Drohnen über EM-Stadien werden mit Abwehrsystem gekapert
Drohnenabwehrsysteme über allen zehn EM-Stadien und 24 Teamhotels, Leibesvisitationen bei Betreten der Fanmeilen, 8000 Überwachungskameras am Flughafen Charles-de-Gaulles: Bei keiner anderen Fußball-EM bislang wurde so viel Sicherheitstechnik eingesetzt wie jetzt in Frankreich. Drohnen, die sich einem Stadion nähern, werden gekapert.
Vor zwei Szenarien haben die französischen Sicherheitskräfte die meiste Angst: ein Anschlag per Drohne in einem der zehn EM-Stadien oder ein Selbstmordanschlag in einer der großen Fanmeilen. Und deshalb sind dort, wo sich besonders viele Menschen aufhalten, die Sicherheitsvorkehrungen am größten.
Über allen zehn EM-Stadien und den 24 Trainingslagern der 24 EM-Mannschaften wurden Flugverbote ausgesprochen. Zudem nutzt Frankreich ein Drohnenabwehrsystem, das verhindern soll, dass Bomben oder gefährliche Chemikalien mit Drohnen in die Arenen geflogen und dort gezündet werden. Um welches System es sich handelt, ist nicht bekannt.
Dass die Gefahr einer Drohne in Fußballstadien realistisch ist, zeigte des EM-Qualifikationsspiel im Oktober 2014 zwischen Serbien und Albanien in Belgrad. Damals flog plötzlich eine Drohne durchs Stadion mit einer Flagge für die Gründung eines Groß-Albaniens. Es kam zu Tumulten und Prügeleien, der Schiedsrichter musste die Partie abbrechen.
Kommt Drohnenabwehrsystem von Airbus zum Einsatz?
„Die Technik wird dafür sorgen, dass wir die Kontrolle über die Drohnen erlangen, sobald wir sie bemerken“, sagte der Sicherheitschef der EM, Ziad Khoury, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP. Dieser Hinweis deutet darauf hin, dass die Franzosen auf das von Airbus im September 2015 vorgestellte Abwehrsystem zurückgreifen könnten.
Airbus Defence and Space hat ein Drohnenabwehrsystem entwickelt, das anfliegende Drohnen bereits in einer Entfernung von fünf bis zehn Kilometern entdeckt. „Es identifiziert die Drohnen anhand der Daten von Radarsystemen, Infrarotkameras und Funkpeilgeräten“, sagte Thomas Müller, Leiter des Bereichs Electronics von Airbus Defence and Space, im September bei der Vorstellung des Systems.
„Als Spezialist auf dem Gebiet der Verteidigungselektronik besitzen wir alle erforderlichen Technologien und Integrationskenntnisse, um ein schnell einsetzbares Schutzsystem mit einer extrem niedrigen Falschalarmrate herzustellen.“ Ist die Drohne entdeckt, wird sie nicht einfach abgeschossen oder zum Absturz gebracht. Das wäre zu gefährlich.
Abwehrsystem übernimmt die Steuerung der Drohnen
Vielmehr unterbricht das Airbus-System mit dem Namen „SMART Responsive Jamming Technology“ die Funkverbindung zwischen Drohne und Piloten und ermittelt über ein Peilgerät sogar die Position des Piloten, damit dieser sofort festgenommen werden kann. Dabei wird mit Störsignalen aber nur die von den potentiellen Tätern genutzte Funkfrequenz gestört, nicht aber der übrige für die EM wichtige Funkverkehr.
Anschließend übernimmt das Airbus-System die Steuerung der Drohne. „Da die Störtechnologie flexible Sende- und Empfangstechniken besitzt, sind auch anspruchsvollere Funktionen möglich, wie etwa die Klassifizierung der Fernsteuerung und das GPS-Spoofing. Dadurch kann nicht nur effektiv und zielgerichtet gestört, sondern sogar die Drohnensteuerung übernommen werden“, so Müller.
Das System sollte im Juni diesen Jahres einsatzfähig sein, so Airbus damals. Also genau passend zur EM. Erprobt wurde das Abwehrsystem laut Airbus bereits in Tests in Deutschland und Frankreich. Im April haben die französischen Sicherheitskräfte bereits in Saint-Etienne das Szenario eines Chemiewaffenangriffs per Drohne geübt. Saint-Etienne ist einer der zehn Austragungsorte.
Britische Unternehmen haben ein ähnliches System entwickelt. Auch die Briten unterbrechen den Funkkontakt und übernehmen die Steuerung der Drohne. Das System nennt sich AUDS.
51 EM-Spiele müssen vor Anschlägen geschützt werden
51 Spiele muss Frankreich während der EM sichern. Dazu setzt das Land 10.000 Soldaten ein. Hinzu kommen noch Tausende Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste. Großes Public Viewing wird es in Frankreich nur in den zehn EM-Städten geben, weil sich die Sicherheitskräfte nicht in der Lage sehen, noch mehr große Fanmeilen zu schützen.
Als besonders gefährdet gelten die drei größten Fanmeilen in Paris unter dem Eiffelturm, wo bis zu 92.000 Fans Platz haben, sowie die Fanmeilen am Prado-Strand in Marseille (80.000 Fans) und in Bordeaux (62.000). Auf allen Fanmeilen gelten dieselben Sicherheitsstandards wie in den Fußballstadien. Das heißt: Die Plätze können nicht frei betreten werden. Jeder Fan wird durchsucht, es werden Videokameras, Metalldetektoren und Spürhunde eingesetzt. Taschen sind auf den Fanmeilen verboten.
Aber auch schon bei der Einreise nach Frankreich werden die Fans gescannt. So sind allein am Flughafen Charles-de-Gaulle bei Paris, dem wichtigsten Flughafen des Landes, 8000 Videokameras im Einsatz. Dort werden jeden Tag 180.000 Passagiere abgefertigt. Charles-de-Gaulle ist nach London der zweitgrößte Flughafen Europas. Dort war auch die abgestürzte Egypt-Air-Maschine gestartet, die Mitte Mai im Mittelmeer abgestürzt ist.
Geheimdienst sieht hohe Bedrohung in Frankreich
Der Chef des französischen Inlandsgeheimdienstes, Patrick Calvar, äußerte sich im Vorfeld der EM besorgt. „Wir laufen Gefahr, mit neuen Formen von Angriffen konfrontiert zu werden“, sagte der Geheimdienstchef. So ist inzwischen bekannt, dass islamische Terroristen aus Brüssel, die die Pariser Anschläge im November 2015 im Stadion de France und in Paris durchgeführt haben, auch für die Europameisterschaft Anschläge geplant hatten.
Calvar sieht weitere Akteure, die die EM nutzen könnten. „Al-Qaida wird sein Image aufpolieren wollen“, so Calvar. „Früher oder später wird sie einen spektakulären Angriff versuchen, damit sie wieder Aufmerksamkeit erlangt und erneut rekrutieren kann.“
Zehn Millionen Fußballfans werden in Frankreich erwartet, davon zweieinhalb Millionen in den Stadien. Die übrigen werden die EM auf den Fanmeilen und in den zehn EM-Städten feiern. Das Endspiel findet am 10. Juli im Stade de France statt. Wer Europameister wird? Frankreich oder Deutschland – das haben jedenfalls Statistiker aus Österreich errechnet.
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