Kunsthaut lässt Menschen Magnetfelder spüren
Wie Insekten, Vögel oder Haie das Magnetfeld der Erde spüren: Das ermöglichen ultraleichte Magnetsensoren deutscher und japanischer Wissenschaftler. Sie lassen sich wie eine zweite Haut tragen.
Die magnetische Haut ist nur 1,5 Mikrometer dünn und trotzdem extrem widerstandsfähig. Mit einem Gewicht von nur drei Gramm pro Quadratmeter kann sie sogar auf einer Seifenblase schweben. Sie kann gefaltet und gebogen werden und hält dabei extreme Krümmungsradien aus, ohne dass die Funktionalität beeinträchtigt wird. Selbst wenn man sie wie Papier zwischen den Fingern zerknüllt, bleiben sie intakt.
Wenn man die Sensorhaut auf ein Gummiband aufbringt, kann man sie um mehr als 270 Prozent dehnen, und das mehr als tausend Mal, ohne dass sie Schaden nimmt. Erreicht wird diese mechanische und funktionelle Robustheit durch die Verwendung einer ultradünnen, flexiblen und widerstandsfähigen Polymerschicht als Unterlage.
Interaktionsplattform zwischen Mensch und Maschine
Die kommerziell erhältliche Trägerfolie wird in einem lithografischen und preiswerten Verfahren mehrlagig mit den Magnetsensoren bedruckt. Dabei bedienen sich die Wissenschaftler eines Effekts namens Giant Magneto Resistance. Dieser Riesenmagneto-Widerstand entsteht in Strukturen, die aus sich abwechselnden magnetischen und nicht-magnetischen dünnen Schichten bestehen. Für die Entdeckung des GMR-Effektes erhielten Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und Albert Fert von der Universität Paris-Süd 2007 den Nobelpreis für Physik.
„Wir haben eine Interaktionsplattform zwischen Mensch und Maschine entwickelt, die berührungslos ist und auf die Haut aufgebracht werden kann. Das eröffnet ein großes Anwendungsfeld für Bewegungssensoren bei Soft-Robotern oder bei funktionellen medizinischen Implantaten sowie für Magnetsensoren, die direkt auf die Haut aufgebracht werden”, sagt Michael Melzer, der als Doktorand im Team von Denys Makarov tätig ist. Makarov leitet im Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) die Gruppe „Flexible Magnetoelektronik“.
Wink mit dem Finger legt magnetischen Schalter um
In verschiedenen Versuchen haben Makarov und sein Team die Funktionalität der neuen Magnetsensorfolie getestet. Wenn etwa die Folie in die Hand einer Versuchsperson geklebt und mit feinen Kupferleitungen verbunden wurde, konnte die Reaktion auf ein Magnetfeld gemessen werden. Je näher die Hand mit der Sensorfolie dem Magneten kam, desto deutlicher wurde das Magnetfeld sichtbar. Das funktionierte auch, wenn nur ein kleines Stück Folie mit einem einzigen GMR-Sensor in die Nähe eines Magneten gehalten wurde.
Der Träger einer solchen elektronischen Haut könnte also die Stärke und den Verlauf statischer und dynamischer Magnetfelder wahrnehmen. Da der Sensor auf Annäherung reagiert, lassen sich damit außerdem berührungsfreie Schalter herstellen. Ein Wink mit dem Finger würde genügen, um einen magnetischen Schalter umzulegen. Der künstliche Magnetsinn könnte damit auch als Grundlage für neue elektronische Wearables dienen.
Ihre Ergebnisse, an denen auch die TU Chemnitz sowie die Universtäten in Tokio und Osaka beteiligt waren, haben die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature Communications publiziert.
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