Der Mythos Märklin begann mit Töpfen und Herden für Mädchen-Puppenstuben
Märklin gehört zu jenen Firmen, die nachhaltig Spielzeuggeschichte geschrieben haben. In Oberhausen werden nun über 500 wertvolle und seltene Modelle aus der Glanzzeit des Unternehmens gezeigt, einige davon zum ersten Mal. Sie stammen aus der größten privaten Märklin-Sammlung der Welt.
Für Roland Gaugele, den ehemaligen Märklin-Pressesprecher, war es ein Traumjob, dem Mythos von Märklin in einer kleinen, feinen Ausstellung in der „Miniaturwelt Oberhausen“ zu huldigen.
Das Traditionsunternehmen Märklin, 1859 gegründet, war 2006 von den Investoren Kingsbridge Capital und Goldman Sachs übernommen worden. Im Februar vergangenen Jahres musste es Konkurs anmelden und wird seither vom Konkursverwalter Michael Pluta weitergeführt. Aktuell beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Angaben jeweils 500 Mitarbeiter an den europäischen Standorten Göppingen und Györ/Ungarn.
Während sich der Insolvenzverwalter mit dem operativen Geschäft beschäftigt, durfte der ehemalige Pressesprecher des Unternehmens eine Märklin-Sammlung besichtigen, die – so Gaugele – einzigartig und geheim ist.
„Der Sammler will anonym bleiben, aber ich durfte mir aus 12 000 Stücken aus der Vorkriegszeit 500 Exponate heraussuchen“, erzählt Gaugele, der als „Papa Märklin“ und Gutachter auch den Ruf hat, ein wandelndes Märklin-Lexikon zu sein.
Den ausländischen Sammler lernte Gaugele über Karlheinz Menrad, den ehemaligen Chef der ungarischen Produktionsstätte von Märklin, kennen. Zusammen haben sie die Ausstellung „Mythos Märklin“ vorbereitet, die noch bis Juli 2011 zu sehen sein wird.
In Oberhausen, nah am Einkaufszentrum Centro und wenige Schritte vom Aquarium Sea Life mit dem Krakenorakel Paul entfernt, sieht der Besucher eine Spielzeugwelt von Märklin, die viel mehr umfasste als die bekannte Modelleisenbahn.
Ab 1859 stellte Märklin drei Jahrzehnte lang nur Mädchenspielzeug her: Herde, Kochtöpfe, Puppenstuben und -wagen. Später kamen auch Kreisel, Pumpen, Schubkarren und Züge zum Nachziehen, sogenannte Bodenläufer, hinzu. Auch eines der berühmten Storchenbeine, eine Dampflok mit roten Speichenrädern von etwa 1880, steht in einer der Vitrinen.
Die erste Uhrwerksbahn auf Schienen kam erst 1891 auf der Leipziger Messe ins Programm. Seit 1895 lieferte Märklin elektrische Bahnen.
Etliche Lokomotiven aus der Zeit um 1910 begeistern noch heute. Sie sind aus bunt bemaltem Blech, manchmal lithografiert und haben die typischen großen Glühlampen. Großartig ist eine elegante Dampflok englischer Bauart in der längst verschwundenen Spurweite V (120 mm) mit Salonwagen. Nur fünf dieser Züge wurden gebaut, die Lok des Sammlers überlebte als Einzige und wird zum ersten Mal ausgestellt. „Märklin hat keine mehr“, sagt Gaugele. Deren Muster kam vor gut hundert Jahren auf dem Weg nach Paris abhanden.
Beim Rundgang trifft man auf die erste elektrische Autorennbahn von 1934 und auf „unsinkbare“ U-Boote mit Uhrwerkantrieb, der sie zufallsgesteuert tauchen und manchmal nicht mehr auftauchen ließ.
Etliche prächtige Dampfmaschinen, eine sogar elektrisch beheizbar, gehören zu den wertvollen Ausstellungsstücken. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte
Märklin fast 80 unterschiedliche Dampfmaschinenmodelle und sogar einen Stirlingmotor im Programm, der in Oberhausen neben viel Zubehör wie einem gläsernen Butterfass präsentiert wird.
Wer diese Ausstellung gesehen hat, begreift, welche immense Bedeutung Märklin bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts für die Spielkultur hatte.
FRIEDHELM WEIDELICH
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