschrein wird nur mit Schülerpinseln gereinigt
Kein einziges Staubkorn wird den Glanz des weltberühmten Karlsschreins beeinträchtigen, wenn dieser am Mittwoch in den Zentralbau des Aachener Doms umzieht. Seit 800 Jahren ruhen die Gebeine Karls des Großen in dem prunkvollen Schrein. Für dieses Jubiläum wurde der Schrein mit seinen fantastischen Goldarbeiten aufwendig gereinigt – ganz vorsichtig per Hand mit einem Pinsel.
Am Mittwoch wird der Karlsschrein von der Chorhalle im Aachener Dom in den Zentralbau getragen. Dort können die Menschen dem Schrein so nahe sein wie sonst nie. Genau von 800 Jahren gab es diesen „Umzug“ schon einmal: Damals wurden die Gebeine Karls des Großen in den gerade fertiggestellten, äußerst kostbaren Karlsschrein übertragen und im Zentralbau des Doms aufgestellt. Damals war Karl schon recht genau 400 Jahre verstorben.
Anläßlich dieses Jubeltages wird der Schrein von der Chorhalle auf seinen ursprünglichen Platz in den Zentralbau versetzt. Dort stand der Karlsschrein bis 1414 hinter dem karolingischen Petrusaltar im Ostjoch des Sechszehnecks, dort wo jetzt der Hauptaltar des Domes steht. Nach der Fertigstellung der gotischen Chorhalle wurde er dann 1414 gemeinsam mit dem Petrusaltar in der Chorapsis aufgestellt.
„Karl so nah wie nie“
Das Leitwort der Feierlichkeiten heißt „Karl so nah wie nie“. Denn an diesem ungewohnten Platz im Zentralbau können sich die Besucher auch die acht Dachreliefs des Karlsschreins anschauen, die die Lebensgeschichte des Frankenherrschers skizzieren, der durch göttliche Berufung auf seinen Lebensweg fand. Dafür musste Silberschmied Lothar Schmitt den Schrein auf Hochglanz polieren.
Zwei Wochen braucht der geduldige Meister für die Reinigung des Schreins mit Pinsel und Lupe. Für die Arbeiten auf dem nur 0,3 Millimeter dünnen Metall wäre auch ein Hightech-Mikrofasertuch viel zu grob.
Silberschmied Schmitt hat den Karlsschrein vor 30 Jahren zerlegt
Schmitt reinigt das wertvolle Kunstwerk mit solch profanen Pinseln, mit denen die Kinder in der Schule mit Wasserfarben ihre innere Unruhe zu Papier bringen und mit Malerpinseln. „Ein solches Stück zu reinigen, ist immer etwas Besonderes“, sagt Lothar Schmitt, der als Profi in Sachen Karls- und Marienschrein gelten darf. Denn vor 30 Jahren gehörte er zu dem Team, das den Marienschrein aus dem 13. Jahrhundert komplett auseinandergebaut, untersucht, konserviert und wieder zusammegesetzt hat. „Der Schrein besteht aus 3500 Einzelteilen. Ihn wieder zusammenzusetzen, das war ein 3D-Puzzle“, erzählt der Silberschmied.
Eiche für den Holzschrein wurde um 1182 gefällt
Beide Schreine werden einmal im Jahr gereinigt. Der Kern des von Aachener Goldschmieden angefertigen Karlsschrein ist ein über zwei Meter langer Holzschrein aus Eiche, die laut einer Altersbestimmung im Rahmen der Sanierung des Karlsschreins vor 30 Jahren um das Jahr 1182 gefällt worden ist. Die Goldschmiedearbeiten sind vermutlich im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts begonnen worden.
Ein üppiges Zierwerk schmückt den Schrein, der die Form einer einschiffigen Kirche ohne Querschiff hat. Silbervergoldete Figuren und Reliefs, Verzierungen aus Email, Edelsteine und Filigrane, die auf den Eichenholzschrein aufgenagelt sind, bilden den reichhaltigen Schmuck.
Schreine sind staubgeschützt
Normalerweise stehen die beiden Schreine im Aachener Dom unter einer schützenden Vitrine. Trotzdem ist es immer wieder notwendig, die Figuren zu inspizieren und gegebenfalls zu reinigen. Silberschmied Lothar Schmitt betont, dass diese Inspektionen schon allein deshalb wichtig sind, um Schädigungen schon im Anfangsstadium festzustellen und beheben zu können.
Vor der zweiwöchigen Reinigung durch Lothar Schmitt hatte Dombaumeister Helmut Mainzt mit seinen Mitarbeitern der Dombauhütte auf einem speziell angefertigten Transportwagen aus der schützenden Glasvitrine herausgeschoben. Erst dann durfte Schmitt mit seinen Schul- und Malerpinseln an das uralte Heiligtum heran.
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