Material mit Formgedächtnis verwandelt sich in einen Sessel
Der belgische Designer Carl de Smet aus Antwerpen entwickelt Möbel aus Werkstoffen mit Formgedächtnis. Den Aufbau übernimmt Strom aus der Steckdose.
Wer den gerade gekauften Sessel des belgischen Designers Carl de Smet auspackt, ist ohne Vorwarnung aufs Höchste enttäuscht. Vor ihm liegt ein weißer Kunststoffhaufen, der einem zusammengepressten Kissen ähnelt. Ein Stuhl sieht anders aus.
Doch der Haufen hat es in sich: Er besteht aus einem Werkstoff mit Formgedächtnis. Aus dem können so unterschiedliche Produkte wie Stützkörper für Wirbelsäule und Adern, unzerstörbare Brillengestelle und Drähte hergestellt werden, die durch Erwärmung die Tankklappe an einem Auto öffnen.
Diesmal ist es ein besonders geformter Stuhl, der auch als moderne Kunst durchgehen würde. Wird der Kunststoff-Klumpen auf 70 Grad aufgewärmt, verwandelt er sich in die gewünschte Form.
Spezialmaterial von Mitsubishi
De Smet setzt ein spezielles Polyurethan ein, das im japanischen Konzern Mitsubishi entwickelt worden ist. Ähnlich wie beispielsweise Brillenbügel aus einer Nickel-Titan-Legierung, die nach dem Verbiegen durch Erwärmen exakt ihre alte Form wieder annehmen, merkt sich auch der Kunststoff die Form, die ihm der Designer gegeben hat.
Zum Transport wird er rücksichtslos auf fünf Prozent seines Volumens zusammengequetscht. Dabei wird die Kristallstruktur des Werkstoffs verändert. Bei einer Erwärmung auf etwa 70 Grad Celsius wachen die Kunststoffmoleküle gewissermaßen auf. Sie erinnern sich an ihre einstigen Nachbarn und nehmen exakt ihre alte Position ein. Innerhalb von zehn Minuten erreicht der Stuhl seine ursprüngliche Form. Es sieht aus, als würde er aufgeblasen.
Vorerst in der Wärmekammer
Derzeit findet die wundersame Umwandlung in einer elektrisch beheizten Wärmekammer statt. Als Serienprodukt soll der Stuhl mit internen Wärmekörpern ausgestattet sein, die die benötigte Temperatur erzeugen, wenn man sie ans Stromnetz anschließt.
Seit rund zehn Jahren arbeitet der Designer an seinem Stuhl. Er rechnet damit, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis es das Sitzmöbel zu kaufen gibt. Eins der größten Hindernisse ist der Preis des Werkstoffs. De Smet nennt ihn zwar nicht. Doch die heutigen Produkte, vor allem die für medizinische Verwendungen, gehören zur Hochpreiskategorie.
Doch die Öffentlickeit will der Belgier schon mal neugierig machen: Er stellt seinen Prototypen Anfang des Monats den staunenden Besuchern der Design-Messe in Mailand vor.
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