Materialfluss 24.09.2010, 19:49 Uhr

Die Intralogistik der Zukunft geht keine Umwege mehr

Am 17. Dezember soll in Dortmund der bundesweit größte Praxistest zur künstlichen Intelligenz in der Logistik starten. Ein Schwarm von 50 autonomen Transportfahrzeugen, Multishuttle Moves, übernimmt bei dem Forschungsvorhaben alle Aufgaben der klassischen Materialflusstechnik. Das Bahnbrechende daran: Die mannlosen Shuttles kommunizieren und koordinieren die anstehenden Aufgaben untereinander.

„Die künstliche Intelligenz wird in der Logistik jetzt Wirklichkeit“, erklärte Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) am 14. September bei den 28. Dortmunder Gesprächen. Die Voraussetzungen dafür sollen mit einer neuen Versuchshalle geschaffen werden, die laut ten Hompel am 17. Dezember auf dem Campus der Dortmunder Universität eingeweiht werden wird. Der Bau wird von der Fraunhofer-Gesellschaft mit Bundesmitteln sowie einer Förderung durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen errichtet.

Die IML-Wissenschaftler widmen sich in ihrem neuen 1000 m2 großen Labor der Erforschung der „Zellularen Fördertechnik“. Bei dieser Technologie sollen kleine, fahrerlose, flexibel agierende Transportfahrzeuge die herkömmlichen Stetigförderer ersetzen. Denn mit den heute meist üblichen fest installierten Rollenbahnen und Gurtförderern könnte der innerbetriebliche Materialfluss nicht so leicht an veränderte Logistikanforderungen angepasst werden. In der 65 m langen Versuchshalle wird künftig ein „Schwarm“ von 50 autonomen Fahrzeugen alle Aufgaben klassischer Materialflusstechnik übernehmen.

„Hierbei handelt es sich um den größten Versuch zur künstlichen Intelligenz, der jemals unternommen wurde – nicht nur in der Logistik“, sagte ten Hompel. Zudem solle der Beweis angetreten werden, dass die Zellulare Fördertechnik sowohl klassische Fördertechnik als auch Regalbediengeräte ökonomisch und ökologisch sinnvoll ersetzen kann. „Mit der neuen Versuchshalle werden wir den wirtschaftlichen Nachweis erbringen, dass die Zukunft der Intralogistik in kompakten, autonomen, interagierenden Fahrzeugen und ‚intelligenten‘ Ladehilfsmitteln liegt“, erklärte der Institutsleiter gegenüber den VDI nachrichten.

In dem Zukunftsprojekt hat IML bereits mit Dematic, Offenbach, zusammengearbeitet. Die Basistechnologie des „Multishuttle Move“ stammt vom Fraunhofer Institut, die Intralogistikexperten von Dematic waren für die industrielle Umsetzung verantwortlich.

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Zum internationalen Expertenteam bei der weiteren Entwicklung zählt auch der italienische Mathematiker Marco Dorigo. Er erfand den „Ameisenalgorithmus“, mit dem die „Schwarmintelligenz“ auf die Zellulare Intralogistik übertragen werden soll.

Das Multishuttle-Move-System deckt dabei sowohl die Lager- als auch die innerbetrieblichen Transportprozesse funktional ab. Im Gegensatz zu allen bisher erhältlichen Systemen kann es jedoch als ein Schwarm autonomer Fahrzeuge unabhängig in verschiedenen Lagergassen und -ebenen oder anderen Anlagenbereichen, wie etwa der Kommissionierung, arbeiten. Die Shuttle steuern ihre Ziele direkt an und sind nicht mehr einer starren Linienführung unterworfen, was laut den Entwicklern Wegeinsparungen im zweistelligen Prozentbereich bedeutet.

Die autonomen Fahrzeuge basieren weitgehend auf den Komponenten des regalgebundenen Dematic Multishuttle, welches bereits 2004 mit dem VDI-Innovationspreis Logistik ausgezeichnet wurde. Neu sind die Verfahren der Lokalisierung und Kommunikation der Shuttles untereinander sowie das Energiekonzept und -management.

Mithilfe einer agentenbasierten Software arbeiten die Fahrzeuge mit dem Lift zusammen und koordinieren sich untereinander. Das Gesamtsystem ist damit in der Lage, seine Kapazitäten an saisonale oder Tagesschwankungen sowie an veränderte Auftrags-, Kunden- oder Artikelstrukturen anzupassen. Die Systemleistung ist über die Fahrzeuganzahl, welche eine hohe Redundanz und somit eine sehr hohe Systemverfügbarkeit sichert, skalierbar. Spätere Erweiterungen oder Layoutanpassungen lassen sich nach Aussage der Projektpartner ohne großen Aufwand realisieren, da die Shuttles selbstständig ihre Fahrwege anpassen und sich so auf geänderte Bedingungen einstellen.

Während sich das im Markt bereits etablierte Dematic Multishuttle als Puffer- und Konsolidierungslager beispielsweise für die Lebensmittelbranche mit ihren hohen Leistungsanforderungen eignet, ist das Multishuttle Move für Branchen mit hohen Lagerkapazitäten und den mittleren Leistungsbereich konzipiert.

„Multishuttle Move ist aber weit mehr als eine neue Fahrzeuggeneration, für viele Anwendungsfälle haben wir damit eine komplett neue Intralogistik“, betonte ten Hompel. Uwe Geissinger, CEO Dematic Central Europe, sieht deshalb „die klassische Technik für Anlagen mittlerer Leistung auf dem Prüfstand“. Denn die flexibleren Transportfahrzeuge seien nicht zuletzt auch durch ihre hohe Energieeffizienz wirtschaftlicher. Die Offenbacher Intralogistikanbieter besitzen inzwischen alle Patente des Multishuttle Move und werden das System laut ten Hompel auf der Fachmesse Cemat vom 2. bis 6. Mai 2011 in Hannover vorstellen. ROLF MÜLLER-WONDORF

Ein Beitrag von:

  • Rolf Müller-Wondorf

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