Fossile Fußabdrücke belegen Koexistenz zweier Menschenarten
Faszinierende Einblicke in die Evolution: Fossile Fußabdrücke in Kenia zeigen, dass die beiden frühen Menschenarten Homo erectus und Paranthropus boisei denselben Lebensraum zur gleichen Zeit teilten.
Vor 1,5 Mio. Jahren hinterließen zwei verschiedene Arten von Homininen ihre Spuren in der heißen Savannenlandschaft in der Nähe des Turkana-Sees im heutigen Kenia. Und das fast gleichzeitig. Der Fund liefert daher spannende Einblicke in die Koexistenz früher Menschenarten – in diesem Fall von Homo erectus und Paranthropus boisei, zwei wichtigen Arten des Pleistozäns.
Inhaltsverzeichnis
Momentaufnahmen des Lebens
Fossile Fußabdrücke gelten als wertvolle Zeugnisse der Vergangenheit, die mehr verraten können als Knochen oder Werkzeuge. „Fossile Fußabdrücke sind spannend, weil sie lebendige Momentaufnahmen liefern, die unsere fossilen Verwandten zum Leben erwecken“, sagt Kevin Hatala, Biologieprofessor an der Chatham University in Pittsburgh und Erstautor der Studie. Anders als Skelette zeigen Fußspuren, wie sich Individuen in ihrer Umwelt bewegten und wie sie möglicherweise interagierten – untereinander oder mit anderen Tieren.
Die Fußabdrücke sind sogenannte Spurenfossilien, die nicht nur Informationen über die Anatomie, sondern auch über Verhalten und Fortbewegung preisgeben. Sie zeigen, wie frühere Menschenarten in einer dynamischen Umgebung lebten und die Herausforderungen von Nahrungssuche und Räuberabwehr bewältigten.
Zwei Arten – ein Lebensraum
Die Entdeckung fossiler Fußabdrücke belegt, dass Homo erectus und Paranthropus boisei nicht nur zeitgleich lebten, sondern auch denselben Lebensraum teilten. Craig Feibel, Geologe und Anthropologe an der Rutgers University, erklärt, dass die Spuren innerhalb weniger Stunden auf weichem Sediment an einem Seeufer entstanden sind. „Ihre Anwesenheit auf derselben Oberfläche […] weist darauf hin, dass sich die beiden Arten am Seeufer aufhielten und denselben Lebensraum nutzten“, so Feibel.
Homo erectus war eine anpassungsfähige und technologisch fortschrittliche Spezies, die als direkter Vorfahre moderner Menschen gilt. Ihre Fähigkeit, sich in unterschiedlichen Klimazonen zurechtzufinden, trug maßgeblich zu ihrem langfristigen Überleben bei. Paranthropus boisei hingegen war eine spezialisierte Art mit robuster Körperstruktur und ausgeprägten Kaumuskeln, die optimal an ihre Ernährungsweise angepasst war. Dennoch verschwand diese Art etwa 1 Mio. Jahre später.
Beide Homininen-Arten zeichneten sich durch aufrechten Gang und hohe Mobilität aus, doch wie sie miteinander interagierten, bleibt unklar. Hatten sie eine Form der Zusammenarbeit entwickelt, um die Herausforderungen ihres Lebensraums zu bewältigen? Oder standen sie in Konkurrenz zueinander? Diese Fragen werfen neue Perspektiven auf die Evolution und das Verhalten früher Menschenarten auf.
3D-Bildgebung ermöglicht eine völlig neue Sichtweise
Die detaillierte Untersuchung der Spuren wurde durch den Einsatz fortschrittlicher 3D-Technologien ermöglicht. „Das Team nutzte modernste 3D-Bildgebungstechnologien, um eine völlig neue Sichtweise auf Fußabdrücke zu schaffen“, erklärt Rebecca Ferrell von der National Science Foundation. Durch die 3D-Analyse konnte das Forschungsteam anatomische Unterschiede und verschiedene Bewegungsmuster der beiden Arten präzise rekonstruieren.
Die Verwendung dieser neuen Methoden ist ein bedeutender Schritt in der biologischen Anthropologie. Sie ermöglicht es, Verhalten direkt aus Fossilien abzuleiten. „In der biologischen Anthropologie sind wir immer daran interessiert, neue Wege zu finden, um Verhalten aus Fossilien zu extrahieren“, sagt Ferrell. Die Entdeckung ist somit nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ein Schlüssel, um die Lebensweise früher Menschenarten besser zu verstehen.
Eine Entdeckung mit glücklichem Zufall
Die fossilen Fußabdrücke wurden 2021 zufällig entdeckt. Ein Team unter der Leitung von Louise Leakey, einer erfahrenen Paläontologin, führte Ausgrabungen in der Region durch, als einer der Ausgräber, Richard Loki, die ersten Spuren entdeckte. Neben großen Vogelspuren fanden sich die charakteristischen Homininen-Fußabdrücke in einer Schicht weichen Sediments.
Der Turkana-See und seine Umgebung gelten als eine der bedeutendsten Fundstätten für Fossilien. Craig Feibel, der seit den 1980er-Jahren in dieser Region forscht, konnte die Ablagerungsumgebung und das Alter der Fossilien präzise bestimmen. Die Spuren sind etwa 1,5 Mio. Jahre alt und entstanden in einer geologischen Phase, die reich an Funden aus der menschlichen Evolution ist.
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