Ekkehard Peik: Vater der Kernuhr und prägender Forscher 2024
Ekkehard Peik von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ist laut „Nature“ einer der wichtigsten Forscher 2024. Woran er arbeitet?
Inhaltsverzeichnis
- Ekkehard Peik gelingt nach 20 Jahren Forschung der Nachweis einer Thorium-Kernuhr
- Peiks Thorium-Kernuhr eröffnet neue Möglichkeiten der Kernforschung
- Die Thorium-Kernuhr baute Ekkehard Peiks Team komplett im Hochvakuum auf
- Schon in wenigen Jahren könnte die Thorium-Kernuhr weiter Fortschritte machen
Wissenschaftliche Aufsätze müssen sich nicht im Internet verkaufen, sie müssen auch an keinem Kiosk um Leserinnen buhlen. „Nukleare Laserspektroskopie des 3,5-eV-Übergangs in Th-229“ ist ein ebenso nüchterner wie für Nicht-Physiker wohl unverständlicher Titel eines Forschungsbeitrags. Einen seiner Autoren beschrieb das renommierte Fachmagazin „Nature“ aber jetzt in seiner Dezemberausgabe als „Vater der Zeit: Der Physiker, der die erste Kernuhr der Welt bauen will“. Hintergrund: Ekkehard Peik, Arbeitsgruppenleiter „Zeit und Frequenz“ bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), zählt „Nature“ zu den zehn prägendsten Forscherinnen und Forschern des Jahres 2024. Und das hat mit diesem Artikel aus dem Jahr 2003 zu tun.
Peiks Team an der PTB gelang in diesem Jahres das, was ihm und seinem damaligen PTB-Kollegen Christoph Tamm (inzwischen im Ruhestand) damals, noch vor Veröffentlichung ihres Artikels, nicht gelang: diesen Übergang des Thoriumisotops 229Thorium mit einer Übergangsenergie von 3,5 eV (Elektronenvolt) zu beproben und ihn nachzuweisen. 2001 gab es die ersten Konzepte, mehr als ein Jahr vergruben die beiden sich in Laboren. Erster Schritt: 229Thorium-Kerne anregen. Gelänge dies, dann hätten sie Licht eines durchstimmbaren Ultraviolett-Lasers (UV) einstrahlen müssen. Durchstimmen heißt: Die Frequenz lässt sich ändern. Sie wollten so jene Frequenz finden, die mit der Energie des Übergangs der 229Thorium-Kerne übereinstimmt. Dann galt es schließlich dessen Frequenz zur Zeitmessung nutzen. „Aber die Experimente schlugen alle fehl“, sagt Peik rückblickend gegenüber „Nature“. Schließlich veröffentlichten sie ihren unbewiesenen Vorschlag im Jahr 2003. Peiks wissenschaftlicher Durchbruch in diesem Jahr könnte jetzt diese Kernuhren mit bisher unvorstellbarer Präzision ermöglichen, so die PTB in einer Mitteilung.
Ekkehard Peik gelingt nach 20 Jahren Forschung der Nachweis einer Thorium-Kernuhr
„Es gab in diesem Jahr große Fortschritte bei uns und anderen Gruppen, die an dieser Thorium-Kernuhr forschen“, sagte Peik im Gespräch mit VDI nachrichten. Vor allem die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Thorsten Schumm von der TU Wien hat es erstmals möglich gemacht, den exakten energetischen Übergang zwischen den Energieniveaus im 229Thorium-Kern mit einem Laser zu treffen. Zum einen ist es den Braunschweiger gelungen, endlich einen entsprechenden Laser für 148 nm zu bauen, zum anderen hat das Schumm-Team in Wien es erstmals geschafft, einen für 148 nm komplett transparenten Trägerkristall auf Basis von Calciumfluorid für die Thoriumkerne herzustellen.
Diese Trägerkristalle mussten dann auch gleich eine hinreichend große Menge an Thoriumkernen aufnehmen können, sodass ein messbares Signal erzeugt werden kann. Mit Erfolg. Mit einem Laserstrahl ließen sich so rund 10 Billiarden (1016) Thorium-Kerne gleichzeitig anregen. Dass Peik durch die Wissenschaftszeitschrift „Nature“ jetzt zu den zehn prägendsten Forscherinnen und Forschern des Jahres 2024 gezählt wurde, „ehrt ihn sehr“, wie er VDI nachrichten sagte.
Peiks Thorium-Kernuhr eröffnet neue Möglichkeiten der Kernforschung
„Die Thorium-Kernuhr ist völlig verschieden zu den üblichen optischen Atomuhren, die wir bei der PTB erforschen und betreiben“, sagt Peik. Nicht nur liefere dieser Übergang des 229Thorium eine Clockfrequenz, die die bisherige Genauigkeit optischer Atomuhren noch einmal steigern könne, sondern, so Peik, sei hier im Gegensatz zu den Übergängen bei optischen Atomuhren die starke Wechselwirkung beteiligt.
„Es gibt kein Experiment in der Kernphysik, mit dem wir bisher eine so hohe spektroskopische Auflösung haben erreichen können“, erklärt Peik. Das mache es möglich in der Grundlagenphysik wichtige Fragen näher zu untersuchen, nämlich, ob die sogenannten Naturkonstanten wirklich konstant sind bzw. in welchem Maße sie konstant sind. Durch die Forschung an diesem 229Thorium-Kernübergang sei in letzter Zeit „viel in Bewegung geraten“, so Peik.
Die Thorium-Kernuhr baute Ekkehard Peiks Team komplett im Hochvakuum auf
Dabei ist die Herausforderung, mit diesem Thorium-Übergang experimentell zu arbeiten, selbst für Physiker wie Peik, die bei der PTB die Zeitstandards zur Verfügung stellen, ein komplexes, herausforderndes Experiment. Zwar gibt es im Gegensatz zu optischen Atomuhren keine Störeffekte, wie Peik in VDI nachrichten schon 2018 erklärte: „Viele der Effekte, die bei optischen Atomuhren die Frequenz verschieben, basieren auf Wechselwirkungen mit elektromagnetischen Feldern. Diese haben aber auf den Kern eine viel kleinere störende Wirkung als auf die Elektronenhülle.“
Doch das Thorium-Experiment, das dieses Jahr erstmals geglückt ist, ist sehr komplex und erfordert Hochvakuum zwischen 10-4 Pa und 10-6 Pa (zum Vergleich: Derzeit liegen wir beim Wetter in Deutschland unter Tiefdruckeinfluss mit grob 1000 hPa Bodenluftdruck, also 106 Pa). Eine optische Atomuhr lässt sich noch unter normalem Luftdruck unter den Bedingungen eines optischen Tisches mit laminarer Luftströmung aufbauen. Zum Beispiel auch in einem Pkw-Anhänger.
Das geht bei der Thorium-Kernuhr nicht: „Das UV-Licht würde bei dieser Wellenlänge in Luft absorbiert, unter anderem wegen des Sauerstoffs“, so Peik. Auch Wasser absorbiere bei diesen UV-Wellenlängen. Organische Molekülen wie Methan stören: „Diese werden vom VUV-Licht gecrackt und sondern dann Kohlenstoff auf den optischen Elementen ab“, so Peik (VUV: Vakuumultraviolett). Der optische Spiegel, der ja eigentlich den Lichtstrahl lenken soll, würde also mit einer Carbonlage überzogen. Sprich: Die optischen Komponenten müssen alle im Hochvakuum stehen, und auch die Lichtlaufwege müssen komplett im Hochvakuum erfolgen.
Schon in wenigen Jahren könnte die Thorium-Kernuhr weiter Fortschritte machen
Dennoch glaubt Peik, dass es nur wenige Jahre dauern könnte, bis die Betriebssicherheit der Thorium-Kernuhr jener optischer Atomuhren ein gutes Stück näherkommen werde. Auch wenn der Weg hin zu einer wirklichen Uhr im Sinne eines Zeitstandards noch sehr weit sei. Jetzt, wo einmal der Anfang geschafft ist und die genaue Frequenz des Übergangs bekannt ist. Das zeigen auch die Verifikationen anderer Labore aus den USA: zum Beispiel des JILA (Joint Institute for Laboratory Astrophysics) in Boulder, Colorado, und der University of California (UCLA), Los Angeles, die die Messungen der Forschungsteams aus Braunschweig und Wien haben bestätigen können.
Die erfolgreiche Laser-Kernanregung öffne, so die PTB, die Tür „für eine Atomkernuhr, die noch einmal deutlich genauer sein könnte als die heutigen Atomuhren“. Und wenn die nun realisierten Thorium-dotierten Kristalle weiterentwickelt werden, könnten Thorium-Kerne als Sonden in Kristalle oder Moleküle eingebaut werden und dort neue Informationen über mikroskopische Materialeigenschaften zugänglich machen.
Und wem der Weg von einem Wissenschaftsartikel aus dem Jahr 2003 bis heute als lang erscheint: Schon in den 1970er-Jahren schauten Physiker am Idaho National Laboratory (INL) auf 229Thorium – auf der Suche nach einem Atomkern, der sich mit Laserlicht energetisch manipulieren ließe. Denn dieser weist zwei so sehr eng benachbarte Energiezustände auf, dass Laserlicht reichen müsste, um den Atomkern vom einen in den anderen Zustand anzuregen. Im Endeffekt sind es also gut 50 Jahre, die zwischen ersten Ideen und Hinweisen und dem Nachweis liegen. Physiker wie Ekkehart Peik haben die Geduld, sich an solche Aufgaben heranzutrauen.
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