Ingenieur wird Trainer des Fußballteams von Bayer 04 Leverkusen
Das gibt es wahrlich nicht oft: Ein Ingenieur wird neuer Trainer eines Topclubs in der Fußball-Bundesliga. Der Maschinenbauer Roger Schmidt (47) ist nicht nur Experte für Kunststofftechnik, sondern wird ab Sommer die Profis von Bayer Leverkusen in Sachen Technik und Taktik auf Vordermann bringen.
In der Brust des gebürtigen Sauerländers schlagen seit vielen Jahren zwei Herzen: das des Ingenieurs und das des Fußballers. Und lange Zeit profitierten beide voneinander. Denn sein Ingenieurstudium finanzierte sich Schmidt mit Fußballspielen.
Während seines Studiums ist Schmidt selbst aktiver Fußballspieler
Zunächst war der junge Maschinenbaustudent im Mittelfeld des Regionalligisten TuS Paderborn-Neuhaus aktiv, später dann beim SC Verl im Kreis Gütersloh. „Das war eine tolle Zeit. Ich habe es genossen, Fußball zu spielen und zu studieren“, erinnerte sich Schmidt in einem Gespräch mit den VDI nachrichten. Zu der Zeit studierte Schmidt an der Universität Paderborn Maschinenbau mit Schwerpunkt Kunststofftechnik. Zuvor, nach Abitur und Bundeswehr, hatte er zunächst eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker absolviert.
„Wenn man den Willen hat, ist das auch heute noch möglich“, so Schmidt. „Im Normalfall ist einmal am Tag Training, da bleibt genügend Zeit für das Studium. Ich würde jedem jungen Spieler, der sich weiterbilden möchte, dazu raten.“
Schmidt beginnt als Projektingenieur beim Automobilzulieferer Benteler
Nach seinem Studium sah es zunächst nicht nach einer Karriere als Profitrainer aus. Schmidt nahm einen Job als Projektingenieur beim Paderborner Automobilzulieferer Benteler an. In den Jahren 1999 bis 2007 war er in der Rohrverarbeitung tätig, später im Qualitätsmanagement. Doch seine Fußballleidenschaft loderte immer in ihm. Während er bei Benteler seinen Ingenieur stand, kickte er als aktiver Spieler für den SC Paderborn 07 (2002-2003), den SV Lippstadt 08 (2003-2004) und schließlich für den Delbrücker SC (2004-2005). Es folgte seine erste Trainerstation beim westfälischen Verbandsligisten SC Delbrück.
Die Dreifachbelastung Ingenieur, Coach und Familie war allerdings kaum unter einem Hut zu bringen, Schmidt dachte über einen Rückzug aus dem Fußball nach. „Das war´s dann mit Fußball, schließlich muss ich meiner Familie jetzt auch etwas zurückgeben“, war er damals überzeugt. Doch das moralische und zeitliche Dilemma sollte sich ganz anders auflösen. Zur Hilfe eilte nämlich Preußen Münster.
Der Verein bot Schmidt eine Stelle als hauptamtlicher Trainer an und garantierte ihm sogar eine Stelle als Ingenieur bei einem Münsteraner Unternehmen, sollte er frühzeitig zurücktreten.
Bereuen sollte Preußen Münster die Entscheidung nicht. Der Verein schaffte mit Hilfe Schmidts den Aufstieg in die Regionalliga. Danach jedoch stagniert die Entwicklung, der Vereinsvorstand feuerte Schmidt. Dieser wechselt daraufhin kurzerhand zum SC Paderborn 07.
Schmidt sieht Parallelen zwischen Beruf als Profitrainer und Ingenieur
So ganz verleugnen kann Schmidt sein Ingenieur-Naturell in der Position des Trainers nicht. „Es gibt sicherlich Parallelen zwischen der Führungsverantwortung eines Ingenieurs und der eines Trainers“, sagt Schmidt. Man müsse authentisch bleiben und einen geradlinigen Stil verfolgen. „In engen Situationen, in denen ich nicht viel Zeit habe, muss ich intuitiv richtig entscheiden. Das muss für Spieler oder Mitarbeiter aber nachvollziehbar sein. Sie müssen meine Linie kennen und diese nachvollziehen können – egal wie die Entscheidung letztlich aussieht.“
„Wenn man gemeinsam Erfolg haben will, muss sich jeder entsprechend einbringen und sich ins Team einordnen“, sagte Schmidt nach seiner Berufung zum Leverkusener Trainer gegenüber Ingenieur.de. „Besonders leitende Angestellte sind gefordert, durch gute Menschen- und Teamführung eine Atmosphäre zu schaffen, in der jeder Einzelne den Erfolg der Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt.“
Zum Glück für die Spieler des Fußballclubs Bayer 04 Leverkusen scheint für Schmidt authentisch zu sein, die Dinge am liebsten mit einem Lächeln zu regeln. In diesem Zusammenhang bedauert er übrigens die Entwicklung im heutigen Trainergeschäft, die meist an schnelle Erfolge gekoppelt sei und auf Kosten des Menschlichen gingen. „Da besteht die Gefahr, mittel- und langfristige Ziele aus den Augen zu verlieren und sich als Trainer nicht mehr so intensiv mit den Werdegängen der Spieler beschäftigen zu können.“
„Ein Großteil meiner Trainingsübungen sind in Spanien abgeschaut“
Schmidt setzt auf konsequenten Offensivfußball. „Den Ball haben, nach vorn spielen. So will ich meine Teams sehen“, sagt Schmidt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seine Vorbilder sind Clubs in Südeuropa. „Die spielerischen Fähigkeiten der spanischen Teams sind für mich kein Zufall. Ein Großteil meiner Trainingsübungen sind in Spanien abgeschaut, beschäftigen sich mit Ballzirkulation.“
Kein Wunder, dass Bundesligist Bayer Leverkusen, der seit Jahren Offensivfußball favorisiert, auf Roger Schmidt gestoßen ist, der seinen aktuellen Club Red Bull Salzburg zur österreichischen Meisterschaft geführt hat. „Wir haben den Markt sehr intensiv sondiert und sind bei unseren Überlegungen sehr schnell auf Roger Schmidt gestoßen“, erklärt Leverkusens Sportchef Rudi Völler. „Seine Art, Fußball zu spielen, passt ideal zu Bayer 04 Leverkusen.“
Schmidt selbst erklärte, er freue sich auf seine neue Aufgabe bei einem Top-Club und sei glücklich, nun endlich in der Bundesliga arbeiten zu können. Schmidt wird in Leverkusen Nachfolger des Interimstrainers Sascha Lewandowski, der derzeit noch den entlassenen Sami Hyypiä ersetzt. Somit geht der Verein Eintracht Frankfurt leer aus, der Schmidt ebenfalls verpflichten wollte.
Übrigens sind Spieler, die über die hohe Belastung eines Fußballprofis klagen, bei Ingenieur Schmidt an der richtigen Adresse. Schmidt in den VDI nachrichten: „Ich sage meinen Spielern: Es ist zehn Uhr, der Rasen ist frisch gemäht, die Bälle sind aufgepumpt, ihr seid alle fit. Was gibt es Schöneres? Oder wärt ihr jetzt lieber im Büro oder in einer Fabrik?“
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