Heuschnupfen wirkt wie zwei Gläser Bier
„Einmal niesen, bitte!“: Soweit, dass die Polizei Autofahrer für Allergietests an den Straßenrand winkt, ist es noch nicht. Sinnvoll wäre es aber: Autofahren mit Heuschnupfensymptomen ist wie eine Alkoholfahrt mit 0,5 Promille. Das jedenfalls besagt eine niederländische Studie. Das Forscherteam hatte Allergiker mit einer Portion Pollen bedacht und dann mit Taschentüchern bewaffnet auf die Teststrecke geschickt.
Wenn ein Autofahrer Schlangenlinien fährt, hat er nicht unbedingt einen über den Durst getrunken. Vielleicht ist er einfach Allergiker und hat seine Medikamente nicht genommen – der Effekt ist derselbe. Das jedenfalls besagt eine aktuelle niederländische Studie.
Dabei hatten die Forscher von der Universität Maastricht Betroffene mit ihren Allergenen in Kontakt gebracht. In anschließenden Fahrtests hatten die Probanden ohne antiallergische Medikamente Probleme, die Spur zu halten. Mit Medikamenten wie Nasensprays, Augentropfen oder Tabletten traten diese Probleme nicht auf. Die Abweichungen aufgrund der Allergien seien so groß wie mit einem Blutalkoholgehalt von 0,5 Promille, so die Forscher.
Die Gruppe der auf diese Weise gefährdeten Autofahrer ist riesig: Mehr als ein Viertel der 30- bis 39-Jährigen kämpft dem Robert-Koch-Institut zufolge mit Heuschnupfen.
Eine Kamera registriert die Fahrfehler
Für die frisch veröffentlichte Studie hatten der Neuropsychologe und Psychopharmakologe Dr. Eric Vuurman und sein Team 19 Pollenallergiker außerhalb der Allergiesaison zu einem einstündigen Fahrtest antreten lassen. Bei einer Geschwindigkeit von 95 Kilometer pro Stunde sollten sie einen Parcours von 100 Kilometern absolvieren, der nach Angaben der Autoren auch schon gute Dienste für Tests im Zusammenhang mit Auswirkungen von Alkohol, Schlafmitteln und anderen Medikamenten geleistet hatte.
Auf dem Autodach war eine Kamera montiert, die Abweichungen von der Fahrspur registrierte. Die Fahrer starteten alle mehrmals unter verschiedenen Bedingungen: mit und ohne Konfrontation mit Pollen, mit und ohne Medikamente. Zwischen der Behandlung mit den Allergenen und dem Fahrtantritt lag jeweils eine Stunde.
Schnell wurde klar, dass sich der ständige Niesreiz und die tränenden Augen bei den unbehandelten Allergikern deutlich auf das Fahrverhalten auswirkten – sie kamen durchschnittlich 2,07 Zentimeter weiter von der Fahrbahn ab als ohne Polleneinfluss. Kam dazu auch noch ein mündlicher Gedächtnistest, mit dem das übliche Multitasking während des Autofahrens simuliert wurde, steigerten sich die Schlenker auf 2,35 Zentimeter – dieser Wert ist typisch für Fahrten mit 0,5 Promille Alkohol im Blut.
Medikamente stellen die Fahrtüchtigkeit wieder her
Anders als nach einem Trinkgelage ließ sich gegen die allergiebedingte Fahruntüchtigkeit jedoch etwas tun: Mit dem passenden Nasenspray oder den richtigen Tabletten fuhren die Probanden trotz der Pollenbelastung genauso sicher wie ohne Allergenbelastung.
Kleinere Unterschiede gab es allerdings zwischen den Verwendern der Nasensprays und der Tabletten, als der Gedächtnistest hinzukam: Die Verwender der cetirizinhaltigen Tabletten hatten größere Schwierigkeiten als die Gruppe mit dem kortikoidhaltigen Nasenspray. Laut Vuurman liegt das wahrscheinlich an der leicht beruhigenden Wirkung des Cetirizins. Das bedeute jedoch nicht, dass auch modernere Allergietabletten die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, betonen die Niederländer.
Pollenfilter senken die Beeinträchtigung
Um die Beeinträchtigung durch Pollen zu lindern, sei auch der Einsatz von Pollenfiltern sinnvoll, erklärt Andreas Hellmann, Vorsitzender des Bundesverband der Pneumologen: Ohne diese sei die Pollenkonzentration im Fahrzeug höher als außerhalb. Außerdem sollten Pollenallergiker über Therapien nachdenken, um auch ohne Medikamente auf Dauer beschwerdefrei zu leben. Möglichkeiten seien da die sogenannte Hyposensibilisierung oder auch die Eigenbluttherapie, so Hellmann. Werde die Allergie nicht behandelt, könne sie innerhalb von zehn bis 15 Jahren zu Asthma führen.
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