Forschungsschiff Polarstern kehrt zurück – Forscher beantworten Fragen zum Klimawandel
Das Forschungsschiff „Polarstern“ ist zurück in Bremerhaven. Forscher aus 20 Nationen haben sich vor einem Jahr auf die einzigartige Mission zum Arktischen Ozean begeben. Jetzt bringen sie erstaunliche Erkenntnisse für die Klimaforschung zurück.
Noch nie hat es solch eine große Forschungsexpedition in die Arktis gegeben. 300 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben sich unter dem Projektnamen „Mosaic“ über ein Jahr auf dem Eisbrecher befunden – eingefroren im arktischen Meereis. Nun kehren sie zurück. Viele Menschen fragen sich, ob das die letzte Eismeer-Expedition der Menschheit war und welche Erkenntnisse die Forscher über den Klimawandel mit bringen. So viel vorab: Eine zweite Mission solch eines Ausmaßes wird es tatsächlich nicht mehr geben.
Aufbruch des Polarsterns: So ging alles los
Seit Herbst 2019 driftet der deutsche Forschungseisbrecher Polarstern eingefroren durch das Nordpolarmeer. Die Expedition „Mosaic“ brach mit Forschern aus 20 Nationen und Seeleuten von Bremerhaven aus Richtung Nordpolarmeer auf. Auf einer 2,5 mal 3,5 Kilometer großen Eisscholle befanden sich die Messstationen. Über Wege für Motorschlitten und Stromleitungen entstand eine richtig kleine Forschungsstadt. Sechs weitere Eisbrecher und Forschungsschiffe versorgten die Crew.
Von der Corona-Pandemie bekommen die Wissenschaftler wenig mit. Der Leiter der Expedition, Markus Rex, äußerte sich über die virenfreie Zeit in der Arktis.
„Wir werden ein virenfreies Team sein ohne Kontaktbeschränkungen“, sagte Rex. „Wir können Partys feiern, wie das in dieser Form zu Hause noch nicht möglich ist.“
Es ist dennoch keine Urlaubsfahrt, sondern eine Dienstreise. Rex und seine Kollegen sind nachträglich im Mai aufgebrochen. Sie befanden sich dafür in Quarantäne. Die Maßnahmen orientieren sich an Quarantäneregelungen für Weltraummissionen. Coronatests hätten ergeben, dass niemand mit dem Virus infiziert sei. Die Wissenschaftler haben Forscher an Bord der „Polarstern“ abgelöst, die bereits seit Monaten durch die Arktis fahren.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) leistete auch einen Beitrag zur Mosaic-Expedition im Nordpolarmeer. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sendete die Dfg die beiden Forschungsschiffe „Sonne“ und „Maria S. Merian“ nach Spitzbergen. Dort trafen sie mit dem Eisbrecher „Polarstern“ zusammen und vollzogen einen vollständigen Teamwechsel.
„Wir freuen uns, dass wir die MOSAiC-Expedition auf diese Weise unterstützen können“, sagte Dfg-Präsidentin Katja Becker. „Dadurch bewahren wir das Projekt vor einem vorzeitigen Abbruch und damit die Wissenschaft insgesamt vor dem Verlust äußerst wertvoller Daten.“
Seit 1999 ist die Polarstern in den Sommermonaten immer wieder Stammgast in der Arktis.
Autonome Messgeräte auf der Polarstern
Gleich mehrere neuentwickelte autonome Messgeräte hat die Polarstern bereits an Bord gehabt. Sie ergänzten am Meeresboden, in der Wassersäule und in der Luft die Langzeitmessungen in der Übergangszone zwischen dem nördlichen Nordatlantik und dem zentralen Arktischen Ozean. Mit der Technik haben die AWI-Forscher des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung mit höherer zeitlicher und räumlicher Auflösung die klimatischen Veränderungen in der Arktis und deren Auswirkungen auf die Lebenswelt vor Ort analysiert. Dafür wurde der Unterwasserroboter Tramper am Meeresboden der Arktis ausgesetzt.
Auf jede Messung folgt einwöchiger Tiefschlaf
Der Unterwasseroboter ist nicht auf eine hohe Geschwindigkeit oder eine weite Fahrstrecke ausgelegt, sondern auf einen möglichst energiesparenden Betrieb. „Tramper fährt mit einem Tempo von maximal 13 Meter pro Minute, eine Geschwindigkeit bei der bereits eine unerwünschte Sedimentwolke entstehen kann“, erklärt Awi-Ingenieur Johannes Lemburg. Eigenständig und ohne Fernsteuerung kann Tramper jeweils eine kurze Wegstrecke fahren. Er fotografiert die Messstelle und führt die Sauerstoff-Profilmessungen durch. Danach fällt Tramper in einen einwöchigen Tiefschlaf, bevor sich die langsame Prozedur wiederholt.
Podcast-Tipp: Einblicke in die Polarstern-Expedition
In einer Episode von „Technik aufs Ohr“ begeben sich die VDI-Moderatoren mit Dietrich Althausen auf eine Reise in die Arktis. Er war nämlich an der Expedition der Polarstern beteiligt. Was er dort alles gesehen und erforscht hat und wie es um die Arktis steht, hören Sie hier.
Dietrich Althausen ist Senior Scientist am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e.V. und ehrenamtlich im VDI an der Erstellung von Richtlinien zur bodengebundenen Fernmessung beteiligt.
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Paul schwimmt über Tramper hinweg
Damit es dem Tramper am Meeresboden nicht zu langweilig wurde, zog Paul unermüdlich seine Kreise über ihm. Das autonome Unterwasserfahrzeug (AUV) namens Paul schwamm auf festgelegtem Kurs durch das arktische Wasser und sammelte eifrig Proben ein, aus denen die Wissenschaftler an Bord der Polarstern die Kleinstlebewesen des Planktons filterten und bestimmten.
Paul ist wie ein kleines Labor: Er misst die Wassertemperatur, den Salzgehalt, die Nitrat-Konzentration, Chlorophyll und Sauerstoff sowie verschiedene organische Substanzen und die Intensität photosynthetisch aktiver Strahlung. Ein eingebauter akustischer Doppler-Strömungsmesser kann die physikalischen Eigenschaften entlang der Schmelzwassergrenze im Eisrandbereich des Arktischen Ozeans untersuchen.
Polarstern: UAV unterstützt AUV
Unterstützung bekam das AUV namens Paul durch sogenannte UAV, das sind unbemannte autonome Fluggeräte. Diese Unmanned Aerial Vehicle zeichnen neben der Eisbedeckung auch die Dicke der Schneeauflage auf. So lässt sich bilanzieren, welchen Anteil die Sonneneinstrahlung als Energie im Ozean unter dem Eis hat.
Ein UAV platzierte GPS-Sender auf dem Meereis, um den Drift des Meereises zu erfassen. Die von den Drohnen erfassten Daten wurden genutzt, um die Route von Paul zu programmieren. Der koordinierte Einsatz der Messgeräte ergänzte die Langzeitmessungen, die die Wissenschaftler zwischen Spitzbergen und Grönland durchführten.
War es die letzte Mission in die Arktis?
Es war wohl eine der letzten Gelegenheiten, um eine Mission zur Arktis zu schicken. Durch den Klimawandel erhitzt sich keine Region der Erde so schnell wie die Arktis. Allerdings steckt die Klimaforschung vor allem um den Nordpol noch in den Kinderschuhen. Insbesondere aus dem Winter gibt es kaum Messungen. Die Mosaic-Expedition soll hier für einen Meilenstein sorgen.
„Ganz vereinfacht gesagt, ist es in etwa so, als würde jemand eine mechanische Uhr finden und nun versuchen, detailgetreu zu verstehen, wie sie funktioniert“, sagt Markus Rex.
Um das Klimasystem der Zentralarktis zu durchschauen, haben die Forscher 100 Parameter gemessen. Die Messungen reichten von dem 4000 Meter tiefen Meeresgrund bis hin zu 35.000 Meter hoch in die Stratosphäre. Unter anderem wurde erfasst, wie Wolken mit Sonnenlicht interagieren. Des Weiteren haben sie untersucht, was passiert, wenn die Schicht aus Eis und Schnee Risse bekommt.
Markus Rex blickt auf die Erkenntnisse: „Ich bin überwältigt davon, dass das Konzept von Mosaic aufgegangen ist“, sagt er. „Mit unseren unzähligen Beobachtungen werden wir nun in der Lage sein, die komplexen Wechselwirkungen im Klimasystem zwischen Atmosphäre, Eis und Ozean besser in Klimamodellen darzustellen. Schon bald bekommen wir dadurch ein deutlich klareres Bild, welche Auswirkungen die Erwärmung der Arktis auf das globale Klima hat.“
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