Mit diesem Hirnatlas lassen sich schwere Krankheiten besser erforschen
Das menschliche Gehirn ist eine komplizierte Angelegenheit. Welcher Bereich steuert was? Wo verlaufen die Grenzen? Jetzt haben US-Wissenschaftler den bislang detailliertesten Atlas der menschlichen Großhirnrinde erstellt. Warum? Damit Mediziner besser Autismus, Schizophrenie, Demenz und Epilepsie erforschen können.
Die wurstigen Bilder von der Großhirnrinde kennt jeder: Sie bedeckt fast das ganze von außen sichtbare Gehirn, ist stark gefaltet und von zahlreichen Furchen durchzogen.
In jeweils 180 Parzellen hat ein internationales Team um die Hirnforscher Matthew Glasser und David Van Essen von der Washington University in St. Louis die beiden Großhirnhälften unterteilt. Sie haben damit doppelt so viele verschiedene Areale ausgewiesen, als bisher zugrunde gelegt wurden. Die Wissenschaftler haben 97 neue Bereiche ausgemacht – und 83 bestätigt, die bisher durch Untersuchungen an totem Gehirngewebe erkannt worden waren.
Kortex in 360 Parzellen unterteilt
Dem neuen Atlas liegen Untersuchungen von jungen, gesunden Gehirnen zugrunde. Die detaillierte Karte kann von anderen Wissenschaftlern als Basismaterial genutzt werden. Sie soll bei der Erforschung von Autismus, Schizophrenie, Demenz und Epilepsie helfen.
Fehlfunktionen im Hirn können jetzt beim Vergleich mit der kleinschrittigen Aufteilung besser einem Bereich des Gehirns zugeordnet werden. Es kann engmaschiger nach individuellen Abweichungen von der Norm gesucht werden.
Human Connectome Projekt liefert Basisdaten
Der Kortex ist zuständig für viele Funktionen wie Sinneswahrnehmung, Aufmerksamkeit, Sprache oder abstraktes Denken. Die verschiedenen Regionen übernehmen mal allein, mal gemeinsam die Aufgaben. Bei bisherigen Darstellungen der Großhirnrinde wurde meist nur ein Kriterium für deren Einteilung benutzt. Eine übergreifende Karte, die Funktion, Anatomie, Zellarchitektur und Verknüpfungen in sich vereint, fehlte jedoch.
Um einen solchen Atlas zu erstellen, griffen Glasser und seine Kollegen zunächst auf bereits vorliegende anatomische Daten von 1200 Gehirnen zu, die im Rahmen des vor sechs Jahre gestarteten ehrgeizigen Human Connectome Projekts per Magnetresonanztomografie (MRT) analysiert worden waren.
Hirnscans von 420 Personen
Dann wurden für die neue Karte von weiteren 210 Männern und Frauen funktionelle MRT-Hirnscans erstellt. Sie zeigen die Aktivität verschiedener Areale der Hirnrinde in Ruhe und bei sieben verschiedenen Tätigkeiten. Mit Hilfe eines lernfähigen Algorithmus konnten dann alle Daten vergleichend ausgewertet werden. Heraus kam, wie die Hirnrinde sowohl anatomisch als auch funktionell aufgeteilt ist.
„Am Ende hatten wir für jede Hirnhälfte 180 Areale, aber wir gehen nicht davon aus, dass das die endgültige Zahl ist“, sagte Glasser. Anhand derzeitiger Methoden hätten nicht überall klare Grenzen gezogen werden können. In den Atlas aufgenommen wurden nur die eindeutigen Grenzen.
Zuvor wurde noch eine Kontrolluntersuchung angefügt: Die gefundenen Areale wurden anhand eines Koordinatensystems und mit Hilfe von Algorithmen auf weitere 210 Menschen übertragen. Die Übereinstimmung lag bei rund 97 Prozent. Das lässt sich wohl als eindeutig verstehen.
Im Forschungszentrum Jülich wird derweil ein Supercomputer entwickelt, der das menschliche Gehirn simuliert. Auch mit dem virtuellen Gehirn wollen Wissenschaftler die Hirnforschung vorantreiben.
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