Korruptionsaffäre Österreich: Ausgerechnet dieses Detail missachtete Regierung jahrelang
Mangelnde Medienkompetenz kann zu Regierungskrisen führen, wie die Causa Kurz zeigt. Eine Medienethikerin erzählt dazu jetzt spannende Details.
Unter anderem Whatsapp wurde für den Kanzler letztlich zum Stolperstein – oder vielmehr sein Umgang mit dem Messengerdienst. Im Zuge der Korruptionsaffäre um den ehemaligen Kanzler von Österreich Sebastian Kurz wurden irritierende Chatverläufe öffentlich.
Zwischen Kurz und dem Ex-Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, finden sich Nachrichten wie diese: “Bitte, kann ich ein Bundesland aufhetzen?” oder “Diese alten Deppen sind so unerträglich“.
Worum geht es in der Korruptions-Affäre um Sebastian Kurz?
Am 6. Oktober 2021 durchsuchten Fahnder das österreichische Kanzleramt sowie das Finanzministerium und die Parteizentrale der Österreichische Volkspartei (ÖVP) und stellten unter anderem Smartphones und Datenträger sicher. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: Sebastian Kurz und einige seiner engsten Vertrauten sollen das Medienhaus “Österreich” für eine bestimmte Art der Berichterstattung bezahlt haben. Demnach sollte die Mediengruppe positive Berichte über die ÖVP und geschönte Schein-Umfragen veröffentlichen – gegen Geld. Dafür sollen auch Steuergelder geflossen sein. Das österreichische Finanzministerium soll involviert gewesen sein. Bereits im Vorfeld waren Teile von belastenden Chatverläufen zwischen den Beteiligten an die Öffentlichkeit gelangt. Alle Beschuldigten weisen die Vorwürfe zwar von sich. Sebastian Kurz trat als Kanzler schließlich aber zurück.
Medienkompetenz in Österreich: Das ungeliebte Stiefkind
Alles andere als frei von Ironie ist die Tatsache, dass ausgerechnet die Regierung mit Kanzler Sebastian Kurz jahrelang das Thema Medienkompetenz sehr stiefmütterlich behandelt hatte, wie Medienethikerin Claudia Paganini von der Hochschule für Philosophie München im Gespräch mit ingenieur.de berichtet.
Sie hatte für die Regierung über drei Jahre Gutachten zu dem Thema erstellt. Dabei ging es um die sogenannten SDG der Vereinten Nationen. Darin formulieren Staaten bestimmte Ziele für die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung im ökonomischen, ökologischen und sozialen Bereich fest. „Die Uni Innsbruck war für den Bereich Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen zuständig und wir haben uns dafür ausgesprochen, dass das Digitale dabei eine Rolle spielen muss“, erzählt Paganini. „Wenn man Frieden erreichen will, geht das nicht nur im Analogen, man kann die digitale Welt nicht ausblenden. Aber es kam eher die Rückmeldung, dass das ist nicht so wichtig sei, weil die Medienkompetenz in der Gesellschaft groß genug sei.“
Offenbar nicht so groß, dass es möglicherweise Kungeleien zwischen Regierung und Massenmedien geben konnte und Spitzenpolitiker sowie vermeintliche Medienprofis sich offenbar recht unbedarft in Chatverläufen ausließen.
“Da musste ich schon ein wenig schmunzeln, als ausgerechnet unser Altkanzler Sebastian Kurz dann zuletzt ziemliche Probleme wegen seiner Whatsapp-Chatverläufe hatte“, sagt Claudia Paganini.
Was gehört zu Medienkompetenz?
Unabhängig von der Causa Kurz: Medienkompetenz sei unerlässlich für eine funktionierende Demokratie, so die Medienethikerin. Als eigenes Fach müsse sie an den Schulen fix verankert sein.
“Es darf nicht sein, dass es vom Engagement einzelner Lehrerinnen und Lehrer abhängt, ob das Thema im Unterricht stattfindet oder nicht”, so Paganini.
Auch in der Erwachsenenbildung sieht sie Nachholbedarf: „Zum Beispiel beim Thema Hate Speech und Cybermobbing, das gerade jetzt eine große Rolle spielt.“
Fit in Medien: So medienkompetent ist Österreich
Bestrebungen, Medienkompetenz im Schulunterricht zu verankern, gibt es immerhin: So ist beim österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung die Initiative Saferinternet.at angedockt. Dabei geht es um den sicheren, kompetenten und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien – wenngleich die meisten angebotenen Materialien alles andere als digital sind: beworben werden gedruckte Flyer, Plakate und analoge Unterrichtsmaterialien.
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In Deutschland ist es mit dem Thema Medienkompetenz an Schulen auch nicht allzu weit her. 2012 hatte die Kultusministerkonferenz eine Empfehlung für die Integration von Medienkompetenz in den Schulunterricht empfohlen. Die Einführung eines eigenen Schulfachs ist indes auch hierzulande nicht in Sicht.
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Österreich: Politische Nachrichten vor allem in Printmedien
2015 kam der “Digital News Report” des Reuters Institute, mitfinanziert von Google, zu dem Ergebnis, dass Österreich in der digitalen Mediennutzung langsamer tickt als andere Länder. 1.000 österreichische Internetuser wurden befragt. Aus den 18 befragten Ländern haben 37 Prozent das Internet als ihre wichtigste Nachrichtenquelle angegeben – in Österreich sagten das nur 24 Prozent. Die Zeitung steht dabei hoch im Kurs: 67 Prozent gaben in der damaligen Umfrage an, sie würden Zeitung lesen – mehr als in allen übrigen untersuchten Ländern. Mittlerweile haben Online und Social Media aufgeholt und liegen numerisch knapp vor den Zeitungen. Politische Nachrichten werden laut dem Report von Reuters in Österreich vor allem über das Fernsehen und Printmedien konsumiert. Sebastian Kurz könnte diese Statistik auch gekannt haben.
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