Höchste Seilbahn Europas fährt mit glasigem Boden zum Klein Matterhorn
Eine ingenieurtechnische Meisterleistung ist vollbracht: Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit in Extremtemperaturen und extremen Höhen hat die höchste Seilbahn Europas eröffnet. Die Bergbahn Matterhorn Glacier Ride kann 2000 Touristen pro Stunde auf eine Höhe von rund 4000 Metern bringen.
Das Klein Matterhorn, der 3.883 m hohe Berg in den Walliser Alpen, ist seit jeher Touristenmagnet. Und seit 1979 können die Urlauber mit dem Matterhorn Express zum Gipfel fahren. Das Problem: Der Ansturm ist mittlerweile so groß, dass die Bahn mit ihren beiden 100-Personen-Kabinen an ihre Kapazitätsgrenze stößt. Deswegen hat am 29. September 2018 eine zweite Bahn den Betrieb aufgenommen: Matterhorn Glacier Ride.
In 25 Kabinen mit je 28 Sitzplätzen können nur bis zu 2000 Personen pro Stunde Richtung Gipfel des Klein Matterhorn fahren. „Zudem wurde der Grundstein für das geplante Alpine Crossing gelegt, welches die Gebiete von Zermatt (CH) und Cervinia (IT) zukünftig auch ganzjährig für Fußgänger verbinden soll“, sagt Markus Hasler, Geschäftsführer der Zermatt Bergbahnen AG.
Boden der Gondeln wird während der Fahrt durchsichtig
Die neunminütige Fahrt im Matterhorn Glacier Ride ist alles andere als langweilig. Denn als Passagier kann man nicht nur behaupten, zur höchsten Bergbahnstation Europas in fast 4.000 m Höhe zu fahren. Man genießt während der neunminütigen Fahrt mit einer Geschwindigkeit von 7,5 m/s – umgerechnet 27 km/h – auch einen spektakulären Ausblick auf das hochalpine Bergpanorama.
Denn die Gondeln haben nicht nur eine Rundum-Panoramaverglasung, sondern auch einen Boden, der im Laufe der Fahrt transparent wird. Nach drei Minuten Fahrzeit, in einer Höhe von 170 Metern, klärt sich der trübe Glasboden auf und macht die Gletscherlandschaft sichtbar. Möglich macht dieses Schauspiel ein aktives milchig-weißes Verbundglas, das unter Stromzufuhr transparent wird.
Die höchste 3S-Bahn der Welt
Während der Fahrt werden die Fahrgäste Zeugen eines weiteren Rekords. Die Bahn fährt über nur drei Stützen, die am weitesten Ort 2732 m voneinander entfernt stehen. Dazwischen hängt das Seil durch. „Weltweit gibt es erst etwa 15 3S-Bahnen. Der Matterhorn Glacier Ride übertrumpft sie jedoch alle durch seine Höhe und das lange Spannfeld zwischen den Stützen zwei und drei“, sagt Jan Sorg, Projektingenieur beim Seilbahnhersteller Leitner Ropeways.
Was 3S bedeutet? Die Abkürzung steht für Dreiseilumlaufbahn. Ihre Besonderheit: Anders als bei klassischen Umlaufbahnen, die Kabinen mit nur einem Zugseil transportieren, sind bei 3S-Bahnen Trag- und Zugfunktion der Seile getrennt. Die vier 56 mm dicken Tragseile stabilisieren die Kabinen während der Fahrt. Sie wiegen 280 t und sind fix in der Tal- und Bergstation verankert. Das 46 mm dicke Zugseil, 67 t schwer, bildet hingegen eine geschlossene Seilschleife über beide Fahrbahnseiten. Die Kabinen lassen sich über Klemmen an- und abkoppeln.
Die höchste Baustelle Europas
Während der Fahrt bietet sich außerdem ein Gedankenspiel an: Wie war es wohl für die 145 Bauarbeiter, auf der höchsten Baustelle Europas zu arbeiten? Die Arbeiter waren während der zweieinhalbjährigen Bauzeit Temperaturen von bis zu minus 30 Grad und Windspitzen von bis zu 240 km/h ausgesetzt. Eine Arbeit an der Grenze der physischen Belastbarkeit.
Und auch das Material spielte nicht immer mit. So streikten zeitweise Maschinen, weil der Diesel wegen der niedrigen Temperaturen zäh wurde. Und den Flüssigbeton und das Mischwasser mussten die Arbeiter an der Talstation auf 35 °C und 70 °C vorwärmen. Schließlich soll der Beton beim Gießen eine Mindesttemperatur von 5 °C haben. Nach dem Aufwärmen ging es dann über eine Materialseilbahn hinaus zur Baustelle. „Die Anlage ist ein Prestigeprojekt mit weltweiter Referenz, das mich mit großem Stolz erfüllt“, sagt Hasler. „Das Projekt zeigt, dass man das Unmögliche möglich machen kann.“
Nicht weniger anspruchsvoll war der Bau der neuen Seilbahn auf die Zugspitze, dem höchsten deutschen Berg. Wie die Seilbahn entstand, lesen Sie hier.
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