Ferngesteuerte Schaben suchen Verschüttete nach Erdbeben
Küchenschaben mit Fernsteuerung, gesteuert von Microsofts Gesten- und Bewegungssteuerung Kinect, könnten in Zukunft helfen, Verschütterte nach Erdbeben zu finden. Doch selbst als Spielzeug sollen die Kakerlaken dienen. Ausgestattet mit einem Chip lassen sich die lebenden Tiere per Smartphone fernsteuern.
Schaben per Smartphone fernsteuern: Was sich ein wenig nach einer Frankenstein-Idee im modernen Gewand anhört, ist wirklich ernst gemeint. Die beiden Neurowissenschaftler und Ingenieure Greg Gage und Tim Marzullo wollen mit einem Bausatz Schülern konkret die Funktionsweise von Nerven vermitteln. Das ist die recht makabre Geschäftsidee ihrer Firma „Backyard Brains“. Die Firma will ab November 2013 einen Bastelsatz verkaufen, mit dem es möglich ist, Küchenschaben ihren eigenen Willen zu rauben und sie selber per Smartphone zu steuern. Der Bastelsatz soll 99 US-Dollar kosten, nur die fernzusteuernde Schabe muss der experimentierwillige Schüler noch selbst hinter dem Küchenschrank hervorholen.
In Eiswasser betäuben und säubern
Schon die Do-It-Yourself-Anleitung für dieses makabre Experiment lässt aufhorchen und Tierschützer Sturm laufen: Zunächst wird die Schabe in Eiswasser betäubt und gesäubert. Um die Schabe verdrahten zu können, wird ihr mit Sekundenkleber der Steckeranschluss auf den Halspanzer geklebt.
Der Anschluss selber besitzt drei Drähte, zwei für die Fühler und einen Draht für den Rücken. Um die Kabel in den Fühlern anzubringen, werden diese vorsichtig abgeschnitten. Um eine Verbindung mit den Nerven in den Fühlern zu erreichen, werden die Drähte direkt in die Fühler hineingesteckt und mit Sekundenkleber befestigt. Der dritte Draht wird der Schabe in die wichtigste Ansammlung von Nervenknotenpunkten in den Rücken gesteckt. Dazu wird der Panzer des Tieres aufgestochen und der Draht in den Körper gesteckt. Das Loch wird ebenfalls mit Kleber verklebt.
Mit Sekundenkleber geht es den Insekten an die Fühler
Die freiliegenden Drähte am Kopf der Schabe werden abschließend mit einem Tropfen Kleber aus einer Heißklebepistole fixiert. Genauso wird die Platine mit den Modulen an den Flügeln auf dem Rücken der Schabe befestigt. So trägt sie das schwerste Teil der Installation, den 0,7 Gramm schweren Chiprucksack nicht nur auf dem Rücken, sondern wird durch den Kleber auch noch daran gehindert, wegfliegen zu können.
Und dann funktioniert dieses lebende Insekt nach dem freien Willen des neurobiologisch interessierten Schülers. Gibt er rechts in seine Steuereinheit auf dem Smartphone ein, läuft das Insekt nach rechts, gibt er links ein, läuft es nach links. Die Neurowissenschaftler nutzen für diese Fernsteuerung der Schaben deren Orientierungssinn aus. Und der funktioniert über die Fühlerantennen der Insekten. Stößt einer der Fühler an ein Hindernis, läuft die Schabe automatisch in die entgegengesetzte Richtung.
Dies nutzt die Fernsteuerung aus: Die ferngesteuerte Schabe bekommt vom jungen Piloten kleine Stromstöße über die in den Fühlern platzierten Drähten. So wird dem Insekt simuliert, dass die Antenne an ein Hindernis gestoßen ist.
Tiere als Spielzeug: Das hat in den USA längst Tierschützer auf den Plan gerufen. Auch Kakerlaken seien Tiere, so die Kritik. Die Neurowissenschaftler von Backyard Brains verstehen die Aufregung um ihre ferngesteuerten Schaben nicht. Sie argumentieren, dass die Elektro-Impulse für die Richtungssteuerung den Insekten nur sehr wenig Schmerzen zufügen und sich die Kakerlake zudem sehr schnell an diese Schmerzen gewöhnt.
Schaben als intelligente Sensoren im Katastrophenschutz
Forscher der North Carolina (NC) State University gehen über die Spielidee einen großen Schritt hinaus. Sie greifen auf Microsofts Gesten- und Bewegungssteuerung Kinect zurück, um die Schaben als intelligente Sensoren einzusetzen. Sie sollen beispielsweise in zerstörten Gebäuden verschüttete Erdbebenopfer aufspüren.
Die Technik selbst ist die gleiche: Der auf dem Rücken fixierte Chip gibt Stromstöße über die Fühler an das Tier weiter, ein weiteres Kabel in den Körper des Tieres gibt den Impuls loszulaufen. „Schaben sind von Natur aus gewöhnt, sich auch auf schwierigem Terrain zu bewegen“, sagt etwa Alper Bozkurt, Assistenzprofessor für Computer- und Elektrotechnik an der NC State University. „Die Vision unseres Projektes ist es, verschiedene Vermessungs- und Funkfrequenztechnologien zu integrieren, die es uns ermöglichen, eine kleine Gruppe von Schaben einzusetzen, um Katastrophenschauplätze zu erkunden. Das Autopilot-Programm würde dann die Insekten automatisch auf die effektivsten Routen schicken, die den Rettungskräften schnellstmöglich einen umfassenden Überblick über die aktuelle Situation verschaffen.“
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