Forscher enträtseln Schokolade im Röntgengerät
Deutsche Wissenschaftler konnten jetzt erstmals direkt verfolgen, wie die weiße Fettschicht an die Oberfläche der Schokolade kommt. Dafür nutzten sie Petra III – eine der leistungsstärksten Röntgenstrahlungsquellen der Welt.
Den nicht gerade appetitlichen Anblick einer Schokolade, die mit einem weißen, fleckigen Belag überzogen und deshalb grau und glanzlos geworden ist, kennt wohl jeder Schokiliebhaber. Kenner der schokoladigen Materie werden auch wissen, dass es sich bei diesem sogenannten Fettreif nur um eine dünne Schicht von Fettkristallen handelt, die nicht gesundheitsschädlich sind und auch nicht mit Schimmel verwechselt werden dürfen. Dennoch ist das frische, glänzende und verführerische Aussehen der Schokolade hin und das führt letztlich durch Ausschuss und Reklamationen zu Millionenschäden in der Lebensmittelindustrie.
Auslöser des Fettreifs sind meist Temperaturschwankungen in der Schokolade
„Trotzdem weiß man bisher relativ wenig über die Entstehungsprozesse des Fettreifs“, sagt Svenja Reinke von der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH). Gemeinsam mit einem Team vom Lebensmittelkonzern Nestlé und Wissenschaftlern des Deutschen Elektronen-Synchrotons DESY hat Reinke eine Schoko-Studie durchgeführt, die der Frage nachgeht, wie die Fette aus dem Innern der Schokolade an die Oberfläche wandern und dort kristallisieren.
Auslöser des Fettreifs ist fast immer eine zu warme Lagerung. Je länger die Schokolade dann liegt, desto mehr Zeit hat das Fett, an die Oberfläche zu wandern. Um dieser Fettwanderung auf die Spur zu kommen, mussten die Forscher versuchen, in die innersten Strukturen der Schokolade zu sehen.
Dafür eignete sich der Ringbeschleuniger Petra III mit seinem extrem intensiven Lichtstrahl. Er ist mit 2,3 Kilometern Länge der zweitgrößte Ringbeschleuniger bei DESY in Hamburg und wurde vor einigen Jahren umgebaut sowie zum Teil komplett erneuert. Jetzt gehört er im Bereich der Röntgenstrahlung mit zu den besten Quellen der Welt.
Das flüssige Fett verändert die inneren Strukturen der Schokolade
Um die Fettmigration zu untersuchen, tropften die Forscher jeweils etwas Sonnenblumenöl auf ihre Proben und beobachteten die Folgen. „Innerhalb von Sekunden kommt es zur Benetzung, das Öl dringt sehr schnell auch in die kleinsten Poren ein, wahrscheinlich durch Kapillarkräfte“, berichtet Reinke.
Zum anderen ändert das flüssige Fett die innere Struktur der Schokolade. „Das flüssige Fett löst über einen Zeitraum von Stunden weitere Fettkristalle auf, wodurch die gesamte Struktur der Schokolade weicher wird. Das erhöht wiederum die Fettmigration.“
Konkrete Ansätze für die Lebensmittelindustrie
„Zum ersten Mal konnten wir die dynamischen Mechanismen, die zur Bildung des Fettreifs führen, im Detail direkt verfolgen“, erläutert DESY-Forscher Stephan Roth, Leiter der Messstation, an der die Versuche stattfanden. „Die verwendete Methode, die Röntgenkleinwinkelstreuung, ist genau auf derartige Echtzeituntersuchungen und auf die Beobachtung der Änderungen der Struktur durch das Öl angepasst. Die gemeinsame Studie liefert uns wertvolle Informationen, wie wir Strukturänderungen in derartigen ‚alltäglichen‘ Mehrkomponentensystemen untersuchen können.“
Auch für die Lebensmittelindustrie ergeben sich konkrete Ansätze, um den Fettreif zu reduzieren. „Eine Konsequenz wäre beispielsweise, die Porosität der Schokolade bei der Herstellung zu begrenzen, damit das Fett langsamer wandert“, sagt Reinke. „Eine weitere ist die Begrenzung des Flüssigkeitsanteils durch eine kühle, allerdings nicht zu kalte Lagerung. 18 Grad Celsius sind ideal.“
Darüber hinaus spielt die Kristallform in der Schokolade eine wichtige Rolle. „Kakaobutter kristallisiert in sechs verschiedenen Kristallformen und der Flüssiganteil hängt auch von der Kristallform ab“, so Reinke. Auch über eine Kontrolle der Kristallisation könnten Hersteller die Fettreifbildung beeinflussen.
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