Forschen bei minus 30 Grad und Windgeschwindigkeiten bis zu 350 km/h
In einem neuen Vereisungswindkanal können Maßnahmen gegen die Eisbildung auf Flugzeugtragflächen, an Schiffen oder Windkraftanlagen jetzt realitätsnah getestet werden. Die Forscher erhoffen sich dadurch besseren Eisschutz, der gleichermaßen Unfallgefahren und Kosten reduziert.
Das neue Eislabor ist nur so groß wie ein geräumiges Wohnzimmer – aber der Forschung soll es gewaltige Fortschritte bringen. Kernstück der Einrichtung am Bremer Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) ist ein Vereisung-Windkanal, in dem Temperaturen bis minus 30 Grad und Windgeschwindigkeiten bis zu 350 km/h erzeugt werden können. Darin werden nun Materialien getestet, die die Eisbildung an Oberflächen hemmen sollen.
Die Wissenschaftler am IFAM arbeiten beispielsweise an heizbaren oder wasserabweisenden Beschichtungen, die in herkömmlichen Lack-Spritzverfahren kostengünstig aufgebracht werden können. Eine andere Möglichkeit sind Oberflächen mit Nanostrukturen oder in den Lack integrierte Substanzen, die die Anhaftung von Eis erschweren.
Im Extremfall droht der Absturz
Der neue Windkanal ermöglicht jetzt die präzise Simulation von Wetterbedingungen und den realitätsnahen Test der unterschiedlichen Verfahren. Die „Wassereindüsung“ und die Luftfeuchtigkeit werden genau gesteuert, während eine Infrarotkamera den Vereisungsprozess sowie die Wärmeverteilung auf den Oberflächen aufzeichnet. Die Anlage steht nicht nur den Institutsmitarbeitern, sondern auch Partnern aus der Wirtschaft offen.
Und die sind sehr interessiert, denn Eisbildung ist ein großes und vielfältiges Problem, das hohe Kosten verursacht. Vereisung an den Tragflächen von Flugzeugen beispielsweise kann im Extremfall zum Absturz führen. In jedem Fall aber verschlechtert sie die aerodynamischen Eigenschaften der Maschinen, wodurch sich etwa die Startstrecke verlängert – mitunter müssen sogar Starts abgebrochen werden. Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit kann der Luftwiderstand des Flugzeugs durch eine Eiskruste um bis zu 40 Prozent steigen. Außerdem wird das Flugzeug schwerer, der Auftrieb sinke um bis zu 30 Prozent. Der Treibstoffverbrauch steigt damit deutlich. Um solche teuren und teils gefährlichen Ereignisse zu verhindern, enteist allein am Flughafen München die dort zuständige Firma EFM bis zu 14.000 Flugzeuge pro Jahr.
Türme von Windkraftanlagen geraten in Schwingung
Auch Windkraftanlagen verlieren durch Eis an den Rotoren deutlich an Leistung. Hinzu kommt, dass sich die Bewegung der Rotoren durch das ungleich verteilte Gewicht verändert und sogar der Turm in Schwingung geraten kann. In seltenen Fällen schleudern die Windräder Eisbrocken in die Luft, die Passanten treffen können. Auch die Hersteller von Autos, Schiffen, Klima- und Kühlanlagen setzen auf die Forschung im Windkanal, um Leistungsverluste und Folgeschäden zu reduzieren.
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