Die Geschichte hinter „Samstags gehört Vati mir“
Die große baden-württembergische Landesausstellung „Durch Nacht zum Licht? – Geschichte der Arbeiterbewegung 1863 – 2013“ im Technoseum in Mannheim legt Zeugnis ab von der Tradition des Vereinswesens und der Selbstorganisation der Zivilgesellschaft in Deutschland.
Anlass der Mannheimer Ausstellung ist die Gründung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV)“ vor 150 Jahren. Dieser 23. Mai 1863 gilt Gewerkschaften und Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) als Geburtstag. Unter Leitung des Juristen Ferdinand Lassalle „schlossen sich Arbeiter zu einer politischen Interessenvertretung zusammen, um ihre Anliegen und Forderungen zu formulieren und öffentlich wirksam zu machen“, blickt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zurück.
„Damit“, so fährt er fort, „nahm eine der bedeutendsten und wirkungsmächtigsten gesellschaftlichen Bewegungen unserer Geschichte und Gegenwart ihren Anfang. Wir verdanken ihr wesentliche Errungenschaften unserer freiheitlichen Demokratie, unseres Sozialstaats und unserer erfolgreichen Wirtschaft.“
Übergang von der Hand- in die Maschinenarbeit
Mit dem Übergang von der Hand- in die Maschinenarbeit vollzog sich der industrielle Wandel. Die Anzahl der in den wachsenden Fabriken beschäftigten Arbeiter stieg schnell. Als 1863 der ADAV gegründet wurde, gab es bereits Hunderte von Arbeiterbildungsvereinen in allen deutschen Staaten. Handwerker und Facharbeiter organisierten sich nicht nur in Parteien und Gewerkschaften, sondern in zahlreichen sozialen Vereinigungen und Selbsthilfegruppen, wie dem Arbeiter-Samariter-Bund, der Arbeiter-Wohlfahrt oder Verlagen wie der Büchergilde Gutenberg.
Das 19. Jhd. ist reich an Zusammenschlüssen, auch berufsständischen. So wurde 1824 in Berlin der Architekten- und Ingenieurverein ins Leben gerufen. Die Gründung des VDI folgte am 12. Mai 1856 in Alexisbad. Die älteste soziale Arbeitereinrichtung ist die Knappschaft, die am 28. 12. 1260 in Goslar als Bergbruderschaft gegründet wurde. Auf den Bergbau geht auch der Titel der Mannheimer Ausstellung zurück, woran Hartwig Lüdtke, der Direktor des Landesmuseums für Technik und Arbeit – Technoseum – erinnert: „,Durch Nacht zum Licht’ ist eine Verszeile aus dem internationalen Knappenlied, das der Bergarbeiter Heinrich Kämpchen 1889 anlässlich damals aufsehenerregender Streiks dichtete.“
Ausstellung ist in in sechs Zeiträume gegliedert
Die Ausstellung seziert die „Arbeiterbewegung“ in ihre Wortbestandteile „Arbeit“ und „Bewegung“ und legt zudem das Augenmerk auf die „Arbeiter(innen)“. „Da es ohne ,Arbeit‘ keine Arbeiterbewegung gibt, gliedert sich unsere Ausstellung in sechs Zeiträume, die nicht unbedingt einer klassisch politologisch begründeten Chronologie folgen“, erläutert Horst Steffens als Kurator der Schau.
Diese Zeiträume werden charakterisiert durch typische Produktionsmilieus, denen bestimmte „Leitobjekte“ zugeordnet sind. Vor diesem Hintergrund wird die Geschichte der Arbeiterbewegung in der jeweiligen Periode dargestellt. „Damit wollen wir darauf hinweisen, dass weder ,Arbeiterbewegung‘ noch ,Produktionsverhältnisse’ statisch sind, sondern einer permanenten Veränderung unterliegen und sich gegenseitig beeinflussen“, fährt Steffens fort.
Dies wird bereits in der Raumgestaltung deutlich: Ein Fassadengerüst mit rauer Oberfläche ist Basis der Ausstellung. Alles ist im Umbruch auf einem Bau, der niemals fertig wird. Die Wände sind mit schwarzem Stoff bespannt. Aufgedruckt auf diesen sind graue Zahnräder, die ineinander greifen. Jeder ist ein Zahnrad in diesem Getriebe. Beim Besucher stellt sich sofort die Assoziation zu Charlie Chaplins Film „Moderne Zeiten“ ein, mit dem er in den 1930er-Jahren die Arbeitslosigkeit anprangert. Schließlich gerät sein Kopf zwischen die Zahnräder.
Dunkelheit und Licht als Gestaltungsmerkmale
„Durch Nacht zum Licht?“ Der Titel ist auch Gestaltungsmerkmal der Ausstellung, die in einem dunklen Raum beginnt, durch einen Bergwerksstollen führt und schließlich immer heller wird. Heinrich Kämpchens Lied war vom Optimismus der Bergleute bei ihren Auseinandersetzungen geprägt. Aber sie mussten auch Niederlagen einstecken, deshalb setzen die Mannheimer ein Fragezeichen hinter den Titel. Doch mit dem Nationalsozialismus kam es für die Arbeiterbewegung noch schlimmer: Auf den Punkt brachte dies John Heartfield mit seinem bissigen Goebbels-Plakat, dem er die Worte unterschiebt „Durch Licht zur Nacht“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg teilt sich die Ausstellung in die Bewegungen in der Bundesrepublik, in der nach 1945 keine Zentralgewerkschaft erwünscht war, und in diejenigen in der DDR, deren FDGB mit staatstragend war und „Helden der Arbeit“ hervorbrachte. „Heute ist die Arbeiterbewegung nach wie vor ein wichtiger Mitgestalter des Sozialstaats“, ist Horst Steffens sicher. „Sie muss angesichts neuer Entwicklungen jedoch ihre gesellschaftliche Rolle und Relevanz neu bestimmen.“
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