Mit Schuppen auf Stahl der Reibung trotzen
Ihre Schuppenstruktur sorgt dafür, dass sich Schlangen mit äußerst geringer Reibung fortbewegen können. Forscher haben diese Schuppenstruktur jetzt auf Stahlbolzen übertragen. Sie konnten zeigen, dass die Anordnung der Strukturen für die Reibungsverluste entscheidend ist. Mit dieser Erkenntnis kann zum Beispiel die Lebenserwartung von Hüftprothesen verlängert werden.
Die Evolution hat Beine zur Fortbewegung nicht immer im Angebot: Schlangen müssen ohne sie auskommen. Sie gleiten vorwärts, indem sie sich mit ihrem Bauch immer wieder vom Boden abstoßen. Nahezu elegant nähern sich die Schuppenkriechtiere ihren Opfern. Geschickt vermeiden sie unnötigen Bodenkontakt und verhindern so, dass sich ihre Schuppen zu stark abnutzen.
Der Sandfisch krault durch den Sand
Noch erstaunlicher ist die Fortbewegungstechnik des Sandfisches. Diese etwa 15 cm lange Echse lebt in den Wüsten Nordafrikas und des Nahen Ostens und hält sich überwiegend unter der Sandoberfläche auf. Sand kann als Todfeind aller beweglichen Systeme gelten, setzt er doch alles zu. Trotz dieses extrem verschleißenden Lebensraums bewegt sich die kleine Echse äußerst energieeffizient, indem sie ihre Beine wie ein Kraulschwimmer nutzt und so den Widrigkeiten trotzt.
„Reibung und Verschleiß sind zwei der größten Herausforderungen in Systemen, in denen Einzelteile aufeinander treffen“, erklärt Christian Greiner vom Institut für Angewandte Materialien des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
Längeres Leben für Hüftprothesen, Computer-Festplatten und Smartphones
Gemeinsam mit Forschungskollege Michael Schäfer hat Greiner ein Verfahren entwickelt, die schuppige Struktur einer Echse wie dem Sandfisch auf Bauteile elektromechanischer Systeme zu übertragen. Das Ergebnis sind Schuppen auf einem Stahlbolzen mit 8 mm Durchmesser, die er mit einem Laser in den Bolzen einbrachte. Ziel ist es, die Lebensdauer zum Beispiel von Hüftprothesen, Computer-Festplatten oder auch Smartphones zu verlängern.
Königspython und Sandfisch imitiert
Die Forscher gingen der Frage nach, welchen Einfluss der Abstand zwischen den Schuppen auf das Reibungsverhalten hat. Für die Antwort stellten sie zwei verschiedene Schuppenstrukturen auf den Stahlbolzen her. In der ersten Struktur überschneiden sich die Schuppen und liegen eng aneinander – so wie die Bauchschuppen einer Königspython. In der zweiten Struktur imitierten die Forscher die Haut des Sandfisches, indem sie die Schuppen in vertikalen Reihen mit größeren Abständen anlegten.
Schuppengrößen sind nicht exakt
„Der Abstand zwischen den Reihen in unseren Versuchen war der kleinstmögliche, den wir mit dem Laser erzeugen konnten. Die Struktur entspricht also nicht ganz der des Sandfisches“, so Greiner. Vielmehr liegt die von den beiden Forschern erzeugte Schuppenstruktur zwischen den Vorbildern.
Ihre Schuppe ist fünf Mikrometer hoch und hat einen seitlichen Abstand von 50 µm. Die Schuppen der Schlange sind mit etwa 300 bis 600 nm kleiner, die Schuppen des Sandfisches messen rund 2×3 mm, sind also größer.
„Schlange hat in der Natur ja auch kein Ölkännchen“
Nun montierten die Forscher diese Stahlbolzen auf eine drehende Platte. Einmal simulierten sie das Reibungsverhalten mit Mineralöl als Schmiermittel und einmal ohne. Die Experimente mit Öl dienten lediglich als Vergleichsmodell, weil „die Schlange in der Natur ja auch kein Ölkännchen hat“, wie Christian Greiner betont.
Im geölten Zustand nutzten die Wissenschaftler Werkstahlscheiben, im nicht-geölten Zustand Saphirscheiben. Vom Ergebnis sind die Forscher überrascht: die weite Schuppenanordnung reduzierte die Reibung um mehr als 40 Prozent, die enge hingegen nur um 22 Prozent. „Wir sind davon ausgegangen, dass die enge Anordnung effektiver ist, weil sie genauso in der Natur bei Schlangen vorkommt“, sagt Greiner.
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