Guten Geschmack messbar machen
Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Eines Tages aber wird er objektiv messbar sein. Bremerhavener Forscher entwickeln dafür jetzt ein vielversprechendes Verfahren.
Die Geschmacksnerven von Freiwilligen und Profis aus Bremerhaven entscheiden mit darüber, was in Deutschland geschmacklich gut ankommt. Ob Wein, Schokolade, Fertiggerichte oder eine neue Backmischung: Zahlreiche Unternehmen der Lebensmittelindustrie lassen im Sensoriklabor des Technologie-Transferzentrums ttz Bremerhaven ihre neuesten Kreationen testen.
Fad, zu süß, sauer oder zu salzig – ob es den Käufern später ähnlich mundet wie den Probanden, ist vor allem eine Frage der Statistik. Aus den Bewertungen der hanseatischen „Feinschmecker“ können die Firmen ablesen, ob ihre Zubereitungen auf dem Markt ankommen werden oder nicht. Künftig werden sie es aber möglicherweise mit weniger Aufwand, dafür aber präziser erfahren. „Guter Geschmack wird messbar“, ist Imke Matullat überzeugt, die das Team der Sensorik-Wissenschaftler am ttz leitet.
Bremerhavener Forscher wollen Geschmack messbar machen
Damit der Erfolg der Produkte also nicht weiter allein eine Geschmacksfrage bleibt, haben die Bremerhavener dem Thema mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums jetzt ein Forschungsprojekt gewidmet. „Korrelation von sensorischen und analytischen Daten“ heißt das Vorhaben, kurz KosaDat, und es beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Analyse des Geschmackserlebnisses von Zartbitterschokolade aus dem Haus des Projektpartners Bremer Hachez Chocolade.
Unwissenschaftlich ausgedrückt: Die Lebensmitteltechnologen ermitteln chemisch-analytisch die Inhaltsstoffe der Schokolade und vergleichen sie mit dem, was die Probanden über den zarten Schmelz auf der Zunge zu berichten wissen. Dann versuchen sie, die Informationen aus beiden Quellen miteinander zu verknüpfen.
Objektive Analytik von Geschmack als Ziel
In ihrer vergleichenden Forschung haben die Bremerhavener bereits einige erstaunliche Erkenntnisse gewonnen: „Aus bestimmten Inhaltsstoffen können wir mit einer sehr hohen Trefferwahrscheinlichkeit darauf schließen, ob ein Schokoladenprodukt ein kommerzieller Erfolg wird oder nicht“, versichert Matullat.
Damit sind die Fachleute am ttz an einem Punkt angelangt, der für die Industrie von praktischem Nutzwert ist: „Die bislang notwendigen Erprobungen und Geschmackstests, die ja sehr viel Geld und Zeit kosten, können verringert werden.“ Zudem erhalten die immer von Subjektivität geprägten Geschmacksproben eine objektive Note und die Ergebnisse werden überprüfbar gemacht.
Gelegentlich müssen sich die ttz-Forscher deswegen vorhalten lassen, ihr Projekt sei ein Angriff auf das Expertenwissen in der Lebensmittelbranche. Außerdem warnen Kritiker, das ttz sei dabei, sein eigenes Sensoriklabor überflüssig zu machen. Derlei Bedenken hegen die Geschmacksexperten aus Bremerhaven eher weniger. Denn das analytische Schokoladenprofil, das laut Matullat den „chemischen Fingerabdruck der Schokolade“ darstellt, ist trotz der angezeigten Fülle von Inhaltsstoffen längst nicht so umfassend wie der tatsächliche Geschmack. „Das Geschmackserlebnis wird ja noch durch weitere ,Dimensionen‘ wie Aussehen, Geruch und Schmelz bestimmt“, erläutert die Expertin.
Zudem gibt es immer geschmackliche Verbindungen einzelner Bestandteile, die nicht mit dem Chromatografen aufzudecken sind. Am Ende des Projekts wird der Slogan der beteiligten Chocolade-Manufaktur unverändert bleiben können: „Wie schön, dass es das Besondere gibt.“ Aber möglicherweise wissen die ttz-Technologen dann ein bisschen genauer, wodurch dieses Besondere entstanden ist.
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