Fische im Trüben haben einen Infrarot-Blick
Was bis vor kurzem noch als ausgeschlossen galt, ist jetzt bewiesen: Fische in trüben Gewässern orientieren sich mit Infrarot-Licht. Die neuen Erkenntnisse bieten Wissenschaftlern völlig neue Möglichkeiten für weitere Studien.
Was Menschen gar nicht wahrnehmen können, dient einigen Fischarten als einzige Orientierung: Infrarot-Licht. Je trüber der Lebensraum der jeweiligen Fischart, desto besser kann sie das Infrarot-Licht nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Hohenheim. Im trüben Wasser werden Teile des sichtbaren Lichts an Mikropartikeln gestreut und absorbiert. Damit wird eine klare Sicht verhindert. Das langwelligere rote und infrarote Licht wird nicht so stark gestreut, daher erhöht sich sein relativer Anteil im trüben Wasser deutlich. „Ganz offensichtlich haben sich Fische diesen Umstand im Laufe der Evolution zunutze gemacht“, sagt Dr. Denis Shcherbakov, der die Arbeitsgruppe Magnetobiology and Animal Orientation an der Universität Hohenheim leitet.
Die Studie ist die Folge einer Zufallsentdeckung. Im Zusammenhang mit einem anderen Experiment bemerkten die Forscher, dass Fische infrarotes Licht wahrnehmen. Sie entwickelten zunächst ein Experiment, um das nachzuweisen. Das Ergebnis: Bestimmte Fischarten schwammen gezielt auf eine infrarote Lichtquelle zu. Dann begannen die Forscher mit systematischen Studien, um die ökologische Bedeutung des Infrarot-Sehens zu untersuchen.
Individuelle Sehgrenzen verschiedener Fischarten
Die Ergebnisse der Studien mit Nil- und Mosambik-Buntbarschen, die in trübem Wasser leben, und den Klarwasserfischen Guppys und Schwertträger zeigen, dass die Fische sich evolutionär an ihren jeweiligen Lebensraum angepasst haben. „Am lichtempfindlichsten waren Nil- und Mosambik-Buntbarsche, die beiden Spezies aus dem trüben Lebensraum. Sie nahmen die infrarote Strahlung bis zu einem Spektralbereich von über 930 nm wahr“, fasst Shcherbakov zusammen. Die Lichtempfindlichkeit der Klarwasserfische erwies sich als viel geringer. Shcherbakov: „Guppys und Zebrafische zeigten bereits ab Wellenlängen über 910 nm keinerlei Reaktion. Der Schwertträger reagierte sogar nur auf Wellenlängen bis zu 845 nm.“
Dieses Wissen eröffnet den Forschern neue Beobachtungsmöglichkeiten für Verhaltensstudien. „Wenn wir die individuellen Sehgrenzen der verschiedenen Fischarten kennen, können wir die Fische bei Lichtwellen beobachten, die für Beobachtungskameras sichtbar sind, während sich der Fisch in völliger Dunkelheit wähnt. Das ist für alle Studien wichtig, in denen eine störende Wirkung vom wahrnehmbaren Licht sicher ausgeschlossen werden muss.“ Dafür werden spezielle LED-Lampen verwendet, die infrarotes Licht eines genau definierten Spektrums ausstrahlen, das die Fische nicht wahrnehmen können. Am Zebrafisch wollen die Forscher nun außerdem untersuchen, welche Gene für Infrarot-Empfindlichkeit verantwortlich sind.
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