Deutschland steigt beim Mega-Teleskop SKA aus
In Südafrika und Australien soll der weltweit größte Teleskop-Verbund entstehen: das Square Kilometre Array (SKA). Nach zweijähriger Beteiligung hat die deutsche Regierung nun überraschend ihren Ausstieg aus dem Großprojekt bekannt gegeben. Deutsche Wissenschaftler sind entsetzt und befürchten Nachteile in ihrer Arbeit.
Die Nachricht kam unerwartet. Vor einer Woche, am 5. Juni 2014, formulierte Georg Schütte, der für europäische und internationale Zusammenarbeit zuständige Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, seine Absage. Deutschland wolle die SKA-Organisation verlassen und zum nächstmöglichen Termin am 30. Juni 2015 aussteigen. Als Grund für den Rückzieher hatte Schütte Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Großprojekten in Deutschland und Europa angeführt.
Deutsche Industrie kann nach dem Ausstieg nicht mehr mitbieten
Die SKA-Organisation, so ist auf deren Website zu lesen, bedauert den Ausstieg Deutschlands, gibt aber auch deutlich zu verstehen, dass er nicht folgenlos bleiben wird. Wenn das Projekt 2017/18 in die Konstruktionsphase komme, so die SKA-Organisation, werde die deutsche Industrie von dieser Entscheidung erheblich betroffen sein. „Sie wird nicht länger in der Lage sein, bei großen Ausschreibungen für Ingenieurleistungen mitbieten zu können. Darüber hinaus wird gemäß unserer Prinzipien die deutsche Wissenschaftsgemeinschaft Beeinträchtigungen hinnehmen müssen, was die Nutzung des Teleskops betrifft.“
Mit deutschen Wissenschaftlern, allen voran den Radioastronomen, war die Ministeriumsentscheidung offenbar vorher nicht abgesprochen worden. Sie sind entsetzt. „Deutschland läuft Gefahr, den Zug für das erste wissenschaftliche Großprojekt in Afrika zu verpassen“, sagte Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn dem News Blog der Zeitschrift „Nature“. „Wir haben hierzulande schätzungsweise vierhundert Wissenschaftler, die das Projekt aktiv unterstützen wollen.“
Das neue Mega-Teleskop soll 100 Mal empfindlicher sein als bisherige Teleskope
Das Projekt, um das es geht, ist milliardenschwer und soll im kommenden Jahrzehnt zum größten Teleskop-Verbund der Welt werden. Gegenwärtig zehn Mitgliedsstaaten haben sich zum „Square Kilometre Array (SKA)“ zusammengeschlossen, Deutschland ist seit 2012 dabei. Rund 3000 Radioteleskope mit rund 15 Metern Durchmesser, die auf einer Gesamtfläche von einem Quadratkilometer in abgelegenen Wüstengebieten stehen werden, sollen zusammengeschlossen einen Verbund mit nie dagewesener Leistungsstärke ergeben. Wenn nach den jetzigen Planungen das SKA ab 2024 seine volle Betriebsfähigkeit erreicht haben wird, soll das einen gewaltigen Sprung für die Radioastronomie bedeuten. Die Empfindlichkeit gegenüber heutigen Radioteleskopen würde um das 100-fache gesteigert werden.
Das neue internationale Radioteleskop soll dann Spuren des frühen Universums finden, die Dunkle Materie und Schwarze Löcher erforschen, Gravitationswellen nachweisen und die allgemeine Relativitätstheorie mit neuer Präzision testen. Gebaut wird das SKA in Afrika und in Australien. Weitere beteiligte Länder sind China, Indien, Italien, Neuseeland, Schweden, die Niederlande, Großbritannien und – bis jetzt – Deutschland.
Forscher sehen Deutschlands führende Stellung in der Radioastronomie in Gefahr
Teuer wird das leistungsstarke Mega-Teleskop allemal. Die Investitionskosten für die erste Phase, die bis 2019 dauern wird, sollen 650 Millionen Euro betragen. Dies macht nach Angaben des deutschen Forschungsministeriums zehn Prozent der vollen Ausbaustufe des SKA aus. Als Deutschland 2012 in die Planungen einstieg, damals noch unter Forschungsministerin Annette Schavan, war die Rede von einem Mindestbetrag in Höhe von insgesamt einer Million Euro über vier Jahre. Den sollten sich die Max-Planck-Gesellschaft und das Ministerium teilen.
In einem Beitrag für das Magazin „Spektrum der Wissenschaft“ reagierten deutsche Forscher wie Michael Kramer vom MPI in Bonn und weitere Kollegen mit Unverständnis auf den Beschluss des Forschungsministeriums. Die Entscheidung habe ohne Konsultation stattgefunden und sie habe nicht nur die ausländischen Partner sehr überrascht.
„Besonders hart trifft diese Entscheidung die Universitäten in Deutschland, die sich zusammen mit außeruniversitären Partnern gerade für den Synergieeffekt des SKAs in Bezug auf Astronomie über alle Wellenlängen und die Bedeutung für die Grundlagenphysik engagiert hatten, sowie für die wichtigen Schlüsseltechnologien – Hochleistungsrechner, Signalverarbeitung und Umgang mit riesigen Datenmengen“, so die Wissenschaftler. Nun werde Deutschland wohl langfristig seine führende Stellung auf diesen Gebieten aufgeben müssen.
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