Nachhaltig fischen: Neues Schleppnetz hat Schlupflöcher und Fluchtfenster
Der Ostsee gehen die Dorsche aus. Doch nicht nur die Existenz der Tiere ist bedroht. Auch die der Fischer. Rostocker Wissenschaftler haben ein neues Schleppnetz entwickelt, das Mensch und Tier weiterhelfen würde. Was es von den üblichen Netzen unterscheidet? Wir verraten es Ihnen auf der nächsten Seite.
Freuten sich Berufsfischer früher über dicke Dorsche im Netz ohne schlechtes Gewissen, haben sie heutzutage eher gemischte Gefühle bei deren Anblick. Warum? Weil sie wissen, dass gerade die großen, alten Fische besonders wichtig für die Reproduktion der Bestände sind: Ein zehnjähriges Dorsch-Weibchen legt bis zu 40 Mal so viele Eier wie ein junges, gerade geschlechtsreif gewordenes Tier. Und dann sind die Eier der älteren Fische auch noch von besserer Qualität.
Eine Lösung, die älteren und großen Fische zu schützen, haben jetzt Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock ausbaldowert. Ihre Idealvorstellung: Der Fang sollte, mathematisch gesehen, gemäß einer Glockenkurve verteilt sein – vor allem die mittleren Größenklassen sollen gefangen werden, während von den kleinen wie von den großen Tieren nur wenige ins Netz gehen.
Schlupflöcher für kleine Fische
Kleinen Fischen die Flucht zu ermöglichen, lässt sich relativ einfach umsetzen durch die passende Maschengröße und -form im Endbereich des Schleppnetzes, dem Steert. Anders sieht es bei großen Fischen aus. Da mussten sich die Fangtechniker des Thünen-Instituts schon ein paar Gedanken mehr zu machen.
Heraus gekommen ist ein am Ende des Netzes eingebautes Gitter aus schräg nach oben führenden, parallel angeordneten Stäben, das die großen Dorsche zu einem Fluchtfenster leitet. Sind Fische so groß, dass sie nicht durch das Gitter passen, sind sie quasi gezwungen, das Netz durch das oben liegende Fenster wieder zu verlassen.
Mit dem Forschungsschiff Solea stachen die Wissenschaftler in See und testeten den neuen Netztyp. Dafür umhüllten sie den Steert mit einem anderen Netz, dort sammelten sich die kleinen Fische, die durch die Maschen geschlüpft waren. Auch an das oben liegende Fluchtfenster im vorderen Bereich des Netzes wurde ein Auffangnetz angebracht. Und dann haben die Forscher gezählt: wie viele Fische flüchten konnten und wie viele im Netz als Fang landeten.
Anschließend wurden die Daten anhand verschiedener statistischer Modelle analysiert. Das Ergebnis: Es ist prinzipiell möglich, den Dorschfang selektiv nach gewünschten Größenklassen auszurichten. Die entscheidenden Steuergrößen für die Form der Glockenkurve, die den Anteil von kleinen, mittleren und großen Fischen im Fang beschreibt, sind zum einen die Abstände der Stäbe im Gitter und zum anderen die Maschengrößen im Steert.
Dr. Daniel Stepputtis, Leiter der Arbeitsgruppe Fischerei- und Surveytechnik im Thünen-Institut: „Die bislang erzielten Ergebnisse sind vielversprechend.“ Den Forschern sei besonders wichtig gewesen zu zeigen, dass „die Möglichkeiten, Netze zu entwerfen, die eine nachhaltige Nutzung der Fischbestände ermöglichen, noch lange nicht ausgereizt sind“. Was die Ostsee anbelangt drängt die Zeit. Denn schon jetzt hat die EU die Fangquote für Dorsch aus der Ostsee neu geregelt: Im Westen sinkt die Fangmenge um 56 % gegenüber 2016, in der östlichen Ostsee um 25 %. Ein harter Einschnitt für die Berufsfischer.
Ein weiteres Problem in der Ostsee: 10.000 Fischernetze gehen jedes Jahr allein dort verloren, reißen sich los im Sturm und werden am Meeresgrund zur tödlichen Falle für Wale und Fische. Umweltschützer wollen diese so genannten Geisternetze jetzt bergen. Und zwar mit Schiffen, die Eggen hinter sich herziehen. Erste Erfahrungen gibt es schon. Mehr dazu können Sie hier nachlesen.
Ein Beitrag von: