Einen Nanoliter Wasser in halber Pikosekunde um 600 Grad erhitzen
Hamburger Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der Wasser in weniger als einer billionstel Sekunde zum Kochen gebracht werden kann. Das Verfahren, das bislang noch nicht in die Praxis umgesetzt worden ist, kann eine kleine Menge Wasser in nur einer halben Pikosekunde um 600 Grad Celsius erhitzen. Der sogenannte „schnellste Wasserkocher der Welt“ soll für Experimentierzwecke verwendet werden.
„Wasser ist nicht nur ein passives Lösungsmittel, sondern spielt eine wichtige Rolle für die Dynamik vieler biologischer und chemischer Prozesse, indem es etwa bestimmte chemische Verbindungen stabilisiert und manche Reaktionen überhaupt erst ermöglicht“, so DESY-Forscher Dr. Oriol Vendrell vom Center for Free-Electron Laser Science CFEL, einer Kooperation von DESY, der Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft.
Eine Pikosekunde ist im Verhältnis so viel wie eine Sekunde verglichen mit 32 Jahrtausenden. In dieser Zeit kann mit der neuartigen Methode ein Nanoliter Wasser erhitzt werden. Diese Menge entspricht einem milliardstel Liter. Sie reicht den Forschern, um die meisten Experimente durchführen zu können. So verspritzen moderne Tintenstrahldrucker heutzutage Tröpfchen von einem Pikoliter – das ist noch tausendmal weniger als ein Nanoliter.
Terahertz-Blitze erhitzen das Wasser auf einen Schlag
Der schnellste Wasserkocher der Welt arbeitet mit Terahertz-Strahlung. Sie besteht aus elektromagnetischen Wellen mit einer Frequenz zwischen den Radiowellen und der Infrarotstrahlung. Beispielsweise über Freie-Elektronen-Laser lassen sich Terahertz-Blitze erzeugen. Dabei werden viele Teilchen von Strahlungsblitzen losgeschickt, die sich zu einem intensiven laserartigen Puls bündeln.
Die hohe Intensität des Terahertz-Blitzes bringt die Wassermoleküle „auf einen Schlag“ zum Vibrieren. Dadurch lösen sich die Wasserstoffbrückenbindungen auf, über die Wassermoleküle im flüssigen Zustand verbunden sind.
Berechnungen am Supercomputerzentrum Jülich
Die Wissenschaftler haben die Wechselwirkung des Terahertz-Blitzes mit dem Wasser berechnet. Für ihre Simulationsrechnungen benötigten sie rund 200.000 Stunden Prozessorzeit auf einem großen Parallelcomputer am Supercomputerzentrum Jülich. Und das war noch wenig: Auf einem einzelnen Prozessor hätten die Berechnungen rund 20 Jahre gedauert. „Wir kommen zu dem Ergebnis, dass es möglich sein sollte, die Flüssigkeit in nur einer halben Pikosekunde auf rund 600 Grad Celsius zu erhitzen, und damit eine kurzlebige heiße und strukturlose Umgebung mit der Dichte der Flüssigkeit zu erschaffen, wobei die einzelnen Wassermoleküle intakt bleiben“, erläutert Vendrell.
Die Forscher planen laut Vendrell, das ‚Lösungsmittel‘ zu erhitzen, damit viele Moleküle den gewünschten chemischen Prozess zur selben Zeit starten. Dann könne die Entwicklung der Reaktion verfolgt werden. Obwohl die heiße Miniwolke nach nicht einmal einer Millisekunde auseinander fliege, sei dies lange genug, um alle interessanten Vorgänge in thermischen Reaktionen zu beobachten – etwa die Kombination kleiner organischer Moleküle zu neuen Substanzen. Die Forscher untersuchen gegenwärtig, wie der intensive Terahertz-Blitz auf verschiedene im Wasser gelöste Molekülarten wirkt, von inorganischen bis zu biologischen.
3,4 Kilometer langer Röntgenlaser European XFEL
Die verschiedenen Stufen der Reaktion lassen sich etwa mit ultrakurzen Röntgenblitzen verfolgen, wie sie der 3,4 Kilometer lange Röntgenlaser European XFEL erzeugen wird, der gegenwärtig zwischen dem Hamburger DESY-Campus und der benachbarten Stadt Schenefeld in Schleswig-Holstein gebaut wird. Nach seiner Fertigstellung wird der European XFEL in der Lage sein, 27.000 intensive Röntgenblitze pro Sekunde zu erzeugen, um damit beispielsweise den Ablauf einer chemischen Reaktion aufzuzeichnen.
Vorteil dieser Untersuchungsmethode ist, dass sich ein Terahertz-Blitz mit dem Röntgenpuls synchronisieren lässt. Dadurch wird ermöglicht, dass ein Experiment gezielt gestartet und nach genau definierten Zeiten beobachtet werden kann.
„Die kurzlebige und heiße Umgebung, die der Terahertz-Puls erzeugt, dürfte interessante Eigenschaften haben, etwa als Matrix zur Untersuchung gezielt aktivierter chemischer Prozesse“, so Vendrell. „Das werden wir weiter untersuchen.“
Ein Beitrag von: