Geruchsorgel im Dauereinsatz: Ein Festival für die Nase in Berlin
Hier sollten Sie Ihre Nase unbedingt mal tief hineinstecken: In das Berliner Festival für Geruchskunst. Ja, Sie haben richtig gelesen: Geruchskunst. Dafür hat der Medienkünstler Wolfgang Georgsdorf eine Geruchsorgel entwickelt. Düfte erschnuppern können Sie noch bis Mitte September in Berlin. Details zur Duftorgel bekommen Sie jetzt sofort beim Weiterlesen.
Duftorgel klingt ein wenig altbacken. Das hat sich wohl auch Wolfgang Georgsdorf gedacht und seine Erfindung Smeller 2.0 genannt. Zumal die Duftorgel elektronisch gesteuert wird.
Und sie ist eine imposante Maschine: 6 m breit, 3,8 m hoch und 4 m tief. Mit mehr als 1,5 t zudem ein Schwergewicht. Allein das verbaute Material hat einen Wert von 220.000 €.
Geruchsorgel mit 64 Basisdüften und einer Tastatur
30 Jahre lang hat es gedauert, bis aus der Idee des heute 57-Jährigen perfekt funktionierende Technik wurde. Rohre aus Polypropylen so dick wie gut trainierte Oberarme, Pumpen, Ventilatoren, magnetische Ventile und Schläuche ermöglichen es, im Zusammenspiel Duftwerke zu komponieren.
Smellodies nennt Georgsdorf diese Werke. Kreiert werden sie aus 64 grundlegenden Duftstoffen wie Wald, Feuer, Meer oder Tinte. Diese Komponenten gemischt ergeben Tausende verschiedener Düfte.
Gesteuert werden die Duftkombinationen über eine Keyboard-Tastatur. Den Tasten sind Duftkomponenten zugeordnet, und so wie mit dem Keyboard Töne erzeugt werden und eine Melodie ergeben, werden aus den Basisdüften Smellodien erzeugt.
Berliner Parfümeur Geza Schön mischt mit
Bei seiner jahrzehntelangen Arbeit am Smeller hat sich der vielseitige Künstler – Georgsdorf ist Maler, Bildhauer, Musiker, Autor, Regisseur – Unterstützung geholt: Ingenieure, Mathematiker, Physiker und Informatiker haben ihm dabei geholfen, superfeine Luftströme zu erzeugen, die die Duftmoleküle mit genau definierter Verweildauer im Raum verteilen. Und bei den Düften mischt der bekannte Berliner Parfümeur Geza Schön mit.
Eine Stunde lang nur schnuppern
Laufende Kosten, in diesem Fall, was in die Luft gepustet wird, übernimmt IFF, einer der weltweit größten Hersteller von Düften und Aromen – obwohl dem Smeller 2.0 nicht immer Wohlgerüche entströmen: Es stinkt auch schon mal nach Tigerfäkalien oder Schimmel.
Für das Festival in der St.-Johannes-Evangelist-Kirche (Augustastraße) hat Wolfgang Georgsdorf eine 54-minütige Sinfonie für Gerüche komponiert. Ein Spektakel nur für die Nase. Synosmie nennt der Künstler dieses Genre, er erfindet auch gerne neue Wörter. Und das Publikum nennt er Zuriecher. Denn es erlebt eine reine Geruchsreise. Ohne begleitende Musik oder Bilder.
Die Synosmie duftet nach Sommerregen und Straße, nach Harzen und Moosen, nach dem Hallenbad der Kindheit, nach dem Laubfeuer im Herbst und vielem mehr. Erinnerungen und Gefühle werden geweckt. Dafür strömt aus der Geruchsorgel ein Luftblock, der sich mit den Geruchsstoffen vermischt. Er schiebt sich mit 30 bis 50 Zentimetern pro Sekunde gleichmäßig durch den Raum – ohne zu verwirbeln. Wenn er die letzte Publikumsreihe erreicht hat, wird er durch ein kleines Loch in der Decke abgesaugt. Nach zwei Minuten ist die Luft einmal komplett ausgetauscht – am Ende des Stückes sind es rund 40.000 m3.
Noch bis zum 19. September gibt es in Berlin die Smellodien, aber auch Installationen, Filmvorführungen, Lesungen, Konzerte und Diskussionen mit Geruchsergänzungen Auch Georgsdorfs Ehefrau, die Schauspielerin Eva Mattes, liest Literatur zu Düften aus „Smeller 2.0“. Die beiden können sich eben gut riechen…
Sie wollen noch mehr über Düfte und Gerüche wissen? Heuschrecken zum Beispiel können neue Gerüche, die in die Umwelt kommen, innerhalb von wenigen hundert Millisekunden riechen. Diese Fähigkeit wollen US-Forscher nutzen, um die Tiere künftig auf Sprengstoffsuche zu schicken.
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