Kristalle aus Guanin: Mit Nanotrick die Farbe wechseln
Bestimmte Chamäleonarten bedienen sich für ihre spektakulären Farbenspiele äußerst komplexer physikalischer Tricks. Sie haben in ihrer obersten Hautschicht kristalline regelmäßige Nanostrukturen, deren Abstand sich je nach Gemütszustand verändert. Dadurch können sie das gesamte Spektrum des Regenbogens beim Farbwechsel durchlaufen.
Fast könnte man meinen, sie haben Physik studiert, diese Chamäleons. Denn der Trick, den sie für ihren mehr als eindrucksvollen Farbwechsel einsetzen, nutzt äußerst kunstvoll physikalische Gesetze der Lichtbeugung. Bestimmte Chamäleons erzeugen die spektakulären Farbenspiele mithilfe von Nanostrukturen. Diese ähneln denen, die die Farben auf Schmetterlingsflügeln hervorbringen, wie Forscher um Michel Milinkovitch, Jérémie Teyssier und Dirk van der Marel von der Universität Genf jetzt herausgefunden haben.
Für ihre Studie analysierten die Forscher die Haut von mehreren erwachsenen Männchen und Weibchen und von Jungtieren des Panther-Chamäleons (Furcifer pardalis). Die Genfer Wissenschaftler kombinierten für ihre Analyse Gewebeuntersuchungen, Elektronenmikroskopie und Wellenlängenmessungen mit der Computermodellierung des Verhaltens von Elektronen in Festkörpern.
Kristalle aus Guanin in Hautzellen
Zu ihrer Überraschung machten die Forscher eine ungewöhnliche Entdeckung. Die Haut des Pantherchamäleon-Männchens ist im Gegensatz zu der anderer Echsen und Chamäleons aus zwei Schichten spezialisierter Zellen, sogenannter Iridiophoren, aufgebaut. In diesen befinden sich Kristalle aus Guanin in unterschiedlichen Größen und Anordnungen. In der unteren Hautschicht liegen größere Guanin-Kristalle. Diese reflektieren etwa die Hälfte des einfallenden Lichts, tragen dabei aber nicht zum Farbenspiel bei.
Abstand der Kristalle voneinander entscheidend
Das besorgt die obere Hautschicht, die nur bei den erwachsenen Pantherchamäleon-Männchen voll ausgebildet ist. Hier bilden die kleinen Guanin-Kristalle ein regelmäßiges Gitter. „Diese Schicht hat das Potenzial, sich wie ein photonischer Kristall zu verhalten“, erklären die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature Communications, in dem sie ihre Forschungsergebnisse jetzt publiziert haben.
„Wie wir feststellten, verändert sich die Größe der Kristalle zwar nicht, wohl aber ihr Abstand zueinander“, so die Forscher. Hat das Chamäleon die Ruhe weg, liegen die Nanokristalle in einem engen Netz angeordnet. Dann schimmert das schlaue Tier in einem sanften Blauton vor sich hin.
Bei Aufregung wird das Chamäleon rot
Gibt es einen Aufreger im trägen Chamäleonleben, es nähert sich beispielsweise ein Weibchen oder gar ein Rivale, so lockert sich dieses enge Kristallgitter in der oberen Hautschicht. Die Guaninkristalle rücken weiter auseinander. In der Folge durchwandert die Farbe des Pantherchamäleon-Männchens einmal das gesamte Regenbogenspektrum, bis es am Ende in gelben und roten Farbtönen changiert.
Die Farbspiele der Chamäleons dienen der Kommunikation. „Bei einem solchen photonischen Kristall können schon kleine Veränderungen der Geometrie dramatische Veränderungen in der Farbe erzeugen“, erklären Teyssier und seine Kollegen. Beim männlichen Pantherchamäleon beträgt der Kristallabstand zwischen Ruhe und Aufregung rund 30 Prozent.
Untere Hautschicht schützt vor Überhitzung
Die untere Hautschicht dient dagegen der Kühlung, denn diese reflektiert vor allem elektromagnetische Wellen im Infrarotbereich. Da die Wärmestrahlung des Sonnenlichts im Infrarot-Bereich am größten ist, vermuten die Forscher, dass die innere Hautschicht die bunten Tiere hauptsächlich vor Überhitzung schützen. „Vor allem Pantherchamäleons und Jemenchamäleons, die hier untersucht wurden, kommen in trocknen, heißen Umgebungen vor und sind in starken Maße dem Sonnenlicht ausgesetzt“, schreiben die Wissenschaftler. Pantherchamäleons leben auf der Insel Madagaskar im Südosten Afrikas.
„Das ist eine evolutionäre Neuheit“
Die klugen Pantherchamäleons sind unter den Chamäleons bisher die einzigen, bei denen eine Doppelschicht mit kristallhaltigen Zellen entdeckt worden ist. „Das ist eine evolutionäre Neuheit für diese Tiergruppe“, erklären Teyssier und seine Kollegen in Nature Communications. Jetzt gilt es, den Mechanismus zu entschlüsseln, mit dem die Tiere die Nanokristallgitter und damit ihre Farbe verändern.
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