Ende einer Bahn-Ära 07.12.2013, 07:00 Uhr

Ein letztes Mal in 84 Stunden und 23 Minuten von Berlin nach Sibirien

Das letzte Mal begibt sich an diesem Samstag ein Reisezug auf die längste Direktverbindung Europas von Berlin nach Nowosibirsk in Sibirien. Auf der 5079 Kilometer langen Strecke durch fünf Zeitzonen und über drei Staatsgrenzen gibt es immer ein frisch gemachtes Bett und jederzeit Tee aus dem Samowar. Es ist das Ende einer Nostalgie für Bahnfans.

„Heute bevorzugen Reisende eine schnellere Variante“, sagte eine Sprecherin der russischen Staatsbahn RZD in Moskau. Der definitiv letzte Zug für die Mammutstrecke von Berlin Bahnhof Zoo nach Nowosibirsk im asiatischen Teil Russlands startet heute um 17:24 Uhr. Laut Fahrplan dauert die Reise auf Schienen über rund 5079 Kilometer 84 Stunden und 23 Minuten. Ein Ticket für die zweite Klasse kostet 395,52 Euro. Einfache Fahrt versteht sich. Frankfurt an der Oder ist um 18:22 Uhr erreicht, 24 Minuten später der Bahnhof Frankfurt-Oderbrücke und damit passiert der Zug um 19:08 Uhr die deutsch-polnische Grenze. Um 21:04 Uhr ist Posen schon Geschichte und am sehr frühen Morgen des 8. Dezember um 0:20 Uhr ist der Zug abfahrbereit in der Hauptstadt Polens, in Warschau. Exakt 482 Kilometer hat er auf seiner Reise jetzt hinter sich.

In Brest wird von Normalspur auf Breitspur umgespurt

In Lukow in der polnischen Wowodschaft Lublin muss ein potentieller Zusteigender schon aufmerksam sein. Der Zug hat hier nur eine Minute Aufenthalt und rollt um 3:03 Uhr weiter in die polnische Nacht hinein. Im Bahnhof von Brest am Bug und damit schon in Weißrussland quietschen um 7:43 Uhr die Bremsen. Brest ist der wichtigste Grenzübergang Weißrusslands zu Polen. Eine Stunde und 17 Minuten hat der Zug hier Aufenthalt. Und das hat einen guten Grund: In Brest wird umgespurt von der europäischen Normalspur auf die russische Breitspur. Denn hier treffen diese beiden Spursysteme aufeinander. Damit Fahrgäste nicht den Zug wechseln müssen, werden die Waggons der Reihe nach angehoben und die Fahrgestelle einfach ausgewechselt.

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Der komplette Zug wird in die einzelnen Waggons zerlegt und jeder dieser Waggons wird dann um etwa einen Meter angehoben. Dann kommen statt der für Europa üblichen 1.435 Millimeter die Fahrgestelle für die Russische Breitspur von 1.524 Millimeter unter die Wagen.

Nach weiteren knapp sechs Stunden ist dann Minsk erreicht, die Hauptstadt Weißrusslands, die von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört wurde. Stalin ließ die Stadt als neoklassizistisches Schmuckstück neu aufbauen. Boulevard, Parks, Gärten, Prunkarchitektur, so weit das Auge reicht.

Die Toiletten werden täglich geputzt, der Fußboden wird jeden Morgen gesaugt

Die russische Hauptstadt Moskau erreicht der Zug in den frühen Morgenstunden des 9. Dezembers, um 3:10 Uhr verlässt er nach 25 Minuten Aufenthalt die Hauptstadt schon wieder. Rund 1800 Kilometer liegen jetzt hinter dem Fahrgästen. Eine Reise auf dieser gerne als längste Direktverbindung Europas bezeichneten Verbindung ist recht komfortabel. Es gibt auch tagsüber stets ein frisch gemachtes Bett, Tee ohne Ende und ganz viele Gespräche gegen die aufkommende Langeweile. Es ist sogar vergleichbar luxuriös in den Kurswagen. Acht knapp drei Quadratmeter große Kabinen für 28 Personen, zwei Waschgelegenheiten, einen Samowar für den obligatorischen Tee und sogar eine Mikrowelle. Die Toiletten werden täglich geputzt, der Fußboden – ausgelegt mit blauem Teppichboden – wird jeden Morgen gesaugt.

Hinter Moskau beginnt die Tristesse

Moskau, die russische Metropole hat offiziell rund 11,5 Millionen Einwohner, es dürften aber wohl rund 15 Millionen sein. Das sind etwa zehn Prozent der rund 145 Millionen Menschen, die in diesem riesigen Flächenland mit 3,9 Millionen Quadratkilometer in Europa und gut 13 Millionen Quadratkilometer in Asien leben. Hinter Moskau erwartet den Reisenden auf der längsten Direktverbindung Europas – was gemogelt ist, denn ein Teil der Strecke liegt schließlich in Asien – eher ein tristes Bild. Dörfer ziehen am stumpfen Blick aus dem Fenster vorbei, Armut wird sichtbar.

In den Städten sind allenfalls noch die Zentren intakt, in den Vororten dominieren die Schlaglöcher. Straßenbahnen quälen sich im Schritttempo voran. Alle paar Stationen steigt die Zugführerin aus und legt mit einer Eisenstange die Weichen um. Dritte-Welt-Niveau. Auch die Eisenbahnstrecke ist von miserabler Qualität. So braucht der Zug von Balezimo bis Perm in der Nacht vom 9. zum 10. Dezember auf einer Strecke von 243 Kilometern geschlagene vier Stunden und 16 Minuten. Das entspricht einer Reisegeschwindigkeit von knapp 57 Stundenkilometern.

Yekaterinburg markiert die Grenze zwischen den Kontinenten

Am Morgen des 10. Dezember um 9:30 Uhr ist dann Yekaterinburg erreicht, eine wichtige Industrie- und Universitätsstadt am Uralgebirge in Russland. Yekaterinburg liegt am Fluss Isset nur knapp 40 Kilometer östlich der imaginären Trennlinie zwischen Europa und Asien, welche im Westen bei der Stadt Pewouralsk, was wörtlich übersetzt „die erste im Ural“ heißt, verläuft. Eine Europa-Asien-Säule an dieser Stelle markiert die kontinentale Grenzlinie. Die natürliche Grenzlinie zwischen diesen beiden Kontinenten ist das Gebirgsmassiv des Urals. 3564 steht auf der Kilometerstand-Anzeige im Führerhaus der Lok. Zwei Drittel der großen Reise sind somit bereits geschafft.

Die Temperaturen sind hier auf 56 Grad und 50 Minuten nördlicher Breite und 60 Grad und 35 Minuten östlicher Länge längst jenseits der Null-Grad-Marke. Im Dezember ist es hier maximal minus 8,3 Grad Celsius „warm“ und mit immerhin minus 14,5 Grad Celsius wirklich richtig kalt. Und dann geht es nach Sibirien rein. Die Welt verkriecht sich unter einer dichten weißen Schneedecke. Sibirien heißt auf Deutsch so viel wie schlafendes Land. Und das trifft es auch ganz gut, der allgegenwärtige Schnee deckt alles zu, verlangsamt alle Aktivitäten, Kälte kriecht in die Glieder.

Um 8:47 Uhr am Morgen des 11. Dezember endet die Reise in Nowosibirsk

Es dauert ab Yekaterinburg noch einmal 23 Stunden, bis der Zug sein Ziel nach 5079 Kilometern erreicht hat und um 8:47 Uhr am Morgen des 11. Dezember 2013 in Nowosibirsk einfährt. Hier in der drittgrößten Stadt Russlands und der größten Stadt Sibiriens endet eine lange, eine sehr lange Reise zum letzten Mal. In Nowosibirsk, einer Stadt mit immerhin noch fast 1,5 Millionen Einwohnern, gibt es zwei Musiktheater, das Opernhaus und das Operettenhaus, fünf Schauspielhäuser, das Globus, das Krasny Fakel, das Stary Dom, das Molodjoschny und das Lewy Bereg, sowie zwei Puppentheater. Allein die Zahl der Theater ist für die Provinz ein Rekord. In einem dieser vielen Häusern der Kultur kann der geschlauchte Reisende dann das Ende einer Reise über drei Staatsgrenzen und durch fünf Zeitzonen in Sibirien genießen – wenn er dann noch den Überblick über die Uhrzeit hat.

Ein Beitrag von:

  • Detlef Stoller

    Detlef Stoller ist Diplom-Photoingenieur. Er ist Fachjournalist für Umweltfragen und schreibt für verschiedene Printmagazine, Online-Medien und TV-Formate.

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