Methanexplosion auch in der Nordsee
Die Ursache für das Desaster im Golf von Mexiko war eine Methanexplosion – und es war nicht der erste Unfall dieser Art. In der Nordsee gab es 1990 einen sogenannten „Blow-out“. Damals war kein Öl ausgetreten. Aber es strömen seither große Mengen Methan ins Meer. Ein Meeresbiologe hat sich den Explosionskrater in 100 m Tiefe genauer angeschaut.
Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wäre die britische Firma Mobil North Sea vor 20 Jahren bei einer Bohrung vor der schottischen Küste auf Öl gestoßen, bevor eine gewaltige Methanexplosion das Vorhaben stoppte. Seitdem klafft dort ein Krater von 75 m Durchmesser und 20 m Tiefe, und aus dem Bohrloch sprudeln ständig große Mengen Methan – das als Treibhausgas 24-mal so stark wirkt wie CO2.
Der Meeresbiologe Peter Linke vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel konnte sich die Methanquelle in 120 m Tiefe vor einigen Jahren aus der Nähe anschauen. Mit dem Mini-U-Boot „Jago“ tauchte er in den Explosionskrater hinab – in „eine andere Welt“, erinnert sich Linke heute.
Das Methan strömte aus mehreren Öffnungen, um das kleine Tauchboot wimmelte ein Schwarm Seelachse, die im Krater Schutz und Nahrung suchten. Den Boden hatten Blumentiere erobert – eine ganz andere Welt, als Linke sie von den natürlichen Methanquellen kennt, die er rund um den Globus untersucht.
„Da entwickelt sich über einen langen Zeitraum eine ganz spezielle Gemeinschaft aus Bakterien, Muscheln und anderen Organismen, die das Methan selbst oder Abbauprodukte wie Schwefelwasserstoff als Nahrungsquelle nutzen, entweder direkt oder über Bakterien, die sie in ihrem Gewebe haben“, erklärte Linke den VDI nachrichten. So eine Lebensgemeinschaft habe er dort unten nicht gefunden, dafür gebe es die Methanquelle noch nicht lange genug. Aber er habe erste Anzeichen gefunden, dass sich solche Organismen ansiedeln.
Diese speziellen Lebensgemeinschaften wirken wie ein „biologischer Filter“: Sie verbrauchen das Methan komplett, sodass bei natürlichen Quellen kein Gas bis an die Meeresoberfläche gelangt – und damit auch nicht in die Atmosphäre.
Bei dem verunglückten Bohrloch vor Schottland ist das ganz anders: „Wir haben am Meeresboden und an der Wasseroberfläche Proben genommen und festgestellt, dass etwa 25 % des Methans oben ankommen“, berichtete Linke. Der Rest löst sich im Meerwasser, ein Teil reagiert zu CO2.
Läge die Methanquelle nicht in nur 120 m Tiefe, sondern unter 300 m, bei Wassertemperaturen von weniger als 4 °C, käme aus anderen Gründen kein Methan bis zur Wasseroberfläche: Bei hohem Druck und Kälte würde das Gas zu Eis gefrieren, zu sogenanntem Methanhydrat. Am Unglücksbohrloch im Golf von Mexiko ist das der Fall das Methaneis hatte die Kuppel verstopft, mit der man das Öl auffangen wollte.
Wie viel Gas an der Wasseroberfläche ankommt, konnten die Meeresforscher durch ihre Expedition nicht ermitteln: „Wenn Gas oder Öl unter Wasser ausströmt, ist das schwer zu quantifizieren, das hat man jetzt auch im Golf von Mexiko gesehen.“
Weil das Methan nicht zu sichtbaren Umweltschäden führt, gab es keinerlei Bemühungen, das Loch zu schließen. Wegen der große Gasmenge dürfte das technisch bis heute nicht möglich sein, nur bei kleineren Methanquellen ist dies schon gelungen. Inzwischen hat die Firma British Gas die Bohrlizenz für diese Region erworben ob sie sich mit dem Bohrloch befassen wird, ist noch unklar.
Die Region um das explodierte Bohrloch in der Nordsee ist auf Seekarten als Gefahrenzone markiert. Könnten dort also wie im Bermudadreieck Schiffe verschwinden? Peter Linke schmunzelt – der Tauchgang mit „Jago“ mitten durch den Methanstrudel fühlte sich zwar an wie eine Achterbahnfahrt, aber er hat am Meeresboden keine Wracks gesichtet. „Und es gibt auch keinen direkten Nachweis, dass im Bermudadreieck Methanquellen existieren, die Schiffe in die Tiefe sinken lassen – das wird nur immer wieder gerne in den Medien als Mysterium beschrieben.“
Linke interessiert sich eher dafür, wie sich die Lebenswelt um die Methanquelle in der Nordsee weiter verändert. Mit britischen Kollegen hat er vereinbart, die zukünftige Entwicklung kontinuierlich zu beobachten. Um sie dann mit den vielen natürlichen Methanquellen zu vergleichen – demnächst zum Beispiel mit Gasaustritten, die im Frühjahr durch das schwere Erdbeben vor der Küste Chiles entstanden sind. RENATE ELL
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