Mein Haus, mein Grundstück – aber nicht mein Baum
Große Bäume sind schön anzusehen, bringen Leben auf Grundstücke und spenden Schatten. Doch Hauskäufern sind sie mitunter ein Dorn im Auge. Wer zur Säge greifen will, begibt sich auf juristisch vermintes Terrain. Aber auch wer alte Gehölze leben lässt, muss zahlreiche Vorschriften einhalten.
„Wir dürfen unseren Baum nicht fällen. Eine Frechheit!“ Immer wieder beschweren sich frustrierte Hauskäufer in Internetforen darüber, dass Behörden ihnen verbieten, Bäume von ihrem Grundstück zu entfernen.
Alte, hochgewachsene Gehölze sind schön anzuschauen, dienen als Lebensraum für Vögel und andere Wildtiere und verbessern Mikroklima und Luftqualität. Doch nicht jeder Hausbesitzer weiß das zu schätzen. Mancher stört sich an herabfallendem Laub, das Dachrinnen verstopft. Andere beklagen die Verdunklung ihrer Räume. Dritte fürchten Sturmschäden durch herabfallende Äste oder das Umkippen ganzer Bäume. Wer solche Sorgen per Säge beenden möchte, begibt sich juristisch und emotional auf schwieriges Gelände.
Von März bis September: Hände weg von Bäumen
Grundsätzlich gilt von März bis September das siebenmonatige Gehölzschnitt-Verbot laut §39 des Bundesnaturschutzgesetzes. Zur Schonung von Brutvögeln, Insekten und Fledermäusen verbietet es der Paragraf, Bäume, Hecken, Gebüsche und andere Gehölze in dieser Zeit abzuschneiden oder stark zurück zu schneiden. Nur schonende Form- und Pflegeschnitte sind zulässig, sofern im Gehölz keine Vögel brüten. Denn die dürfen nicht mutwillig beunruhigt werden. Wer sich darüber hinwegsetzt, begeht mindestens eine Ordnungswidrigkeit – oder in schweren Fällen auch eine Straftat im Sinne des Tierschutzgesetzes.
Auch außerhalb der Schonzeit gibt es Einiges zu beachten. Zuvorderst die Frage, ob es in der eigenen Kommune oder dem Landkreis eine Baumschutzsatzung gibt. Dann kann die Sache schnell kompliziert werden.
Sachsen haben nahezu freie Hand
Glück haben die Bewohner von Sachsen. Das Land gibt sägenden Hausbesitzern seit 2010 nahezu freie Hand. Bis 1 m Stammumfang dürfen Bäume dort ohne Antrag gefällt werden viele Baumarten auch darüber hinaus. Die Pflicht, für gefällte Riesen junge Bäume anzupflanzen, besteht auf sächsischen Privatgrundstücken ebenfalls nicht mehr.
Das ist in den meisten Großstädten aber ganz anders. Auch Landkreise und Kommunen in ländlichen Gebieten pochen zum Teil noch auf Baumschutz. Eine Systematik ist nicht erkennbar. Testanrufe in Naturschutzbehörden diverser Landkreise zeigen, dass auch deren Experten nicht aus dem Stegreif wissen, welche Kommunen in ihrem Kreis noch Baumschutzsatzungen haben. So gesehen scheint der Verfolgungsdruck seitens der Behörden nicht allzu groß. Doch spätestens, wenn Nachbarn nachhaken, ob der „Baumfrevel“ genehmigt war, droht Ungemach. Wo eine Baumschutzsatzung gilt, stehen für Verstöße Geldbußen von bis zu 50 000 € im Raum.
Wirrwarr der Baumschutzsatzungen
Die Satzungen legen fest, an welche Bäume Hausbesitzer Hand anlegen dürfen und an welche nicht. So schützt die Stadt Potsdam Bäume ab 30 cm Stammumfang in 1,30 m Höhe über dem Boden. In Berlin greift die Satzung bei allen Laubbäumen, Waldkiefern, Walnuss und Türkische Baumhasel ab 80 cm Stammumfang, jedoch nicht bei Obstbäumen. Kölner Hausbesitzer haben bis 100 cm Umfang in 1 m Stammhöhe weitgehend freie Hand. Die Zahlen machen deutlich, dass es keinerlei Faustformel gibt. Wer fällen will, muss zunächst die geltende Satzung lesen.
In fast allen Satzungen ist verankert, dass Hausbesitzer eine Erhaltungspflicht haben und Gefahren von geschützten Bäumen und ihren Wurzeln abwenden müssen. Dazu zählt auch, dass in einem definierten Umkreis dieser Bäume der Boden zu schonen ist: Asphaltieren und Betonieren ist hier ebenso Tabu wie der Einsatz von Streusalz und Pflanzenschutzmittel, Gräben ziehen, Leitungen legen, Erdreich aufschütten oder Abstellen und Waschen von Autos und schweren Maschinen. Selbstredend ist es verboten, die Schützlinge mutwillig oder fahrlässig zu beschädigen.
Ausnahmen gelten, wenn Bäume krank sind oder Gefahr von ihnen ausgeht, die der Eigentümer unter vertretbarem Aufwand nicht abstellen kann. In solchen Fällen muss die Fällung auf jeden Fall bei der verantwortlichen Behörde beantragt und deren Bescheid abgewartet werden. Teils schreiben die Satzungen vor, gefällte Bäume oder gekappte Äste bis zu zehn Tage für Vorort-Kontrollen zu verwahren. Damit allein ist es vielerorts nicht getan. Antragsteller müssen zusätzlich ökologische Kompensation betreiben, die sich am Stammumfang und der ökologischen Wertigkeit des gefällten Baumes bemisst. Wer in Berlin fällt, muss bis zu acht junge Ersatzbäume pflanzen. Sind sie nach vier Vegetationsperioden nicht angewachsen, muss die Ersatzpflanzung wiederholt werden.
Am besten vor dem Haus- oder Grundstückskauf informieren
Wer mit einem Haus oder Grundstück liebäugelt, auf dem hohe Bäume stehen, sollte möglichst schon vor Vertragsabschluss klären, welchen Spielraum ihm die Behörden lassen. Zudem ist gerade bei alten Bäumen zu prüfen, wann sie zuletzt ein Gutachter in Augenschein genommen hat. Denn wenn umstürzende Bäume Schaden anrichten, haften die Eigentümer. Um der Haftung zu entgehen, müssen Besitzer einschlägigen Gerichtsurteilen zufolge jährlich zwei fachmännische Überprüfungen vorweisen – eine mit und eine ohne Laub. Außerdem zählen es Gerichte zu den Pflichten von Eigentümern, nicht mehr standfeste Bäume oder auch morsche Äste zu beseitigen. Hausbesitzer sind in der Mangel zwischen Umweltbehörden und Gerichten. Während Erstere alte Bäume schützen, fordert die Justiz rechtzeitiges Fällen.
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