Oktogon von Ephesos 13.01.2025, 10:13 Uhr

Es ist ein Junge: Das Schicksal von Kleopatras Schwester bleibt ein Rätsel

DNA-Analysen entlarven jahrzehntelangen Irrtum: Kleopatras Schwester liegt nicht im Oktogon von Ephesos. Wer war der dort bestattete Junge?

Schädel aus dem Oktogon von Ephesos

DerSchädel aus dem Oktogon von Ephesos stammt doch nicht von Kleopatras Schwester, sondern von einem unbekannten Jungen.

Foto: derknopfdruecker

Kleopatras Schwester entpuppt sich als Junge. Über 100 Jahre lang ging die Wissenschaft davon aus, den Schädel von Arsinoë IV., der Halbschwester der berühmten ägyptischen Pharaonin, entdeckt zu haben. Doch moderne Analysemethoden zeigten, dass der etwa 2100 Jahre alte Schädel tatsächlich einem halbwüchsigen italienischen Jungen gehört. Wer dieser Junge war und warum er im prächtigen „Oktogon“ von Ephesos bestattet wurde, bleibt ein Rätsel – ebenso wie das Schicksal von Kleopatras Schwester.

Der Fund im Oktogon von Ephesos

1929 machten Archäologen unter der Leitung des Österreichers Josef Keil eine spektakuläre Entdeckung. Im Herzen der antiken Stadt Ephesos, an der bedeutenden Kuretenstraße, stießen sie auf einen mit Wasser gefüllten Sarkophag. Das Grab befand sich im Oktogon, einem prunkvollen Mausoleum mit auffallend ägyptischen Architekturelementen. Außer einem kompletten Skelett enthielt der Sarkophag keine Grabbeigaben. Keil nahm den Kopfknochen mit nach Wien, wo erste Untersuchungen auf eine hochrangige junge Frau hinzudeuten schienen.

In den 1980er-Jahren keimte eine gewagte Theorie auf: Das Oktogon könnte die letzte Ruhestätte von Arsinoë IV. sein. Sie war die Halbschwester von Kleopatra VII. und hatte sich nach ihrer Gefangennahme durch die Römer nach Ephesos zurückgezogen. Die Vermutung lag nahe, dass Marcus Antonius ihre Hinrichtung veranlasst hatte und sie in einem Ehrenmal begraben wurde. Diese Hypothese hielt sich über Jahrzehnte.

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Moderne Wissenschaft widerlegt die Theorie

Ein Team der Universität Wien unter der Leitung von Gerhard Weber untersuchte den Fund mit modernen Methoden. Die Micro-Computer-Tomografie lieferte hochauflösende Bilder des Schädels, während genetische Analysen Klarheit über Geschlecht und Herkunft verschaffen sollten. Radiokarbondatierungen ergaben, dass die Gebeine aus der Zeit zwischen 36 und 205 v. Chr. stammten – ein Zeitrahmen, der mit Arsinoës Lebenszeit übereinstimmt.

Doch dann die Sensation: DNA-Analysen zeigten eindeutig das Vorhandensein eines Y-Chromosoms. Der Verstorbene war ein Mann. Zusätzliche Untersuchungen ergaben, dass der Junge im Alter von 11 bis 14 Jahren starb. Die Wachstumsmerkmale seiner Zähne und Kieferknochen zeigten deutliche Anzeichen von Entwicklungsstörungen. Gerhard Weber erklärt: „Eine seiner Schädelnähte war bereits geschlossen, ein Zustand, der sonst erst bei 65-jährigen eintritt.“

Ein Junge mit einer tragischen Geschichte

Der genetische Code des Jungen deutet auf eine Herkunft aus Italien oder Sardinien hin, was ihn vermutlich als Teil der römischen Gemeinschaft in Ephesos ausweist. Seine Fehlbildungen, darunter ein asymmetrischer Schädel und ein abgewinkelter Oberkiefer, erschwerten sein Leben erheblich. Wissenschaftler spekulieren, dass ein Vitamin-D-Mangel oder genetische Syndrome wie das Treacher-Collins-Syndrom diese Missbildungen verursacht haben könnten.

Eine genaue Erklärung fehlt bislang, ebenso wie Antworten auf die Frage, warum dieser Junge in einem so aufwendigen Grab bestattet wurde. Die prunkvolle Architektur des Oktogons lässt darauf schließen, dass der Verstorbene einen hohen sozialen Status hatte. Ob er vielleicht aus einer wohlhabenden oder einflussreichen Familie stammte, bleibt jedoch unklar.

Die Suche nach Arsinoë geht weiter

Mit der Widerlegung der Theorie, dass Arsinoë IV. im Oktogon begraben wurde, beginnt die Suche nach ihrer wahren Ruhestätte von Neuem. Weder die historische Überlieferung noch archäologische Hinweise geben bislang einen klaren Anhaltspunkt. Die Hypothese, dass das Oktogon zu ihren Ehren erbaut wurde, gilt als überholt.

Der Fall zeigt, wie moderne Technik alte Annahmen infrage stellen kann. Die Entdeckung des italienischen Jungen wirft neue Fragen auf. Warum erhielt er eine so prominente Bestattung? Und welche Verbindung bestand zwischen seiner Familie und Ephesos?

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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