Neue Erkenntnisse 10.11.2024, 14:00 Uhr

DNA-Analyse widerlegt alte Mythen über Pompeji-Bewohner

Eine aktuelle DNA-Analyse revidiert das Bild der Pompeji-Bewohner und lieferte neue Informationen über Geschlecht und Verwandtschaftsverhältnisse.

Einwohner von Pompeji

Der Vulkanausbruch ließ die Menschen von Pompeji mitten in der Bewegung erstarren. Aktuelle DNA-Analysen bringen Überraschende Informationen zutage.

Foto: Courtesy of Archaeological Park of Pompeii

Neue DNA-Analysen von in Pompeji gefundenen Skelettresten verändern die historische Sicht auf die Einwohner der antiken Stadt erheblich. Durch genetische Untersuchungen wurden Verwandtschaftsverhältnisse und die Herkunft vieler Bewohner neu bewertet, was zu einer Revision alter Interpretationen führte. Die Ergebnisse zeigen, dass enge körperliche Nähe oder Schmuck nicht zwangsläufig Rückschlüsse auf familiäre Beziehungen zulassen. Außerdem konnte das Forschungsteam nachweisen, dass die Römer ein sehr reisefreudiges Volk waren, denn viele Einwohner von Pompeji stammten aus dem östlichen Mittelmeerraum.

Am Anfang stand ein gewaltiger Vulkanausbruch

Im Jahr 79 n. Chr. veränderte ein katastrophaler Vulkanausbruch das Leben der römischen Stadt Pompeji unwiderruflich. Als der Vesuv ausbrach, legten heiße Ascheströme und herabfallende Steine die Stadt unter einer dicken Schicht aus Lapilli, kleinen Gesteinsbrocken, lahm. Viele Menschen wurden unter einstürzenden Dächern begraben oder kamen in Kontakt mit den extrem gefährlichen pyroklastischen Strömen, die alles Leben in ihrer Umgebung auslöschten. Die hohe Hitze konservierte die Körper der Opfer in ihrer letzten Position, eingeschlossen in einer festen Ascheschicht, was später detaillierte Einblicke in die letzten Momente der Pompejaner erlaubte.

Seit dem 19. Jahrhundert wurden die Hohlräume, die nach dem Verfall der Körper entstanden waren, mit Gips ausgegossen. Die so geschaffenen Abgüsse erlaubten es Forschenden, die Gestalten und Haltungen der Verstorbenen zu rekonstruieren. Diese Gipsabdrücke waren lange Zeit die Grundlage für Annahmen über das Leben und die sozialen Strukturen der Einwohner Pompejis. Doch wie sich nun zeigt, beruhen viele dieser Vorstellungen lediglich auf äußeren Merkmalen und spezifischen Positionen der Abgüsse. Eine neue Analyse alter DNA bringt eine völlig neue Perspektive in die Diskussion.

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DNA-Analyse liefert Überraschendes

Forschende der Universität Florenz, der Harvard University und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben es sich zur Aufgabe gemacht, die genetischen Überreste von 14 Personen zu untersuchen, deren Abgüsse kürzlich restauriert wurden. Die DNA-Untersuchung an den stark fragmentierten Skeletten sollte Erkenntnisse über Geschlecht, Abstammung und familiäre Bindungen liefern. Das Ergebnis dieser Analyse widerspricht jedoch den gängigen Interpretationen, die jahrhundertelang als sicher galten.

„Unsere Studie zeigt, wie die Analyse alter DNA auf archäologischen Daten basierende Interpretationen wesentlich ergänzen kann“, erklärt Professor David Caramelli von der Universität Florenz. Insbesondere zeigt die Analyse, dass die Annahme, Schmuck sei ein Indikator für Weiblichkeit, hinterfragt werden muss. Auch die Positionierung von Abgüssen, die körperliche Nähe als familiäre Bindung interpretierte, wurde widerlegt.

Überliefertes Wissen auf dem Prüfstand

Ein Beispiel liefert das Haus des Goldenen Armbands, wo Forschende die DNA von vier vermeintlich verwandten Individuen analysierten. Die Analyse zeigte, dass die zuvor als Familie betrachteten Personen genetisch nicht verwandt waren. „Die DNA-Belege fügen den oft sehr einfachen Interpretationen von Verwandtschaft eine weitere Komplexitätsebene hinzu“, ergänzt Caramelli.

David Reich von der Harvard University betont ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis: Ein Gipsabdruck zeigt eine Person mit einem Kind und einem goldenen Armreif. Bisher galt dies als Mutter-Kind-Szene. Die DNA-Analyse entdeckte jedoch, dass es sich um einen erwachsenen Mann handelte, der nicht mit dem Kind verwandt war. Zudem wurde festgestellt, dass mindestens eine vermeintliche Mutter-Tochter-Beziehung eine männliche Person beinhaltete.

Pompeji bestand aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen

Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie war die Herkunft der Pompejaner. Die genetischen Daten zeigten, dass viele Bewohner Pompejis von Völkern aus dem östlichen Mittelmeerraum abstammten. „Die Vielfalt der Gene ist ein klarer Hinweis darauf, dass Pompeji ein Mikrokosmos des kosmopolitischen Charakters des Römischen Reiches war“, erläutert Alissa Mittnik vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

Dieser Mix aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen verdeutlicht die Dynamik und den kulturellen Austausch, der das Römische Reich prägte. Die DNA-Analyse zeigt damit eine Bevölkerung, die durch die Einflüsse verschiedener Kulturen und Lebensweisen geformt wurde und sich in der römischen Metropole integrierte.

Neuinterpretation der archäologischen Daten

„Unsere Ergebnisse haben weitreichende Konsequenzen für die Interpretation archäologischer Daten und das Verständnis vergangener Gesellschaften“, erklärt Mittnik weiter. Moderne genetische Techniken ermöglichen es, vergangene Gesellschaften differenzierter und weniger durch die Brille moderner Annahmen zu betrachten. Die genetische Analyse eröffnet der Archäologie neue Möglichkeiten, Fehlinterpretationen zu korrigieren und ein klareres Bild der damaligen sozialen Strukturen zu gewinnen.

Gabriel Zuchtriegel, Direktor des Pompeji-Parks, hebt hervor, wie intensiv die DNA-Analyse in die aktuellen Studien integriert wird. „Der Pompeji-Park hat seit Jahren die Analyse alter DNA in seine Studienprotokolle aufgenommen – nicht nur von menschlichen Opfern, sondern auch von Tieren.“ Mithilfe dieser DNA-Daten, ergänzt durch andere wissenschaftliche Methoden, entsteht eine vielschichtige Sichtweise auf das Leben in Pompeji.

Der Pompeji-Park ist ein Eldorado für Forschende

Neben DNA-Analysen betreibt der Pompeji-Park zahlreiche weitere Forschungsprojekte. Diese reichen von geologischen und vulkanologischen Studien bis hin zur Rekonstruktion alter Technologien mithilfe von Reverse Engineering. Zuchtriegel beschreibt die wissenschaftlichen Bemühungen des Parks als „wahren Inkubator für die Entwicklung neuer Methoden“.

Die neuen Erkenntnisse aus der DNA-Analyse verändern das traditionelle Bild der Pompeji-Bewohner grundlegend. Althergebrachte Interpretationen, die oft auf äußerlichen Eindrücken und spezifischen Rollenbildern beruhten, müssen hinterfragt werden. Genetische Untersuchungen enthüllen die kosmopolitische Vielfalt, die Pompeji zu einer pulsierenden römischen Stadt machte.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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