Forscher machen Alterungsprozess von Mäusen rückgängig
Der menschliche Alterungsprozess ist zukünftig vielleicht keine Einbahnstraße mehr: Durch die Hemmung eines Proteins ist es Wissenschaftlern jetzt erstmalig gelungen, dass sich gealterte Blutstammzellen von Mäusen neu organisieren und nachhaltig verjüngen.
RhoGTPase Cdc42 ist nicht etwa ein perfektes, weil schwer zu knackendes Passwort, es ist ein Protein, ein gemeines Protein obendrein, denn es lässt unsere blutbildende Stammzellen altern. Wissenschaftler um Hartmut Geiger, Professor für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Ulm, konnten jetzt in Experimenten an gentechnisch veränderten Mäusen nachweisen: Je aktiver das Protein war, desto schneller alterten die Zellen.
Blutzellen müssen immer wieder erneuert werden
Blutbildenden Stammzellen befinden sich vor allem im Knochenmark. Und dort bilden sie Tag für Tag Milliarden von Blutzellen. Das sind die für den Sauerstofftransport verantwortlichen roten Blutkörperchen, die für die Immunabwehr zuständigen weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen, die bei der Blutgerinnung unersetzlich sind. Alle diese Blutzellen haben eine sehr begrenzte Lebensdauer. Es ist daher lebenswichtig, dass sie ständig von den Blutstammzellen erneuert werden.
Wenn diese blutbildenden Stammzellen altern, so wird ihre Fähigkeit, Blutzellen zu bilden, gestört. Somit wird die Immunabwehr schwächer und die Anzahl der roten Blutkörperchen schwindet. Die Folge ist die sogenannte altersbedingte Blutarmut, die mit einer allgemeinen Schwächung des Körpers verbunden ist.
Forscherteam aus Ulm macht Alterungsprozess rückgängig
Dem Ulmer Forscherteam ist es nun gelungen, diesen Prozess nicht nur zu verlangsamen, sie konnten ihn sogar umdrehen. Sie schafften es bei ihren gentechnisch veränderten Mäusen, dass sich gealterte Blutstammzellen neu organisieren und nachhaltig verjüngen, wenn die Aktivität des Proteins genügend gehemmt wird.
Dieses Ergebnis präsentieren die Ulmer Forscher im Fachmagazin Forschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). „Der Alterungsprozess konnte also an diesem Punkt rückgängig gemacht werden“, sagt Geiger. „Dieser Ansatz könnte zunächst in der Maus dazu beitragen, dass ihr Immunsystem auch im Alter noch gut funktioniert und die altersbedingte Blutarmut verlangsamt wird.“ Damit haben die Ulmer Stammzellenforscher eine wichtige Erkenntnis geliefert. „Die Alterung auf molekularer und zellulärer Ebene muss keine Einbahnstraße sein“, sagt Geiger.
Konkrete Therapien noch nicht in Aussicht
Die Ergebnisse aus Ulm sind Grundlagenforschung, es geht noch lange nicht um konkrete Therapien. Vor allem geht es darum, zu verstehen, wie diese Mechanismen der Zellalterung überhaupt funktionieren. Denn alle Zellen, nicht nur die blutbildenden Stammzellen, durchlaufen einen Alterungsprozess und lassen dabei Federn, das heißt, sie können ihre Funktionen nur noch eingeschränkt leisten.
Es sind derzeit noch Modellorganismen, die den Forschern dabei helfen sollen, diese Alterungsprozesse besser zu verstehen. Es ist die Maus, die Fruchtfliege, der Fadenwurm oder auch Hefe. Denn diese Modellorganismen bringen einen enormen Vorteil mit: Sie altern allesamt schnell, Hefezellen etwa in wenigen Tagen, die Maus in rund drei Jahren.
Verschiedene Forschergruppen konnten zeigen, dass manche der bereits identifizierten Alterungsmechanismen in all diesen Modellorganismen absolut vergleichbar ablaufen. Die Hefe altert auf der zellulären Ebene genauso wie der Fadenwurm, die Fruchtfliege und die Maus. Eine Übertragbarkeit dieser identifizierten Altersmechanismen auf den Menschen ist also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit möglich.
Manche Alterungsprozesse scheinen universell zu sein
Ein solcher universeller Alterungsmechanismus sind die sogenannten Telomere, das sind die Endstücke des Trägers unseres Erbgutes, der Chromosomen. Für deren Entdeckung sind die US-Zellbiologen Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak vor vier Jahren mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Diese Telomere sorgen ganz ähnlich wie die Endstücke eines Schnürsenkels dafür, dass die Chromosomen an ihren Enden nicht ausfransen. Allerdings verkürzen sich diese Telomere mit jeder Zellteilung. Irgendwann ist die kritische Länge erreicht und die Zelle hört auf sich zu teilen – sie stirbt.
Telomerase verlängert die Telomere immer wieder
Dieser bei Mensch und Tier gleichsam vorhandene Alterungsmechanismus hat einen Gegenspieler. Das ist das Protein Telomerase. Dieser natürliche Jungbrunnen verlangsamt den Alterungsprozess, indem es die Telomere immer wieder verlängert. Doch leider verfügen nicht alle unsere Zellen über genügend Telomerase.
Die Pharmaforschung ist daher mit Feuereifer dabei, Telomerase-Medikamente zu entwickeln. Denn wer tatsächlich eine wirksame Jungbrunnen-Pille auf den Markt bringen kann, hätte die ultimative Lizenz zum Geldverdienen in der Tasche. Die Sache hat allerdings einen nicht ganz unwichtigen Haken: Nicht nur Stammzellen verfügen über Telomerase, sondern leider auch die meisten Krebszellen.
Die meisten Krebszellen sind voll mit Telomerase
„95 Prozent aller Arten von Krebszellen enthalten sehr hohe Mengen an Telomerase“, erklärt Maria Blasco vom Nationalen Krebsforschungszentrum Centro Nacional de Investigaciones Oncológicas CNIO in Madrid. Die Gabe von Telomerase-Medikamenten würde damit zwar das Altern der Körperzellen verlangsamen, gleichzeitig aber das Risiko für Tumorerkrankungen erhöhen. Ein Teufelskreis. Doch Maria Blasco beruhigt: „Wenn solche Arzneien nur kurz eingenommen werden, ist die von ihnen ausgehende Krebsgefahr nicht allzu hoch, sofern man die Mittel richtig dosiert.“
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