Forscher lösen Rätsel der elektrostatischen Aufladung
Bislang konnte die Wissenschaft die elektrostatische Aufladung nur schwer erklären. Forschende aus Österreich bringen Ordnung ins Chaos.
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Ein elektrostatisch aufgeladener Luftballon lässt die Haare zu Berge stehen. Doch was passiert genau? Forschende haben sich des Rätsels angenommen.
Foto: PantherMedia / iuricazac
Ob ein unerwarteter elektrischer Schlag beim Berühren einer Metalltürklinke, ob sich die Haare nach dem Kontakt mit einem Luftballon aufstellen oder ob Styropor am Pullover klebt – statische Aufladung begegnet uns täglich. Obwohl das Phänomen bereits in der Antike beschrieben wurde, ist es bis heute nicht vollständig verstanden. Forschende des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) haben nun herausgefunden, dass die Kontakthistorie von Materialien einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wie sie Ladung austauschen.
Scott Waitukaitis, Assistenzprofessor am ISTA, betont: „Es gibt kein Entkommen vor der Kontaktelektrisierung; jeder erlebt sie. Deshalb mag es uns überraschen, dass wir nicht genau verstehen, wie es passiert.“ Bisher konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur schwer erklären, warum sich verschiedene Materialien unterschiedlich aufladen.
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Chaotische Experimente ohne klare Muster
Besonders bei elektrischen Isolatoren wie Kunststoffen war die Ladungsübertragung schwer vorherzusagen. In den 1950er Jahren wurde bereits erklärt, wie Metalle Ladung austauschen, doch bei Isolatoren blieben viele Fragen offen. Eine sogenannte „triboelektrische Reihe“ sollte helfen: Sie ordnet Materialien nach ihrer Ladungsneigung an. Doch das Problem war, dass verschiedene Experimente oft widersprüchliche Ergebnisse lieferten.
Waitukaitis beschreibt es als ein „totales Chaos“, da Versuche mit denselben Materialien oft unterschiedliche Resultate zeigten. Selbst identische Stoffe wie zwei gleiche Luftballons verhielten sich nicht einheitlich. Die entscheidende Frage blieb unbeantwortet: Was bestimmt, in welche Richtung die Ladung fließt?
Ein neuer Ansatz bringt Klarheit
Das Team von Waitukaitis und Juan Carlos Sobarzo suchte gezielt nach einer Antwort und stellte eine spannende Hypothese auf: „Die Kontakthistorie der Materialien beeinflusst ihre Ladungsübertragung“. Bisher wurde dieser Faktor kaum berücksichtigt.
Um ihre Theorie zu testen, verwendeten sie Polydimethylsiloxan (PDMS), ein silikonbasiertes Polymer. Sie wiederholten Experimente mit denselben Proben und stellten fest: Nach etwa 200 Berührungen entwickelten die Proben ein vorhersehbares Ladeverhalten. Materialien mit mehr Kontakten luden sich systematisch negativer auf als solche mit weniger Kontakten.
Sobarzo beschreibt den Moment der Erkenntnis so: „Ich nahm einen Satz Proben, die ich mehrfach genutzt hatte, und plötzlich ordneten sie sich in einer klaren Reihenfolge an.“ Beim erneuten Testen mit frischen Proben ergaben sich anfangs jedoch wieder zufällige Ergebnisse. Erst durch mehrfachen Kontakt stellte sich Ordnung ein.
Glattere Oberflächen beeinflussen die Ladung
Aber warum beeinflusst die Kontakthistorie die Ladung? Das Team suchte nach einer physikalischen Veränderung der Oberfläche und wurde fündig: Durch wiederholten Kontakt glätteten sich mikroskopische Unebenheiten der Materialien. Diese Veränderung auf nanometrischer Ebene könnte der entscheidende Faktor für die Ladungsübertragung sein.
Wie genau diese Glättung die elektrische Ladung beeinflusst, ist noch nicht restlos geklärt. Doch die Erkenntnisse sind wegweisend für das Verständnis elektrostatischer Phänomene. „Wir haben es geschafft, einen großen Hinweis auf einen schwer fassbaren Mechanismus zu liefern“, sagt Sobarzo.
Neues Verständnis der statischen Elektrizität
Diese Forschungsergebnisse könnten dazu beitragen, elektrostatische Effekte gezielt zu steuern. In der Industrie, etwa in der Halbleiterfertigung oder bei der Vermeidung von unerwünschter Staubanziehung, sind diese Erkenntnisse besonders wertvoll.
Waitukaitis zeigt sich begeistert: „Wir haben bewiesen, dass die Wissenschaft der statischen Elektrizität nicht mehr so hoffnungslos ist.“ Durch diese neuen Einsichten entsteht eine Ordnung, wo vorher nur Chaos war.
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