Erstes mobile CT-Gerät der Welt untersucht verborgene Schriften im Pariser Louvre
Forschende aus Deutschland haben den weltweit ersten mobilen Computertomographen entwickelt. Seinen ersten Einsatz hat das CT-Gerät im Louvre. In Paris soll es einige uralte, in Tonumschlägen verborgene, Keilschriften entziffern.
Auf den Spuren verborgener Schriften: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Understanding Written Artefacts“ der Universität Hamburg (UWA) und des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) haben einen auf der Welt einmaligen mobilen Computertomographen entwickelt. Dieses Gerät ermöglicht es ihnen, erstmalig den Inhalt 4.000 Jahre alter, versiegelter Keilschrifttafeln aus Mesopotamien zu entschlüsseln. Vom 1. bis 9. Februar kommt dieser Computertomograph im Louvre zum Einsatz.
Älteste Schriftartefakte der Welt werden lesbar
Keilschrifttafeln aus dem antiken Mesopotamien, die ältesten bekannten Schriftzeugnisse, wurden im 3. Jahrtausend v. Chr. zum Schutz vor unbefugtem Zugriff in Tonumschläge verpackt. Einige dieser versiegelten Tafeln erreichten ihr Ziel nie und liegen heute, mit ungelesenem Inhalt, in Museen und Archiven weltweit. Mit Hilfe des mobilen Computertomographen können diese nun endlich gelesen werden. ENCI („Extracting non-destructively cuneiform inscriptions“) erschließt damit für die Altertumsforschung eine Fülle bisher unzugänglicher Quellen.
„Forschende, die sich wie ich mit der Geschichte Mesopotamiens beschäftigen, hat es immer frustriert, dass es so viele Keilschrifttafeln gibt, die sich über Jahrtausende erhalten haben und die wir trotzdem nicht lesen können“, sagt Prof. Dr. Cécile Michel, eine der Leiterinnen des Projekts. Die Assyriologin ist Professorin am Centre national de la recherche scientifique in Paris und Mitglied des Exzellenzclusters UWA.
Michel ergänzt: „Durch persönliche Briefe gewinnen wir neue Einblicke in den Alltag und die Lebensumstände der Menschen damals. Bei Verträgen wurden die wichtigsten Inhalte oft außen auf dem Umschlag zusammengefasst, sodass wir bereits etwas über die Texte im Inneren wissen. Doch auch hier stellen sich noch viele Fragen: Welche Informationen wurden auf den Umschlag übertragen, welche ausgelassen? Wo weicht der äußere vom inneren Text ab und weshalb?“
Röntgenstrahlen zerlegen die Tafeln in viele einzelne Schichten
Das ENCI-Verfahren nutzt Röntgenstrahlen, um die Keilschrifttafel samt Umschlag in zahlreichen Schichten zu erfassen. Am Computer sind auf den einzelnen Aufnahmen die Zwischenräume zwischen Tafel und Umschlag erkennbar. Durch das Zusammenfügen dieser Bilder wird die Oberfläche der im Umschlag verborgenen Keilschrifttafel sichtbar, mitsamt der darauf befindlichen Schriftzeichen.
Prof. Dr. Christian Schroer, Leiter der Arbeitsgruppe am Institut für Nanostruktur- und Festkörperphysik der Universität Hamburg und Hauptentwickler des ENCI, betont die Besonderheit des neuen Tomographen: Während herkömmliche Geräte mit der benötigten Strahlungsintensität oft mehrere Tonnen wiegen, zeichnet sich ENCI durch seine Mobilität aus. Diese Eigenschaft sei von großer Bedeutung, da Museen ihre Sammlungen selten für Untersuchungen versenden. ENCI bringt lediglich etwas über 400 Kilogramm auf die Waage. Die größte Herausforderung lag nach Einschätzung von Schroer bei der Entwicklung darin, die leichte Bauweise mit dem notwendigen Strahlenschutz zu vereinen.
Erste Bewährungsprobe im Pariser Louvre
Vom 1. bis 9. Februar 2024 führen Forscher der UWA und des DESY eine detaillierte Untersuchung von Keilschrifttafeln aus dem Pariser Louvre durch. Das Museum besitzt mit etwa 12.000 Tafeln eine der weltweit größten Sammlungen dieser Art. Zunächst konzentriert sich die Analyse auf zwölf sorgfältig ausgewählte Exemplare, die mehrheitlich aus der antiken Stadt Ur im heutigen Irak stammen.
Prof. Dr. Konrad Hirschler, Sprecher des Exzellenzclusters UWA, betont die Bedeutung des ENCI-Projekts für die Forschung: „ENCI illustriert im besonderen Maße, wie die interdisziplinäre Forschung des Exzellenzclusters ‚Understanding Written Artefacts‘ ganz neue Perspektiven auf das schriftliche Kulturerbe eröffnet. Wer hätte gedacht, dass die Zusammenarbeit zwischen Assyriologie und Röntgenphysik eine solche Dynamik entwickeln wird?“ Seit 2019 arbeiten im UWA etwa 150 Experten aus 40 Fachbereichen zusammen. Ihr Ziel ist es, eine umfassende Perspektive auf Schriftartefakte aus allen Kulturen und Epochen zu entwickeln, von antiken Inschriften bis hin zu modernen Notizbüchern.
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