Erfindergeist macht Schule
Wo sind die Ingenieure und Patent-Entwickler von morgen? Ist es wirklich so schlimm um Deutschlands Techniknachwuchs bestellt? Ein Blick auf die Signo-Erfinderclubs, initiiert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), lässt hoffen.
Das Nachwuchsproblem in den technischen Berufen ist bekannt. Bildungspraktikern zufolge liegen die Ursachen aber weniger beim Nachwuchs selbst. „Neugier und Wissensdrang bei Schülern und Jugendlichen sind eher gestiegen“, weiß Erich Welschehold, Realschullehrer für Mathematik, Physik und Technik sowie Initiator und Leiter des vom Land Niedersachsen geförderten Projekts „Außerschulischer Lernort für Technik und Natur e.V.“ in Wilhelmshaven. Der Ingenieur kritisiert: „Durch den Abbau des technisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts und eine völlig unzureichende Ausstattung mit Werkräumen und Geräten bieten die Schulen technisch interessierten Schülern heute keinen Ort mehr, an dem sie experimentieren und handwerkliches Arbeiten erlernen können.“
Der Wilhelmshavener Lernort, an den niedersächsische Schulen ihren Technikunterricht „auslagern“ können, ist zugleich Sitz von zwei Signo-Erfinderclubs. Bundesweit gibt es davon 137, darunter 60 speziell für Kinder und Jugendliche. Die Erfinderclubs gehen auf eine Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) zurück und sind Bestandteil des Signo-Programms für die rechtliche Sicherung und wirtschaftliche Verwertung von Erfindungen. „In dem Programm spielen die Jugend-Erfinderclubs eine wichtige Rolle, denn sie bieten jungen Menschen den nötigen Freiraum für innovatives Denken und technische Kreativität“, sagt Ulrich Romer, als Referatsleiter beim BMWi für Normung, Patentpolitik und Erfinderförderung zuständig.
Organisatorisch betreut werden die Erfindergemeinschaften vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Die dort zuständige Projektleiterin, Beate Treu, räumt ein, dass es nicht die Hauptaufgabe von Schulen sei, eine fundierte Vermittlung betriebswirtschaftlicher und technischer Kenntnisse zu betreiben. Aber: „Sie können für interessierte Kinder und Jugendliche entsprechende Angebote bereit halten. Das kann z. B. ein Erfinderclub sein, der den Standard-Lehrplan unabhängig von Schulform und Altersstufe ergänzt“, so Treu.
Für jeden autorisierten Erfinderclub an einer Schule gibt es 1500 € pro Jahr an Förderung, dazu die organisatorische Unterstützung vom Institut der deutschen Wirtschaft. Voraussetzung sind engagierte Lehrer, die an ihrer Schule einen Club gründen. Wie etwa Winfried Sturm, Diplom-Physiker und Lehrer am Faust-Gymnasium in Staufen bei Freiburg, wo er vor acht Jahren die „Hightech-Tüftlerschmiede“ ins Leben rief. „Unser Erfinderclub ist fast wie ein Ventil für den Ideenreichtum, der in den Schülern steckt. Wir müssen dieses Potenzial nur entdecken und dauerhaft anregen“, ist Sturm überzeugt. Günther Bergmeier, Studiendirektor am Apian-Gymnasium im bayerischen Ingolstadt und einer der Erfinderclub-Pioniere, stimmt zu: „Ich bin immer wieder erstaunt, mit welchen pfiffigen Ideen uns vor allem die jungen Schüler überraschen. Man merkt, wie bei ihnen ein Feuer der Begeisterung für die Technik entfacht wird.“ In seinem „Querdenker“ getauften Club werden Ideen – meist Lösungsvorschläge zur Behebung von Alltagsproblemen – gemeinsam diskutiert, dann von einzelnen Teilnehmern oder Gruppen entwickelt, in Modelle oder Prototypen umgesetzt und gleichzeitig durch Schutzrechte gesichert.
Mit Erfolg: Zwölf Patente und 15 Gebrauchsmuster haben die Ingolstädter in den vergangenen zehn Jahren entwickelt, darunter eine neuartige Abschaltautomatik für Haushaltselektrogeräte, ein juckfreier Gipsverband und – ganz aktuell – ein Regenschirm, der sich nicht wie üblich von unten nach oben, sondern von oben nach unten öffnen lässt und dadurch bei beengten räumlichen Verhältnissen, etwa beim Aussteigen aus dem Auto, besseren Schutz und höheren Bedienkomfort bietet.
Kein Einzelfall: Für ihre Innovationen werden die Jugend-Erfinderclubs auf der internationalen Erfinder-Fachmesse „iENA“ in Nürnberg regelmäßig mit Medaillen ausgezeichnet. Dennoch warnen Experten vor zu viel Optimismus. Volker Brennecke, beim VDI für Berufs- und Bildungspolitik zuständig, hält öffentliche und private Initiativen zur Förderung des Techniknachwuchses lediglich für „hilfreich“. „Sie können aber einen kontinuierlichen und didaktisch anspruchsvollen Technik-Unterricht in den Schulen nicht ersetzen.“
Zumindest in Ingolstadt ist man schon einen Schritt weiter. Am Apian-Gymnasium hat Günther Bergmeier das vom bayerischen Lehrplan geforderte „Praxisseminar“ nach dem Vorbild des Erfinderclubs ganz der Entwicklung technischer Innovationen gewidme. „Von der Idee bis zur Vermarktung lernen die Schüler im P-Seminar den systematischen und strategischen Prozess des Erfindens kennen“, erklärt der Pädagoge. Eine Pioniertat, die Modellcharakter für andere Schulen haben kann, findet Dieter Götzl vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus: „Manchmal braucht man eben ‚Querdenker’, um zu neuen Lösungen zu kommen.“ M. REIBER/sta
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