Ausstellung in Baden Baden 07.12.2012, 20:10 Uhr

„Der Rhein im 19. Jahrhundert – Ritterburgen mit Eisenbahnanschluss“

Die Vernunft des Menschen beherrscht die Natur: Dieser Grundgedanke der Aufklärung traf im 19. Jahrhundert auf die Epoche der Romantik. So beschäftigt sich die Ausstellung „Der Rhein im 19. Jahrhundert – Ritterburgen mit Eisenbahnanschluss“ im Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts in Baden-Baden mit der historischen Gleichzeitigkeit von Industrialisierung und Romantisierung des Rheins.

„Wenn Natur nicht mehr nur hingenommen werden muss, sondern wenn sie mit neuen technischen Möglichkeiten in einem Ausmaß bearbeitet werden kann, wie das vorher etwa nur innerhalb enger Parkabgrenzungen möglich war, dann bleibt die Natur nicht die gleiche. Dann verliert Natur ihre fraglose Gegebenheit, ihre gottgegebene Schicksalshaftigkeit, ihre zeitenthobene, selbst bedingungslose Vergänglichkeit, ihre Zeitlosigkeit“, reflektiert Matthias Winzen, Direktor des Museums.

Die Natur wird dadurch zur Gestaltungsmasse, zum Objekt menschlicher Einflussnahme, Gegenstand der Ingenieure und der Künstler. „Eine Natur aber, die ihre Zeitlosigkeit verliert, verliert sich selbst“, fährt Winzen fort. So fließt der Rhein heute in einer Kulturlandschaft, die den Rang eines Unesco-Kulturerbes besitzt. Auf dem knappen Gebiet von 65 km/h zwischen Mainz und Koblenz findet sich mit über 40 befestigten Burganlagen die weltweit größte Dichte von Burgen und Ruinen.

Kunst und Technik sind untrennbar mit dem Rhein verknüpft

Mit der Geschichte des Rheins verbinden sich Kunst und Technik aufs Engste – von seiner sagenumwobenen Vergangenheit bis zur zentralen Verkehrsader der westeuropäischen Moderne. „Sie scheinen einander regelrecht zu bedingen“, so Wolfgang Grenke, der Vorsitzende des Kuratoriums der gleichnamigen Stiftung als Trägerin des Museums.

„Die beginnende Industrialisierung durch Dampfschiffe und Eisenbahnstrecken ereignete sich gleichzeitig mit der Romantisierung des Rheins in der Malerei“, erläutert Grenke. Ab dem Jahre 1817 nahm der badische Ingenieur Johann Gottfried Tulla (1770-1828) die Rheinbegradigung in Angriff.

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Zeitgleich verdichteten die Maler der Rheinromantik bewaldete Ufer, den Verlauf des Flusses, Ruinen und das Spiel des Lichtes zu einer neuen Landschaftsmalerei. Auf den Felsen über dem Rheintal entwarfen Architekten in Schlössern und Burgen eine landschaftsbezogene Rückbesinnung auf ein idealisiertes Mittelalter. Gleichzeitig stießen unterhalb dieser Burgen Schienenwege, Tunnel und Brücken in ein neues Zeitalter vor, indem sie der Dampflokomotive ihren industriellen Weg bahnten, entlang des Stroms, auf dem seit den 1820er-Jahren Dampfschiffe verkehrten.

Rhein-Legenden: Die Loreley lockt durch ihren Gesang die Schiffer in den Abgrund

Clemens Brentano erfand im Jahre 1801 die Legende der Loreley, die durch ihren Gesang die Schiffer in den Abgrund lockte. Schnell ging diese Frauengestalt in die rheinische Sagenwelt ein. „Umso überraschender wirkt auf den Betrachter die ruhige Überfahrt vor der mondbeschienenen Kulisse der Loreley – kein Strudel weit und breit, keine Frauengestalt auf dem Felsen“, analysiert Irene Haberland von der Sammlung RheinRomantik, Bonn, das Gemälde von Christian Eduard Boettcher (1818-1889).

Die Zeit der Legenden und Sagen scheint vorbei zu sein. Die Protagonisten der Szene wenden sich ab von dem sagenumwobenen Berg.

Im Februar 1783 begegnete Johann Gottfried Tulla erstmals einem größeren künstlichen Gewässer: Peter Perez Burdett (1734-1793) hatte der verzweigten, mäandrierenden Murg mit ihrem versumpften Umland den Schrecken genommen, indem er sie begradigte. Der neue Fluss galt als Inbegriff moderner Hydrotechnik. In den Folgejahren unternahm Tulla ausgiebige Studienreisen, unter anderem verbrachte er zwei Semester an der berühmten Bergakademie in Freiberg. Zurück in Karlsruhe baute er nach dem Muster der Pariser École Polytechnique eine Ingenieurschule auf, eine Keimzelle der späteren Universität Karlsruhe, als erste technische Hochschule Deutschlands, des heutigen Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Als neuer Leiter der badischen Wasser- und Straßenbauverwaltung verfasste er im Jahre 1812 eine Denkschrift an die Regierung, in der er seine Vorstellung über das weitere Vorgehen am Rhein mit der Aussage zusammenfasste: „Kein Strom oder Fluss, also auch nicht der Rhein, hat mehr als ein Flussbett nötig.“

Bayrisch-badischer Rhein lag in der Mäanderzone

Der bayrisch-badische Rhein lag in der Mäanderzone. Von der Murg abwärts bahnte sich das Wasser in immer größeren Bögen den Weg durchs Land, wurde träger, lagerte Schlamm ab und versumpfte große Landstriche: Die Gesundheit der Bevölkerung wurde gefährdet, landwirtschaftliche Nutzflächen gingen verloren.

In seiner Schrift „Über die Rektifikation des Rheins“, die 1825 auf Deutsch und Französisch erschien, beschrieb Tulla den Zustand der Rheinebene und belegte mit Messergebnissen und Berechnungen, warum nur eine Begradigung des Rheins die Verhältnisse bessern könne. Erst 50 Jahre nach seinem Tod wurde das von ihm begonnene Werk abgeschlossen.

Die Trockenlegung bislang versumpfter Gebiete führte zur Landgewinnung und besseren Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen. Aber durch die schnelle Absenkung wurden Staustufen erforderlich, die wiederum im Zuge der Elektrifizierung des Landes genutzt werden konnten. Weitere Maßnahmen im 20. Jhd. zwängten den Fluss in das enge Bett eines Kanals. Überflutungsräume und Auenlandschaft gingen so verloren.

Die Baden-Badener Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit der Sammlung RheinRomantik, Bonn. Sie nimmt den Besucher mit auf die Reise von der Quelle im Schweizer Kanton Graubünden bis zur Mündung in die Nordsee bei Rotterdam. 

Ein Beitrag von:

  • Eckart Pasche

    Freier Fachjournalist. Themenschwerpunkte: Energie, Kerntechnik, Rohstoffe, Bergbau, Tunnelbau, Technikgeschichte

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