Ein großer Maler mit kleiner Schwäche für Maschinen
Konrad Klaphecks Sache sind Maschinen. Nähmaschinen, Schreibmaschinen, Bohrmaschinen. In Öl. Eine Retrospektive des großen Düsseldorfer Künstlers zeigt das Düsseldorfer Museum Kunstpalast bis zum 4. August. Zu sehen sind 70 seiner wichtigsten und einzigartigen Werke von 1955 bis 2011.
„Ich hatte eine Entdeckung gemacht: Mithilfe der Maschine konnte ich Dinge aus mir herausziehen, die mir bis dahin unbekannt waren. Sie zwang mich zur Preisgabe meiner geheimsten Wünsche und Gedanken.“ Als Klapheck diese Worte 1963 verfasste, lag sein Tête-à-tête mit „der Maschine“ – einer Schreibmaschine – bereits acht Jahre zurück. Er entschied sich, diese Continental-Schreibmaschine der Firma Wanderer aus Chemnitz mit allen Tasten so exakt wie möglich abzumalen. Sogar das Schildchen mit der Abbildung der „altmodischen Herstellerfabrik“ brachte er an.
Dies geschah 1955 in seinem ersten Semester an der Kunstakademie Düsseldorf, als er sich vom damals modernen Tachismus sowie der lyrischen Abstraktion „aufs Schärfste abheben“ und der Verschwommenheit „etwas Hartes, Präzises … eine prosaische Gegenständlichkeit“ entgegensetzen wollte. Sein Professor Bruno Goller bestätigte ihn in dieser Gestaltungsweise.
Er malt die Maschine, um sie zu verewigen
So malte er die Maschine, „um etwas Besonderes zu tun“ – wie er dies schon als Kind tat –, „um sich auf unverwechselbare Weise zu verewigen“. Das ist Konrad Klapheck gelungen: Er ist heute „Bestandteil der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts“, wie der Kurator der Ausstellung, Kay Heymer, bestätigt.
Bereits auf dem Humboldt-Gymnasium der Stadt Düsseldorf, in der Konrad 1935 als einziges Kind des Kunsthistorikerpaares Anna und Richard Klapheck geboren wurde, förderte ihn sein Kunsterzieher Kurt Prechtl auch außerhalb der Unterrichtszeit. Er sollte das „Zeichnen richtig erlernen“. Darum forderte er ihn auf, Tierschauen zu besuchen und jeweils zehn Zeichnungen von Eisbären und Elefanten anzufertigen. Danach zeichnete er am Niederrhein Kühe und Pferde auf der Weide.
Als ihm sein Lehrer eine Schraube vorlegte, die er in 20-facher Vergrößerung präzise wiedergeben sollte und ihm den Rat gab: „Den Glanz kannst Du übertreiben, aber die Proportionen müssen stimmen“, wurde der Grundstein für Klaphecks Vorlieben für Präzision und metallischen Glanz gelegt.
Nach seinem ersten Schreibmaschinengemälde zögerte Klapheck lange Zeit, eine weitere Maschine zu malen. Stattdessen befasste er sich mit Porträts und Selbstbildnissen, bis sein Künstlerfreund Christian d’Orgeix in Paris insistierte: „Conrade faites une autre machine, wie wär’s mit einer Nähmaschine?“
40 Variationen von Schreib- und Nähmaschine
Von beiden Maschinen hat Klapheck inzwischen je 40 Fassungen gemalt, wobei die Schreibmaschine die männliche Rolle und die Nähmaschine den weiblichen Part übernehmen. Denn der Künstler hat mit seinen Maschinenbildern immer wieder Analogien zwischen dem Maschinenkorpus und dem menschlichen Körper aus seinem tiefsten Inneren zutage gefördert und unentrinnbar Erotik und Gewalt inhaltlich mit seinem Werk verwoben.
Der Maler „beschloss, ein ganzes System aus Maschinenthemen aufzubauen und [seine] Biografie durch sie zu erzählen.“ So folgten in seiner mehr als 40-jährigen Maschinenperiode personifizierte Gegenstände aus Haushalt und Alltag, wie Dampfbügeleisen, Wasserhähne, Duschköpfe, Schuhspanner, Telefone, Rasierapparate, Werkzeuge, Fahrräder und deren Klingeln, Motorräder, Bohr- und Baumaschinen, Reifen, Ketten und vieles mehr als „lange Variationsreihen mit autobiografischen Titeln“.
Alle Gegenstände wurden vom Künstler derart emotional aufgeladen, dass sie zu lebenden Organismen mutierten. „Durch die Anwendung des Goldenen Schnitts auf meine Maschinen schaffe ich unfreiwillig Monstren, in denen ich die Wünsche und Ängste meiner Kindheit wiedererkenne.“
An der Bohrmaschine am meisten geschwitzt
Während einer Ausstellung in der Galerie Ileana Sonnabend in Paris riet ihr Mann Konrad Klapheck, seine Werke durch größere Formate noch zu steigern. Es entstanden unter anderem die monumentalen Bohrmaschinenvariationen „Der Krieg“ (zu besichtigen in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf), „Das Opfer“ und „Die Supermutter“, an der sich der Maler 23 Jahre von 1969 bis 1992 abarbeitete. „Es ist das Bild, an dem ich am meisten geschwitzt und gelitten habe“, gesteht der Künstler vor der Ausstellungseröffnung.
In der Ausstellung wird gleich zu Anfang das 312 cm x 720 cm große Gemälde „Im Zeitalter der Gewalt“ vorgestellt, an dem er zwei Jahre gearbeitet hat, ein Jahr allein für die Vorzeichnung. Dargestellt ist ein Schaufellader „Atlas“, der einen roten Muldenkipper „Cat“ mit Kohle belädt. Die Szene dieser nicht funktionstüchtigen Maschinen mutet an wie ein Ballett der Giganten im Tagebau.
Alle Maschinen und maschinellen Einrichtungen erscheinen in präziser Detailwiedergabe, wenn auch in technischer Reduktion und vielfacher Vergrößerung, kompositorisch perfekt in den leeren Bildraum positioniert. Als oberste Devise gilt dem Künstler die Präzision, die er durch vorherige genau berechnete technische Konstruktionszeichnungen, meist im Maßstab 1 : 1 vorbereitet.
Einige dieser Vorzeichnungen hängen in der Ausstellung korrespondierend zu den Gemälden, sodass der Betrachter einen Eindruck von Klaphecks technisch-penibler Gestaltungsweise gewinnt. Bei seiner Ideenfindung sind ihm fotografische oder grafische Vorlagen aus Zeitungen, Fachbüchern oder Firmenprospekten dienlich. Bei der „Supermutter“ nutzte er eine Illustration aus dem Buch „The principle of technical design“, die in der Ausstellung präsentiert wird.
Klapheck will noch zwölf Maschinen malen
Doch trotz der präzisen Wiedergabe des vermeintlich vertrauten Gegenstands, makellos, ohne Gebrauchsspuren in polierter Oberfläche ist Klaphecks Maschinen- und Gerätepark nicht einsatzfähig, weil er seine Funktionalität entbehren muss, ohne aber seines technischen Charakters verlustig zu gehen.
Als Konrad Klapheck einmal gefragt wurde, ob es ihm „nicht allmählich zum Halse heraushänge, immer noch Maschinen zu malen“, antwortete er: „Nein, mein Roman ist noch nicht beendet.“ Und zwölf weitere dieser Spezies schweben ihm noch vor.
Aber auch die gleiche Anzahl von Figurenbildern möchte er noch umsetzen. Denn der Maschinenmaler entdeckte ab 1997 die menschliche Figur für seine Malerei in sexuell aufgeladenen Szenen und Live-Konzerten internationaler Jazzgrößen, wobei diese oft lebloser wirken als seine „Maschinenfiguren“.
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