Forscher entwickeln ein Thermometer für den Ozean
Eine Art Fieberthermometer für die Ozeane hat ein internationales Forscherteam entwickelt. Der Trick: Durch die Messung der atmosphärischen Edelgase Krypton, Xenon und Argon in winzigen im ewigen Eis der Antarktis eingeschlossenen Luftbläschen können die Wissenschaftler die Wassertemperatur in der Vergangenheit bestimmen.
2,6 Grad Celsius: Um diese Temperatur haben sich die Weltmeere beim Übergang der letzten Eiszeit zur aktuellen Warmzeit in einem Zeitraum von 10.000 Jahren erwärmt. Das hat ein internationales Forscherteam im Rahmen des US-amerikanischen Forschungsprojekts WAIS (West Antarctic Ice Sheet) Divide Ice Core Project herausgefunden, an dem auch das Schweizer Forschungsinstitut Empa beteiligt ist. Dem Forscherverbund ist es gelungen, ein Fieberthermometer für die Meere zu entwickeln.
Grundlage für das Meeresthermometer sind Eisbohrkerne, die in der Antarktis gezogen wurden. Solche Eisbohrkerne sind die einzige Quelle für Proben aus der frühen Erdatmosphäre und deshalb für die Paläoklimaforschung extrem wertvoll. Sie erlauben den Forschern einen Blick in die ferne Vergangenheit. Bis zu 24.000 Jahren zurück reicht die Zeitreise zu den vergangenen Durchschnittstemperaturen der Weltmeere.
Ergebnisse abhängig von Ort, Jahreszeit und Meerestiefe
Die Weltmeere sind der größte globale Wärmespeicher. Rund 90 Prozent der vom Menschen verursachten Erderwärmung nimmt dieser Riesenspeicher auf. „Allerdings ist es schwierig, einen genauen Durchschnittswert über alle Meerestiefen und Weltregionen hinweg zu bestimmen“, schreiben die Forscher um Bernhard Bereiter, der am Empa-Institut und an der Universität Bern tätig ist, in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature. Denn zumeist hängen die Messergebnisse bisheriger Messverfahren stark von Ort, Jahreszeit und Meerestiefe der Messungen ab. Diese Einflüsse führen dazu, dass die Ergebnisse verzerrt und damit ungenau sind.
Krypton, Xenon und Argon als Messfühler
Die Wissenschaftler behelfen sich für ihr Ozeanthermometer mit einem Trick. Sie versuchen erst gar nicht, die Wassertemperatur in der Vergangenheit zu bestimmen, sondern widmen sich der im ewigen Eis eingeschlossenen Luft. „Die Schichten des ewigen Eises bilden ein Archiv der Atmosphäre, in der nicht nur Staubpartikel und Feststoffe, sondern auch Luft eingeschlossen ist“, berichtet das Empa-Institut.
In diesen winzigen Luftbläschen befinden sich nicht nur die Treibhausgase Methan und Kohlendioxid, sondern auch Edelgase wie Krypton, Xenon und Argon, deren Konzentration eng mit der Wassertemperatur zusammenhängt. „Abkühlendes Wasser nimmt Edelgase aus der Atmosphäre auf, wohingegen warm werdendes Wasser Edelgase an die Atmosphäre abgibt“, beschreiben die Forscher in Nature das Prinzip ihrer Messmethode.
Rückschluss auf die durchschnittliche globale Meerestemperatur
Durch diese Bestimmung der Edelgaskonzentration erhalten die Wissenschaftler einen Blick auf die durchschnittliche globale Temperatur der Meere. Und zwar nicht auf die wärmere Meeresoberfläche bezogen, sondern auf die über die gesamte Wassersäule bis unten zum Meeresgrund gemittelte Temperatur. „Unsere Studie zeigt erstmals ganz klar, dass die Grundidee – die Verbindung zwischen der Konzentration von Edelgasen in der Atmosphäre und der durchschnittlichen Ozeantemperatur – stimmt und die Methode funktioniert“, sagt Bernhard Bereiter.
Globale Erwärmung kommt mit kleinen Schritten
Die Datenauswertung zeigte zudem, dass der Anstieg der durchschnittlichen globalen Meerestemperatur stark mit der Lufttemperatur in der Antarktis zusammenhängt. Ein deutlicher Hinweis auf die dominante Rolle der südlichen Hemisphäre auf das globale Klima.
Ein Manko hat das Ozeanthermometer bislang aber noch. Es ist viel zu ungenau, um aktuelle Temperaturveränderungen erfassen zu können. Denn diese sind viel kleiner, als die beim Übergang der letzten Eiszeit zur aktuellen Warmzeit aufgetretenen Temperatursprünge. Die globale Erwärmung schleicht sich eben mit kleinen Schritten heran, nicht mit großen Sprüngen.
Wer übrigens glaubt, unter dem Eispanzer der Antarktis gäbe es kein Leben, der täuscht sich. US-Forscher haben dort Tausende von Mikroorganismen gefunden.
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