Gefährden Zitrusfrüchte unser Bier?
Ist das grüne Gold Deutschlands gefährdet? Laut einer Studie der Uni Hohenheim haben sich durch falsch entsorgte Zitrusfrüchte Viroide auf Hopfen übertragen und sorgen dafür, dass weniger Bier gebraut werden kann.
Das Citrus Bark Cracking Viroid (CBCVd) breitet sich aus und bedroht den heimischen Hopfen. Wenn diese Krankheitserreger erst einmal in Hopfenpflanzen eindringen, führt dies zwangsläufig zu erheblichen Ernteeinbußen. Diese alarmierende Entwicklung wurde in einer Studie von Dr. Michael Hagemann von der Universität Hohenheim in Stuttgart aufgedeckt. Die Verbreitung des CBCVd kann sowohl durch infiziertes Pflanzmaterial als auch durch den Import von Zitrusfrüchten begünstigt werden. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass Neuinfektionen in Hopfenanbaugebieten durch den unachtsamen Umgang mit Zitrusfruchtabfällen ausgelöst werden können.
Grünes Gold in Gefahr
Hopfenplanzen sind ein imponierender Anblick, wachsen sie doch bis zu acht Meter in die Höhe. Diese faszinierende Szenerie ist nicht nur in der bayerischen Hallertau zu finden, dem größten Hopfen-Anbaugebiet der Welt mit etwa 17.000 Hektar, sondern sie erstreckt sich auch über rund 1.500 Hektar im oberschwäbischen Tettnang sowie in den Anbaugebieten Elbe-Saale, Spalt und Bitburg. Deutschland spielt eine maßgebliche Rolle in der weltweiten Hopfenproduktion und trägt zu über einem Drittel der globalen Ernte bei.
Allerdings ist das kostbare „grüne Gold“ nicht nur durch den Klimawandel bedroht, dessen Auswirkungen in diesem Jahr besonders in den Medien diskutiert wurden. Auch gefährliche Krankheitserreger könnten in Zukunft zunehmend zu Herausforderungen führen. „Das Citrus Bark Cracking Viroid (CBCVd) wurde 2019 überraschend im deutschen Hopfen nachgewiesen“, berichtet Dr. Michael Hagemann vom Fachgebiet Produktionssysteme der Sonderkulturen an der Universität Hohenheim.
Miniatur-Parasiten sorgen für Ertragseinbußen
Wie bereits geschrieben, sind spezielle Viroide von Zitrusfrüchten ein Problem für den Hopfen. Viroide sind kleine, aber äußerst faszinierende Organismen, die im Gegensatz zu Viren keine eigene Protein-Hülle besitzen. Sie könnten als Miniatur-Parasiten betrachtet werden, die sich die Proteine ihrer Wirtszellen für ihre eigenen Zwecke zunutze machen und die Pflanzenzellen als Vermehrungsgrundlage verwenden. Dies kann zu erheblichen Problemen bei den Wirtspflanzen führen.
CBCVd hinterlässt bei Zitrusfrüchten häufig keine Symptome, bei wenigen Sorten kommt es allerdings zum Aufbrechen der Rinde, dem namensgebenden bark cracking, wie das Forschungsteam erläutert. Wenn dieses Viroid jedoch Hopfenpflanzen infiziert, verläuft die Infektion anders. Es verursacht vor allem eine schleichende Stauchung der Pflanzen, deren sichtbare Auswirkungen erst nach 1-2 Jahren auftreten und in den folgenden Jahren zum Absterben der Pflanzen führen.
Die infizierten Hopfenpflanzen bleiben kleiner und wachsen auf eine Höhe von 5-6 Metern, anstatt der üblichen 8 Meter. Das Problem: Dieser Prozess ist anfangs für das bloße Auge nicht erkennbar und erfordert molekularbiologische Tests zur Diagnose. Darüber hinaus weisen die betroffenen Pflanzen kleinere Dolden auf und produzieren weniger Bitterstoffe, die für das Bierbrauen von großer Bedeutung sind.
Wie gelangen die Viroide in den Hopfen?
Dr. Hagemann und sein Forschungsteam haben intensiv untersucht, wie Viroide in Hopfenpflanzen eindringen. Ihre anfänglichen Vermutungen wurden bestätigt: Etwa sechs Prozent der im Supermarkt erhältlichen Zitrusfrüchte enthalten das CBCVd-Viroid, und darüber hinaus konnten die Forscher auch andere Viroide in diesen Früchten nachweisen. Das Team analysierte fast 400 Proben von Lebensmittelgeschäften in den deutschen Hopfenanbaugebieten sowie 50 Proben aus Slowenien. Dabei stellten sie fest, dass Waren aus sämtlichen zitrusanbauenden Ländern bis zu fünf verschiedene Viroide enthielten.
Die erfreuliche Botschaft jedoch lautet, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Früchten dazu beitragen kann, die Verbreitung der Viroide einzudämmen. „Eine achtlose Entsorgung von Obstresten in landwirtschaftlichen Gebieten kann die Verbreitung dieser Krankheiten fördern“, gibt Dr. Hagemann zu bedenken. „Daher gilt vor allem in den Hopfenanbaugebieten: Bitte keine Zitrusfrüchte oder -schalen beim Spaziergang oder bei der Feldarbeit einfach irgendwo hinwerfen. Auch die Rispen von Weintrauben können Schadviroide des Hopfens enthalten. Und Reste vom Wochenmarkt sollten sachgemäß kompostiert werden, um eine Übertragung auf Hopfen zu vermeiden.“
Beim Zitrusanbau kommen Viroide gezielt zum Einsatz
Das Forschungsteam hat ein weiteres Problem identifiziert, das zur Verbreitung der Viroide beiträgt: Im Zitrusanbau werden Viroide gezielt als sogenannte „Stauchungsmittel“ eingesetzt. Dies führt dazu, dass solche absichtlich infizierten Bäume kleiner bleiben und somit leichter zu pflegen und zu ernten sind, wie Dr. Hagemann erläutert.
Daher plädieren die Forschenden nachdrücklich dafür, diese Praxis zu beenden und auch in der landwirtschaftlichen Beratung nicht mehr zu empfehlen. In diesem Bereich sieht Dr. Hagemann noch erheblichen Forschungsbedarf. In seinem Fachgebiet arbeitet die Doktorandin Swati Jagani zudem an der Frage, ob Viroide möglicherweise durch zitrusbasierte Pflanzenschutzmittel übertragen werden können.
Hohe Dunkelziffer bei Befallsfläche
In Bayern sind bereits mehr als 110 Hektar Hopfenanbauflächen von CBCVd betroffen, und es wird vermutet, dass die tatsächliche Anzahl der infizierten Flächen noch höher ist, wie Dr. Hagemann erläutert. In den Hopfenanbaugebieten begünstigen auch die Verwendung von infiziertem Pflanzmaterial, bekannt als „Fechser“, sowie bestimmte Schnittmaßnahmen die Ausbreitung der Viroide.
Um die Ausbreitung einzudämmen, werden bei einem Befund nicht nur die infizierte Pflanze, sondern auch einige Pflanzen davor und danach entfernt. Zudem werden regelmäßige Tests in der betroffenen Fläche durchgeführt, betont Dr. Hagemann. Im Falle eines Befalls empfiehlt der Experte außerdem dringend, die betroffene Fläche für mindestens zwei Jahre brachliegen zu lassen oder eine andere Pflanzfrucht zu wählen.
Eine Sorge kann Dr. Hagemann nehmen, denn die untersuchten Viroide seien für den Menschen nicht gefährlich: „Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass CBCVd oder andere Viroide in den betroffenen Früchten eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen.“
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