Einbalsamierungs-Parfüm der alten Ägypter nach 3.500 Jahren wiederbelebt
In einem spannenden Projekt zur Schaffung einer sensorischen Verbindung mit der Vergangenheit hat ein Forschungsteam ein authentisches Dufterlebnis rekonstruiert. Dieser Duft wurde vor mehr als 3.500 Jahren bei der Mumifizierung einer bedeutenden ägyptischen Frau verwendet.
Vor rund 3.500 Jahren wurde Senetnay, die Amme des ägyptischen Pharaos Amenophis II, im berühmten Tal der Könige einbalsamiert und bestattet. Forscher haben nun den einzigartigen Duft entschlüsselt, der sie auf ihrem Weg ins Jenseits begleitete. Analysen von Rückständen aus zwei Kanopengefäßen, die bei der Mumifizierung verwendet wurden, zeigen, dass das der „Scent of Eternity“ (Duft der Ewigkeit) eine exquisite Mischung aus Bienenwachs, Ölen und verschiedenen importierten Baumharzen war. Dieser historische Duft wurde nun in einem modernen Parfum wiederbelebt.
Mumifizierung Teil der ägyptischen Hochkultur
In der ägyptischen Bestattungskultur spielte die Mumifizierung eine zentrale Rolle. Nach der Entnahme der Organe wurden die Körper hochrangiger Verstorbener mit Natriumsalz behandelt und 40 bis 70 Tage getrocknet, bevor sie einbalsamiert wurden. Diese Praxis war eng mit dem Glauben an das Totengericht verbunden und Teil eines umfassenden Bestattungsrituals.
Die Mumifizierung hatte eine tiefe spirituelle Bedeutung: Sie sollte es der Seele des Verstorbenen ermöglichen, im Jenseits in den Körper zurückzukehren. Aus diesem Grund wurden den Toten auch Alltagsgegenstände für das Leben im Jenseits mit ins Grab gegeben. Die Mumifizierung eines Pharaos war von besonderer Bedeutung, da er auch nach seinem Tod für das Wohlergehen seiner Untertanen verantwortlich war.
Schon immer interessierte es die modernen Menschen, womit die Ägypter ihre Toten einbalsamierten. Dazu wurden gefundene Mumien untersucht, es wurden auch Mumien-Werkstätten entdeckt. Rückstände in den dort gefundenen Gefäßen lieferten ebenfalls Hinweise auf die Rezepturen der Einbalsamierungsstoffe. Forschende des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie (MPI-GEA) konzentrierten sich auf die Einbalsamierung der Dame Senetnay in der 18. Dynastie, die etwa 1450 v. Chr. lebte.
Mit hochentwickelten Analysetechniken zum Erfolg
Das Forschungsteam unter der Leitung von Barbara Huber untersuchte die Mumifizierungssubstanzen von Senetnay mit hochentwickelten Analysetechniken. Zum Einsatz kamen zum Beispiel aschromatographie-Massenspektrometrie, Hochtemperatur-Gaschromatographie-Massenspektrometrie sowie Flüssigchromatographie-Tandem-Massenspektronomie, um die Substanzen zu rekonstruieren, die dazu beitrugen, die adelige Dame für die Ewigkeit zu konservieren und zu parfümieren.
„Wir analysierten Balsamrückstände, die in Gesichtsurnen aus der Mumifizierung von Senetnay gefunden wurden, die vor über einem Jahrhundert von Howard Carter aus dem Grab KV42 im Tal der Könige ausgegraben wurden“, sagt Huber. Aktuell befinden sich die Gefäße im Museum August Kestner in Hannover.
Balsame aus Bienenwachs, Pflanzenöl, Fetten und Harzen
Die Untersuchungen des Forschungsteams ergaben, dass die zur Einbalsamierung verwendeten Balsame eine komplexe Zusammensetzung aufwiesen. Sie bestanden aus einer Vielzahl von Bestandteilen, darunter Bienenwachs, pflanzliche Öle und Fette. Hinzu kamen verschiedene Harze wie Erdharz und Harze von Kieferngewächsen, sehr wahrscheinlich insbesondere Lärchenharz. Auch eine balsamische Substanz sowie Dammar- und Pistazienharze wurden in der Mischung nachgewiesen.
„Diese komplexen und vielfältigen Inhaltsstoffe, die für diese frühe Zeitperiode einzigartig sind, bieten ein neues Verständnis für die differenzierten Mumifizierungspraktiken der damaligen Zeit“, sagt Christian E. Loeben, Ägyptologe und Kurator am Museum August Kestner. „Mit unseren Methoden konnten wir auch entscheidende Erkenntnisse über die Inhaltsstoffe des Balsams gewinnen, zu denen es in den zeitgenössischen altägyptischen Textquellen nur begrenzte Informationen gibt“, ergänzt Huber.
Einzelne Duftstoffe kamen von weit her
Die Studie unterstreicht nicht nur die Komplexität der ägyptischen Einbalsamierungspraxis, sondern auch die weitreichenden Handelsbeziehungen der Ägypter im 2. Jahrtausend v. Chr. Prof. Nicole Boivin, die leitende Wissenschaftlerin des Projekts, betont: „Die Inhaltsstoffe des Balsams machen deutlich, dass die alten Ägypter schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt Materialien auch außerhalb ihres Gebiets bezogen haben. Die Anzahl der importierten Inhaltsstoffe für ihren Balsam unterstreicht auch die Bedeutung Senetnays als wichtiges Mitglied des inneren Kreises des Pharaos“.
Zu den importierten Materialien gehören beispielsweise Lärchenharz, das wahrscheinlich aus dem Mittelmeerraum stammt, und möglicherweise Dammarharz, das nur in Südostasien vorkommt. Sollten sich diese Vermutungen bestätigen, wie z.B. durch den kürzlich in Saqqara identifizierten Balsam aus dem 1. Jahrtausend v. Chr., würde dies darauf hindeuten, dass die Ägypter bereits ein Jahrtausend früher als bisher angenommen Zugang zu Handelsrouten nach Südostasien hatten.
Duft neu erschaffen
In einer interdisziplinären Zusammenarbeit hat das Forschungsteam zusammen mit der französischen Parfümeurin Carole Calvez und der Expertin für sensorische Museologie, Sofia Collette Ehrich, den antiken Duft auf der Basis ihrer wissenschaftlichen Analysen neu kreiert. „Der ‚Scent of Eternity‘ steht für mehr als nur das Aroma des Mumifizierungsprozesses“, ergänzt Huber. „Er verkörpert die reiche kulturelle, historische und spirituelle Bedeutung der altägyptischen Begräbnispraktiken.“
Das Team hofft, dass der neu kreierte Duft, der in einer Museumsausstellung präsentiert wird, den Besuchern ein tiefgreifendes multisensorisches Erlebnis bietet. Ziel ist es, die Menschen auf einzigartige Weise olfaktorisch mit der Vergangenheit zu verbinden und die Faszination der altägyptischen Mumifizierung in die Gegenwart zu transportieren. Dieser innovative Ansatz dient nicht nur der Überbrückung einer langen Zeitspanne, sondern erweitert auch die Zugänglichkeit der Ausstellung für Menschen mit Sehbehinderungen und stellt aktuelle Forschungsergebnisse zur Mumifizierung einem breiteren Publikum vor.
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