Ausstellung 09.11.2012, 19:55 Uhr

Der Erbauer der Welt

Kaum ein Berufsstand war über die Zeiten und Kulturkreise hinweg solchen Prestige-Schwankungen unterworfen, wie derjenige des Architekten. Nur wenigen sind dessen Arbeit und die historische Entwicklung seines Berufs bekannt, und dies, obwohl Bauen zu den ältesten Tätigkeiten des Menschen gehört. Um dieses Dunkel zu erhellen, widmet das Architekturmuseum der Technischen Universität München der Geschichte und Gegenwart des Berufsstands eine enzyklopädische Ausstellung.

Der Erbauer  der Welt

Der Erbauer der Welt

Der römische Architekt, Ingenieur und Architekturtheoretiker Vitruv, der im 1. Jhd. v. Chr. lebte, gilt als Stammvater der europäischen Architektur. Bereits er schildert den Mythos, nach dem sich die ersten Menschen um das Feuer versammelten, zu ihrer Verständigung eine Sprache entwickelten und als Gemeinschaft Bauten zu ihrem Schutz errichteten. Feuerstelle, Sprache und schützender Bau gelten seitdem als Grundlage für menschliches Zusammenleben.

Auch der Kunstkritiker Karl Scheffler (1869-1951) verstand den Beruf des Architekten als konstitutiv für das Entstehen von Gesellschaften: „Zur Baukunst gelangte der Mensch aber gerade durch die Bemühungen um seine Existenz.“ Schon die Berufsbezeichnung sagt das Wichtigste über Person und Anspruch aus: Die Wortbestandteile setzen sich aus dem griechischen arché = Anfang, Ursprung, Grundlage sowie techne = Kunst, Handwerk, Technik zusammen.

So ist der architétkos der erste der Bauleute, der Baumeister und -künstler. Er befasst sich mit der technischen, wirtschaftlichen, funktionalen und gestalterischen Planung und Errichtung von Bauwerken. Seine Kernkompetenz ist das über die Bautätigkeit hinausgehende Schaffen von Architektur, die als Mutter der Künste gilt.

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Die zahlreichen Facetten des Berufsstands – Erfinder, Techniker, Baumeister, Künstler – offenbarten sich schon in der griechischen Mythologie mit der Gestalt des alles könnenden Daidalos.

Sein Name leitet sich aus daidallein ab, was so viel wie kunstvoll arbeiten bedeutet. Er sah den Architekten als vielschichtige Persönlichkeit, die den Bauherren dient und sich ihnen anpasst, was natürlich zu Konflikten und Problemen führt. Ausschreibungen und öffentlicher Wettbewerb bedingten schon in der Mythologie einen mörderischen Kampf um Aufträge und Neid auf die Kollegen. Mit der Münchner Jubiläumsausstellung zum zehnjährigen Bestehen des Architekturmuseums, die von einem zeit- und epochenumfassenden, zweibändigen Katalog begleitet wird, verabschiedet sich dessen Gründungsdirektor Winfried Nerdinger, Professor für Architekturgeschichte der Technischen Universität München, in den Ruhestand.

Zur Intention sagt er: „Mit Ausstellung und Publikation soll ein weit gespannter Überblick mit vielen Facetten zu Geschichte, Entwicklung, Problemen und Themen des Berufsstandes gegeben werden. Es geht also um ein Nachschlagewerk mit exemplarischen Kapiteln zum Berufsstand, das auch über den europäischen Horizont blickt.“

Die Ausstellung zieht drei breite zeitliche Spuren: In der Mitte die Bilder und Selbstbilder eines Berufsstands im Wandel, links seine Mythen und Ideologien, rechts die Technik. Anhand von Skulpturen, Gemälden, Zeichnungen, Fotos, Modellen und Filmen entsteht ein ebenso vielfältiges wie spannendes Bild des Berufsstands.

Der Besucher wird aus biblischen Zeiten ins Mittelalter geführt, aus Sage und Mythos in die Moderne, aus den alten Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens zu Renaissance, Barock, Historismus und Jugendstil. Weiter geht die Reise durch die Länder Europas, nach China, Japan, Indien, Persien, ins Osmanische Reich, nach Osteuropa und Nordamerika.

Thematisiert werden die Entwicklung vom Baumeister zum Künstler und vom Konstrukteur zum Organisator sowie das unterschiedliche Verständnis von Aufgabe und Stellung des Architekten.

Die einzelnen Fachrichtungen und die dazu gehörende Ausbildung werden dezidiert erläutert: Wohnungsbau, Stadtplanung, Landschafts- und Gartenbau, Bühnen- und Filmarchitektur.

Das Architekturmuseum der Technischen Universität München geht auf eine Schenkung König Ludwigs II. aus dem Jahre 1868 zurück. Diese architektonischen Entwürfe sollten als Lehrsammlung der Architektenausbildung dienen.

Aus der Vorbildsammlung wurde ein Architekturarchiv und schließlich eine wissenschaftliche Forschungsstätte. Am 16. 9. 02 bezog das Museum seine Räume in der Pinakothek der Moderne.

In der Folge wurden über 40 Ausstellungen zu historischen und aktuellen Themen gezeigt. Doch die jetzige ist die vorerst letzte an diesem Ort. Im Februar 2013 muss der zehn Jahre junge Bau geschlossen werden. Der Grund: Die Rotunde weist Risse auf!

Wie im Klassischen Altertum streiten Bauherr, Baumeister und Architekt um Ursachen und Schadenssummen.   ECKART PASCHE

Ein Beitrag von:

  • Eckart Pasche

    Freier Fachjournalist. Themenschwerpunkte: Energie, Kerntechnik, Rohstoffe, Bergbau, Tunnelbau, Technikgeschichte

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