Messier 87: Galaxie verschlingt eine andere
Es klingt wie eine gewaltige Fressattacke: Über Milliarden Jahre hinweg ist eine mittelgroße Galaxie völlig in der Galaxie Messier 87 aufgegangen. Den Nachweis dafür führten Forscher an der Europäischen Südsternwarte mithilfe eines astronomischen Tricks.
Messier 87 ist gigantischer, als es sich ein Mensch eigentlich vorstellen kann. Die Galaxie, benannt nach dem französischen Astronomen Charles Messier, der sie schon im 18. Jahrhundert entdeckte, hat eine Masse, die eine Billion mal größer ist als die unserer Sonne. Und der Sternenhaufen liegt schlappe 50 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Dennoch können Forscher sie heute recht genau beobachten – mithilfe des „Very Large Telescope“, das die Europäische Südsternwarte ESO in Chile betreibt.
Dort ist es nun zum ersten Mal gelungen nachzuweisen, dass Messier 87 in den vergangenen Milliarden Jahren eine mittelgroße andere Galaxie förmlich verschlungen hat. Dass es solche Phänomene gibt, nehmen Astronomen schon seit langem an. Weil sich aber die Sterne beider Galaxien miteinander vermischen, ohne dass es direkte Spuren gäbe, ist der Nachweis schwierig. Die ESO-Wissenschaftler vergleichen den Vorgang mit einem Eimer Wasser, den man in einen Teich schüttet – am Ende gibt es einfach eine größere Menge Wasser.
Grün leuchtende „Nadeln im Heuhaufen“
Eine Forschergruppe um Alessia Longobardi vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik im bayerischen Garching hat den Nachweis nun geschafft, indem sie einen Trick anwandte: Sie beobachtete die Bewegung von 300 leuchtenden Planetarischen Nebeln. Sie entstehen, wenn sonnenähnliche Sterne das Ende ihres Lebens erreichen. Weil die Nebel einen Großteil ihrer Energie in Form von nur wenigen Spektrallinien aussenden, lassen sich ihre Bewegungen noch in sehr großer Entfernung verfolgen. „Die grünen Planetarischen Nebel sind wie Nadeln in einem Heuhaufen aus goldenen Sternen. Aber diese seltenen Nadeln halten Hinweise darüber bereit, was mit den Sternen passiert ist”, erklärt Ko-Autorin Magda Arnaboldi.
Auf diese Weise gewannen die Astronomen mithilfe eines leistungsstarken Spektrografen Erkenntnisse über die frühere Verschmelzung der Galaxien. Das, so erklären die Forscher, sei vergleichbar mit den Spuren, die das Wasser im Eimer dann doch im Teich hinterlässt, ob als Wellen oder kleine Bestandteile wie Schmutzpartikel, die im Teich ursprünglich nicht vorhanden waren.
Überschüssiges Licht aus der verschlungenen Galaxie
Zweites deutliches Zeichen für den kosmischen Kannibalismus sei „überschüssiges Licht, das aus den Überresten des vollständig zerrissenen Opfers stammt“. Diese Beobachtungen hätten gezeigt, dass durch die zerstörte Galaxie jüngere, blaue Sterne in Messier 87 hinzugekommen sind. Vermutlich habe es sich also vor ihrem Untergang um eine so genannte Spiralgalaxie gehandelt, die quasi laufend neue Sterne produzierte.
Die Untersuchung zeige, „dass auch große, hellleuchtende Strukturen im Universum immer noch in nicht unerheblichem Umfang wachsen – Galaxien sind noch nicht fertig entwickelt“, erklärt Alessia Longobardi. Ein großer Bereich des äußeren Halos, also der kugelförmigen Hülle von Messier 87, sei jetzt zweimal so hell wie ohne die Kollision mit der kleineren Schwester.
Neues Teleskop wird noch größer
Die Astronomen stellen ihre Ergebnisse auch als Beweis der ungeheuren Leistungsstärke des „Very Large Telescope“ vor. Denn die Lichtmenge, die von den Planetarischen Nebeln ausgehe, entspreche gerade einmal der Kraft von zwei 60-Watt-Glühbirnen auf der Venus.
Künftig könnte die ESO, die von 16 europäischen Ländern getragen wird, weitere spektakuläre Erkenntnisse präsentieren. Schließlich wird in Chile, wo auch die drei bisherigen Standorte der Sternwarte liegen, gerade das Extremely Large Telescope errichtet. Mit 39 Metern Durchmesser wird es das größte optische Teleskop der Welt.
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