Nachrichtendienst sucht Behinderte mit speziellen Fähigkeiten
Der britische Abhördienst GCHQ in Cheltenham sucht immer mehr Mitarbeiter, die unter Dyslexie leiden, also Probleme mit dem Lesen und Verstehen von Texten haben. Beim GCHQ bilden diese Menschen eine eigene Arbeitsgruppe und werden als “Neuro-Diverse” apostrophiert. Sie haben nämlich parallel oft eine besondere Fähigkeit: Sie können aus großen Datenmengen bestimmte Muster schneller und besser erkennen als Nichtbehinderte.
Ein leitender Mitarbeiter des GCHQ, der wie alle seine Kollegen seinen Namen nicht veröffentlicht haben will, fasst die Wertschätzung dieser Behinderten wie folgt zusammen: “Neuro-diverse Individuen können zusätzlichen Nutzen für das gesamte Spektrum der Aufgaben und Tätigkeiten der Behörde bringen.”
Dyslexie behindert Menschen und gibt ihnen zugleich andere Fähigkeiten
Für Schulen sind Menschen, die unter Dyslexie leiden, meist ein Problem. Ihnen fällt es ganz besonders schwer, lesen und schreiben zu lernen. Zum Buchstabieren sind sie gelegentlich überhaupt nicht in der Lage. Ihre Handschrift ist sehr häufig katastrophal. Die gleichen Behinderten sind von der Natur aber vielfach mit ganz besonderen Gaben ausgestattet. So verfügen sie häufig über eine ungewöhnliche Fähigkeit, aus Datenmengen bestimmte Muster zu erkennen, die es ermöglichen weitreichende Schlüsse zu ziehen und vielfach auch Texte zu dechiffrieren.
Ein GCHQ-Mitarbeiter formuliert das etwas drastischer: “Neuro-Diverse haben vielfach geradezu unheimliche Fähigkeiten.“ Auf der anderen Seite können sie mit ihren speziellen Fähigkeiten von großem Nutzen sein.” Ein Beispiel für diese speziellen Fähigkeiten ist die Fähigkeit, dreidimensional Daten betrachten und analysieren zu können. Ansätze zur Dyslexie gibt es bei fünf bis zehn Prozent der britischen Bevölkerung.
Neuro-diverse Talente sind schon seit längerem bekannt
Dass die neuro-diversen Mitarbeiter über andersartige Fähigkeiten verfügen, ist dem britischen Geheimdienst schon seit längerem bekannt. Ein berühmtes Beispiel in der modernen Geschichte des Dienstes ist Alan Turing. Ihm verdankte der Dienst, dass es im Zweiten Weltkrieg gelang, den deutschen Enigma-Code zu brechen. Bis zur systematischen Nutzung der speziellen Fähigkeiten neuro-diverser Menschen dauerte es dann aber noch mehrere Jahrzehnte.
Was als Zufall begann, wird inzwischen ganz gezielt genutzt: Der britische Geheimdienst betreibt die Anwerbung von Personal inzwischen ausgesprochen systematisch. Unter den insgesamt 5300 Mitarbeitern sind heutzutage 80 Headhunter, die sich schon in den Schulen umsehen und dabei besonders nach jungen Leuten mit Interesse an Technik und Mathematik Ausschau halten. Letztere werden animiert, ihre einschlägigen schulischen Leistungen zu verbessern, um sich damit zusätzliche Karrierechancen in der GCHQ-Organisation zu sichern.
Von den Werbern wird auch frühzeitig nach Dyslexie-Behinderten Ausschau gehalten. Unter letzteren befinden sich besonders viele, die ein starkes mathematisches Interesse aufweisen, das ihnen für die nachrichtendienstliche Tätigkeit erheblich zugute kommt. Auffällig ist, dass die GCHQ-Werber bei ihren Bemühungen besonders stark an jungen Frauen interessiert sind. Hierzu ist jedoch keinerlei stichhaltige Erklärung zu bekommen.
Mehr als ein Drittel der GCHQ-Beschäftigen arbeiten heute Nahost-konzentriert
Fast alle neuro-diversen Mitarbeiter sind inzwischen im so genannten SIGINT-Bereich tätig. SIGINT steht für Signal Intelligence, also im weitesten Sinne für das Abhören des Telefon-, Funk- und Email-Verkehrs. Mehr als ein Drittel sämtlicher GCHQ-Mitarbeiter arbeiten inzwischen in der Nahost-Abteilung, die die Ergebnisse ihrer Arbeit sowohl den britischen Streitkräften wie der Polizei und den beiden Nachrichtendiensten MI5 und MI6 zur Verfügung stellt.
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