Ganz Deutschland im SoFi-Fieber
Deutschland reibt sich den steifen Nacken. Die Sonnenfinsternis, kurz SoFi, ist Geschichte. Überall, wo freie Sicht in den Frühlingshimmel war, reckten die Menschen ihre Köpfe nach oben. Zumeist geschützt mit den etwas dämlich aussehenden Schutzbrillen. Erinnerungen an den 11. August 1999 werden wach, als der Mond die Sonne über Mitteleuropa vollkommen verdeckte.
Es war eine Jagd, gen Südwesten und gegen die Zeit. Am Mittwoch, den 11. August 1999 raste fast die komplette Wissenschaftsredaktion der Deutschen Welle TV der letzten totalen Sonnenfinsternis des 20. Jahrhunderts entgegen. Es galt, in den engen Bereich des Kernschattens zu gelangen. Ein Blick auf die Korona winkte, wenn die dichte Wolkendecke endlich aufriss. Doch wir waren nicht alleine unterwegs. Eine unendliche Blechlawine quälte sich über die französische Landstraße. Dann war Schluss: Die Straße wurde zum Parkplatz. Wir machten es wie die anderen –und stiegen einfach aus.
Alle setzten gespannt die „Stille“ auf
Kurz hinter dem kleinen verschlafenen Dörfchen Rethel im Department Ardennes im Nordosten Frankreichs packten wir auf einem Hügel unseren Proviant aus. Niemand von uns hatte bisher in seinem Leben im Kernschatten einer totalen Sonnenfinsternis gestanden. Gespannt setzten wir alle die „Stille“ auf. So hieß die SoFi-Schutzbrille aus dem Drogeriemarkt, die auch damals sehr schnell ausverkauft war.
Die Zeit hatte aufgehört zu existieren
Und es herrschte dann wirklich Stille: Kurz bevor sich der Mond vollständig vor der Sonnenscheibe schob, erstarb das sonst allgegenwärtige Vogelgezwitscher. Es herrschte plötzlich eine gespenstische unnatürliche Stille.
Ein scheuer Blick zurück ließ uns erschauern: Wie eine schwarze Wand raste da die Dunkelheit auf uns zu, zog eine scharfe Linie am Boden. Dann kam der Temperatursturz: Binnen Sekunden wurde es mehrere Grad kühler. Wind zog auf. Der Horizont verschwand. Es war ein Gefühl, wie in einem Traum: Die Zeit hatte aufgehört zu existieren. Es war stockfinster – am Mittag. Gänsehaut pur.
Deutschland im Halbschatten
Die heute in vielen Gebieten des deutschen Sprachraums zu bestaunende Sonnenfinsternis konnte diese Gänsehaut naturgemäß nicht erzeugen. Es war eine sogenannte partielle Sonnenfinsternis, bei der sich die Scheibe des Mondes zu fast 80 Prozent vor die Sonne schob. Deutschland befand sich im Halbschatten des kosmischen Ereignisses.
Das ist nicht wirklich etwas Ungewöhnliches: In den Jahren von 1951 bis 2050 sind immerhin 46 solcher partieller Sonnenfinsternisse über Mitteleuropa zu sehen. Bei 19 davon ist die Bedeckung der Sonne durch den Mond mit über 50 Prozent groß genug, um eine Veränderung der Lichtwahrnehmung bemerken zu können.
Schüler durften nicht raus
Heute war eine deutliche Lichtveränderung während der partiellen Sonnenfinsternis zu bemerken.
Nicht alle kamen in den Genuss. Den Einen machten der wolkenverhangene Himmel einen Strich durch die Rechnung, den Anderen die Obrigkeit. So durften beispielsweise Schüler der Gesamtschule Grüner Campus in Berlin-Lichtenberg ab 10:30 Uhr die Klassenräume nicht verlassen. Weil nicht alle von ihnen eine SoFi-Schutzbrille hatten ergattern können.
Niederländisches Königspaar wagte mit SoFi-Brillen den Blick nach oben
Dennoch: Das Himmelsspektakel zog heute wahre Menschenmassen nach draußen. Allein vor der Sternwarte in Berlins Treptower Park versammelten sich rund 1000 Schaulustige.
Und in Hamburg wagten prominente SoFi-Fans den Blick aufs Himmelsschauspiel, das kurz vor 11 Uhr seinen Höhepunkt erreichte: Umringt von Fotografen verfolgten Königin Maxima und König Willem-Alexander aus den Niederlanden das kosmische Ereignis. Natürlich mit Schutzbrille.
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